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12.

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Nach zehn Minuten Autofahrt bog Krieger vom Mehringdamm in die Bergmannstraße. Zahlreiche Cafés und kleine Ladengeschäfte machten den Charme dieser besonders schönen Gegend in Berlin-Kreuzberg aus. Lange waren die Zeiten vorbei, in denen dieses Viertel für seine raue und gewaltbereite Szene verrufen war. Künstler, Architekten, Intellektuelle und junge Familien mit Kindern waren hergezogen und bildeten zusammen mit der großen türkischen Gemeinde ein buntes, vertrauensvolles Miteinander, für das Berlin in der ganzen Welt so geschätzt wurde. Die Kreuzberger waren auch nach dem Fall der Mauer ihrem Kiez treu geblieben und nicht wie so viele andere in die scheinbar hippen Bezirke von Ost-Berlin gezogen.

»Wie kann uns Ihr Freund weiterhelfen?«, wollte Cole wissen, während Krieger den schweren Jeep durch die enge Straße manövrierte.

»Er kennt sich in der Szene sehr gut aus.«

Sie wartete, dass er weitersprach, aber Krieger schwieg.

Kurz darauf bremste er den Wagen vor dem Café Brewster’s ab. Er öffnete die Tür, sprang aus dem Auto und sagte: »Ich bin in dreißig Minuten wieder zurück. Gehen Sie doch so lange einen Kaffee trinken.« Dann verschwand er auf der gegenüberliegenden Seite in der Toreinfahrt eines Berliner Altbaus.

Cole wusste nicht genau, ob sie sich ärgern sollte, weil Krieger sie einfach so stehen ließ und seinen Kontakt ohne sie traf, oder ob das die einzig richtige Entscheidung war, weil sein Informant sonst nicht offen sprechen würde. Sie schob den Gedanken fürs Erste beiseite, kletterte aus dem Jeep und schlug die Tür hinter sich zu. Dann betrat sie das Brewster’s. Kräftige Kaffeearomen erfüllten den ganzen Raum und vermischten sich mit dem Duft von frischem Gebäck.

Hinter dem Tresen unterhielten sich die zwei Kellnerinnen über das Unglück am Kurfürstendamm. Die Nachricht hatte sich in der Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet und beherrschte die Gespräche der Berliner. Neben bloßem Entsetzen und dem Wunsch, dass es sich um eine Gasexplosion oder ein anderes Unglück handelte, waren auch Vergleiche mit den Anschlägen vom 11. September in den USA immer wieder zu hören.

Cole räusperte sich, und eine der Kellnerinnen blickte zu ihr herüber.

»Entschuldige«, sagte sie. »Das ist nur alles so verrückt.«

Cole nickte, ging aber nicht weiter darauf ein.

»Was darf’s denn für dich sein?«, erkundigte sich die junge Frau.

»Ich hätte gerne einen großen Kaffee«, sagte Cole.

»Einen großen Americano, alles klar. Für hier oder zum Mitnehmen?«

Gerade als die Kommissarin die Bestellung zum Mitnehmen aufgeben wollte, fiel ihr ein, dass sie ja Zeit hatte. »Gerne für hier, danke. Ich setze mich da drüben hin«, sagte sie und zeigte auf einen kleinen Tisch am Ende des Raumes.

Im gleichen Moment vibrierte das Smartphone in ihrer Tasche. Sie holte es mit der rechten Hand aus ihren Jeans, während sie mit der linken den Stuhl unter dem Tisch hervorzog und sich setzte. Es war eine Textnachricht von Mayer: »Wir haben Infos zur Bombe – ruf mich an.«

Cole wählte die Nummer ihres Kollegen.

