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Fazit
ОглавлениеDer historische Ort der Wirtschafts- und Finanzpolitik des zweiten preußischen Königs fiel also, so lässt sich ein vorläufiges Zwischenfazit ziehen, in die Zeit eines außerordentlichen Wandels. An die Stelle einer Denkweise, die die Hauptquelle der Steigerung des Reichtums eines Staates lediglich in seiner Vermehrbarkeit durch Handel erblickte, traten nunmehr Vorstellungen, die auf eine Ressourcenerweiterung durch die in der Bevölkerungszahl, im Gewerbe und in der Landwirtschaft liegenden Wachstumsquellen setzten. In diesem Sinne konnte in der gelehrten Literatur seit dem frühen 18. Jahrhundert eine Verdrängung der sogenannten »kommerziellen Terminologie« durch eine mit Bezeichnungen wie »Ökonomie« und »ökonomisch« durchsetzte begriffliche Praxis beobachtet werden.109 Dies erschien im zeitgenössischen Kontext zunächst gewiss ungewöhnlich, und Friedrich Wilhelm I. war sicherlich einer der ersten Monarchen, der jenen Anschauungen folgte, jedoch eben auch nicht der einzige. Von Vermeidung »übel eingerichteter Ökonomie« war etwa in der vom König verfassten Instruktion an das Generaldirektorium von 1722 die Rede.110 Man hat bei der Lektüre eines solchen bedeutenden Kameralisten wie Johann Heinrich Gottlob von Justi fast den Eindruck, als ob Friedrich Wilhelm I. vor seinem geistigen Auge stünde, wenn er die Bewirtschaftung eines Staatswesens durch einen Fürsten als »guten Wirt« beschreibt und mit einem großen Landgut vergleicht.111 Zugleich wohnte den wirtschaftspolitischen Maßnahmen Friedrich Wilhelms I. ein hohes Maß an Nachhaltigkeit inne. So vertritt die neuere wirtschaftshistorische Forschung die Auffassung, dass der in Preußen seit den 1830er Jahren erfolgreich verlaufende Industrialisierungsprozess »in der gewerblichen Entwicklung vor allem des 18. Jahrhunderts vielfach vorbereitet« worden wäre und nur »unter Berücksichtigung dieses Vorlaufs zu verstehen« sei.112 Um aber etwas Wasser in den bislang allzu vollmundig schmeckenden Wein der wirtschaftlichen Bilanz zu gießen, sei darauf verwiesen, dass die auf den ersten Blick während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. beeindruckend erscheinende Erhöhung der Staatseinnahmen um 44 Prozent nicht so sehr auf eine Steigerung der Wirtschaftskraft und Produktivität pro Kopf zurückgeführt werden kann, sondern fast proportional mit der Bevölkerungsvermehrung, also der Steigerung der Zahl der »Steuerbürger« um 39 Prozent (von 1,6 auf 2,25 Millionen Einwohner), verlief. Obendrein kam der Einnahmeentwicklung auch die günstige Entwicklung der Getreidepreise entgegen. Damit mag die aufgeworfene Frage berechtigt sein, »ob es dem König tatsächlich gelungen war, durch seine ›Reformpolitik‹ auf die Entwicklung der Staatseinkünfte maßgeblichen Einfluß zu gewinnen«.113 Des Weiteren gilt es, sich einen Gedanken in Erinnerung zu rufen, der schon bei der Behandlung der Verwaltungsreformen thematisiert worden ist: Auch die während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. auf dem Feld der Wirtschafts-, Finanz- und Peuplierungspolitik entwickelten und durchgeführten Maßnahmen gingen »nicht auf einen Generalplan des Monarchen« zurück, sondern waren das Ergebnis eines mehrstufigen Informations- und Entscheidungsprozesses.114