Читать книгу Verraten - Florian Schwiecker - Страница 12
6.
ОглавлениеKrieger war beeindruckt von der Kommissarin. Er konnte an ihrem Gesicht ablesen, dass ihr die Entscheidung, ihm Einblick in die Ermittlung zu geben, nicht leichtgefallen war. Jede Art der Unterstützung von außen konnte ihre Position innerhalb ihres Teams untergraben. Und doch hatte sie sich entschlossen, seine Hilfe anzunehmen. Instinktiv und weil sie wusste, dass sie jeden Beistand gebrauchen konnte. Das erforderte Mut, Souveränität und auch ein hohes Maß an Professionalität. Krieger kannte nur wenige Ermittler, die in der gleichen Situation genauso reagiert hätten.
Ihm war auch nicht entgangen, dass sie außerordentlich attraktiv war, was ihr Leben in einer von Testosteron dominierten Welt bestimmt nicht leichter machte. Aber Krieger achtete nicht nur auf Anna Cole selbst, sondern auch auf ihr Umfeld. Er war ein guter Beobachter, das brachte der Job mit sich. Nebensächlichkeiten verrieten oftmals mehr als das Offensichtliche. Wie verhielten sich ihre Mitarbeiter ihr gegenüber? Kripobeamte sind harte Kerle, Männer wie Frauen, und sie lassen sich nicht leicht beeindrucken. Der Job ist tough, und die Beamten sehen jeden Tag viele Dinge, die kein Mensch auf der Welt sehen sollte. In diesem Beruf kommt es auf wahre Leistung und nicht auf bloßen Schein an. Blender hatten keine Chance und errangen keinen Respekt. Doch Anna Cole hatte den Respekt ihrer Leute. Aber damit alleine war es nicht getan. Die Kommissarin musste eine weitere Entscheidung treffen. Denn sie leitete die Ermittlungen.
Krieger sah in die Runde und bemerkte eine Unruhe unter den Beamten, die er sich nicht erklären konnte. In diesem Moment kam ein weiterer Polizist aus den Trümmern des ehemaligen Cafés auf sie zu, und es war, als hielten alle für einen Moment den Atem an. Jetzt war Krieger auch klar, was der Grund der Anspannung war. Cole hatte eine Nummer zwei, die fest in die Teamhierarchie eingebunden und auf deren Unterstützung sie angewiesen war.
»Alexander, komm her, wir müssen reden«, rief sie in Richtung des näher kommenden Beamten.
Die Nummer zwei, Alexander Mayer, war groß und blond mit harten Gesichtszügen. Er blieb direkt neben seiner Chefin stehen und musterte Krieger von oben bis unten. Dann verschränkte er die Arme ein bisschen zu demonstrativ vor seinem Brustkorb. Seine ganze Körperhaltung drückte Ablehnung aus, und er gab sich keine Mühe, das zu verbergen. Krieger sah, dass er in seinem linken Ohr einen Kopfhörer trug, der mit einem Funkgerät verbunden war. Er wusste also über ihn Bescheid.
»Was gibt’s?«, fragte Mayer und sah Anna Cole herausfordernd an.
»Das ist Luk Krieger vom SKT«, erwiderte sie mit fester Stimme, die keinen Zweifel erkennen ließ, dass sie die Chefin war. »Er hat uns seine Unterstützung bei der Ermittlung angeboten. Er kennt sich mit Attentaten besser aus als wir, und es sieht so aus, als hätte er bereits eine Idee, was hier passiert ist.«
Mayer zog die linke Augenbraue hoch und warf Krieger einen Blick zu.
Krieger wusste sofort, dass er noch jemanden überzeugen musste, wenn er hier weiterkommen wollte. Ein interner Konflikt im Ermittlungsteam würde die Untersuchungen nur behindern. Da Mayer offensichtlich auf Konfrontationskurs war, beschloss er, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen, um ihn, wie schon die übrigen Beamten zuvor, auf seine Seite zu ziehen. Mit Kompetenz und dem Maß an Dringlichkeit, das die Situation erforderte.
»So wie es aussieht«, wiederholte er deshalb seine Ausführungen, »teilen Ihr Experte und ich die gleiche Meinung. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um ein Attentat mit zwei kurz aufeinander gezündeten Sprengsätzen. Die zweite Bombe wird eingesetzt, um die Retter, die den Opfern der ersten Bombe zu Hilfe eilen, ebenfalls in den Tod zu reißen. Diese Art der Sprengfalle wird im Mittleren Osten häufig von Dschihadisten eingesetzt.«
»Ach so«, meinte Mayer zynisch. »Sie kommen hier an den Tatort, werfen einen flüchtigen Blick auf das Ganze und wissen, was passiert ist. Na, dann können wir ja einpacken. Fall gelöst.«
Gerade als er zu einer weiteren spöttischen Bemerkung ansetzte, unterbrach ihn Cole sehr direkt: »Es stimmt. Momentan haben wir viel zu wenige Fakten, um eine sichere Einschätzung abgeben zu können. Aber wir haben einen Anfang, und wenn Krieger recht hat, haben wir nicht viel Zeit. Einen Unfall können wir nach dem ersten Bericht von Karsten ausschließen.« Sie nickte ihrem Bombenexperten zu. »Aber von einem Spinner über Nazis bis hin zu einem IS-Attentat kann hier alles vorliegen. Deshalb werden wir nicht alles auf eine Karte setzen, sondern die Ermittlung teilen.« Ihr Blick fiel wieder auf Mayer. »Du wirst mit deinem Team die Untersuchung am Tatort durchführen. Klassisch, so wie es das Lehrbuch vorschreibt.« Dann sah sie Krieger an. »Parallel werden wir Ihrer Spur folgen und extreme Terroristen als Täter ins Auge fassen. Die Teams werden in ständigem Austausch bleiben und sich bei jedem Ergebnis sofort abgleichen.«
Krieger war beeindruckt. Cole hatte die Situation ganz offensichtlich im Griff. Ihr Vorschlag war pragmatisch und vernünftig. Sie teilte Mayer eine entscheidende Aufgabe im Rahmen des Falles zu, sodass er sein Gesicht wahren konnte. Nach dem Nicken der übrigen Beamten zu urteilen, fand ihr Plan auch bei ihren Kollegen Zustimmung. Nur Mayer schien noch Zweifel zu haben. Doch langsam vermutete Krieger, Mayers Problem war nicht rein professioneller Art. Er hatte offensichtlich ein Interesse an seiner Chefin, das über die reine Zusammenarbeit hinausging. In Krieger sah er eine Bedrohung.
Doch Anna Cole schien das nicht wahrzunehmen. Oder sie ließ es sich nicht anmerken. »Ich erwarte klassische, konservative und saubere Arbeit. Wir werden uns wenigstens alle zwei Stunden abstimmen.« Sie sah Mayer in die Augen. Für einen Moment hielt er ihrem Blick stand, dann sah er zu Boden. Die Entscheidung war gefallen. Er würde den Anweisungen seiner Chefin folgen.