»Hallo, Anna, alles okay? Ist dieser Krieger bei dir?«

Mayers Ablehnung gegenüber dem Agenten war deutlich zu hören. Cole ignorierte das für den Moment. »So weit alles in Ordnung, danke. Und nein, Krieger ist nicht hier«, sagte sie. »Er trifft gerade einen Informanten.«

»Ohne dich?«, hakte Mayer nach und traf damit – bewusst oder unbewusst – den wunden Punkt. Hatte Mayer doch von Anfang an recht gehabt und sie hätte Krieger nicht vertrauen dürfen? Sie hielt für einen Moment inne, um sich darüber klar zu werden. Nein, sie hatte sich richtig entschieden! Ihr Gefühl hatte ihr gesagt, sie solle ihm vertrauen, und auf ihr Gefühl konnte sie sich verlassen.

»Was ist jetzt mit der Bombe?«, fragte sie deshalb in einem Ton, der keinen Zweifel zuließ, dass sie jetzt nicht weiter über Krieger reden wollte.

Mayer stutzte kurz, begann dann aber mit seinem eigentlichen Bericht. »Also, unsere Sprengstoffexperten haben die ersten Proben analysieren können, und wir haben ein vorläufiges Ergebnis. Das Zeug kommt ursprünglich aus Russland. Es handelt sich dabei um Militärmaterial. Wir werden es aber nur schwer zur Quelle zurückverfolgen können. Nach Auskunft des BKA gab es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ausverkauf der Roten Armee jegliche Form von Waffen und Sprengstoff so gut wie an jeder Ecke.«

»Das heißt, die Spur läuft ins Leere?«, fragte Cole.

»Grundsätzlich schon«, sagte Mayer. »Wenn wir nicht noch mehr rausbekommen. Für jetzt ist es eine Sackgasse.«

»Können wir in Erfahrung bringen, wo das Bombenmaterial derzeit am häufigsten gehandelt wird?«, fragte sie.

»Ja, das überprüfen wir gerade, allerdings …« Mayer sprach nicht weiter.

»Was ist los, was ist das Problem? Wir müssen schnell vorankommen!«, erwiderte Cole ungeduldig.

»Ich glaube auch nicht, dass wir an dem Punkt weiterkommen, wir haben einfach keinen Zugang zu den richtigen Quellen«, erwiderte Mayer.

»Dann werde ich Krieger bitten, das Ganze auch über seine Einheit überprüfen zu lassen«, sagte Cole. »Vielleicht hat er ja mehr Informationen als wir.«

Mayer schwieg. Das passte ihm gar nicht, obwohl er insgeheim wusste, dass es der richtige Ansatz war. Die Zusammenarbeit der einzelnen Ermittlungsbehörden war bestenfalls als miserabel zu bezeichnen. Das hatte unterschiedliche Gründe, die meisten davon waren hausgemacht. Denn auch wenn alle Behörden mehr oder weniger den gleichen Gegner bekämpften, wollte sich keiner dabei in die Karten blicken lassen. Es ging um Wissen und Macht. Karrieren standen auf dem Spiel, und keiner wollte dabei zusehen, wie eine andere Behörde mit den eigenen Informationen den Sieg davontrug.

»Schick mir bitte einen Link, über den Krieger auf die Daten zugreifen kann, die wir bis jetzt haben«, fuhr Cole fort, ohne sich auch nur im Geringsten von Mayers offensichtlicher Ablehnung irritieren zu lassen. »Was gibt’s sonst noch?«

»Nichts weiter. Und bei euch?«

Sie sah auf die Uhr. »In fünfzehn Minuten weiß ich mehr. Ich melde mich.« Dann legte sie auf. Zwischenzeitlich hatte die Kellnerin den Kaffee gebracht. Sie nahm einen großen Schluck und dachte über die Informationen von Mayer nach. Aus Russland also. Sie musste sich eingestehen, dass sie damit überhaupt nichts anfangen konnte. Mit Sprengstoff hatte sie bisher nur sehr wenig zu tun gehabt. Das wird sich bald ändern, dachte sie und stellte die Tasse vor sich ab.

Verraten

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