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Wollongong / Neusüdwales, Montag 26. April, 07:45 Uhr

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Kent Nillensson, weiß, 187 cm, blondes Haar, blaue Augen, unveränderliche Kennzeichen: lange Narbe vom rechten Oberschenkel über die gesamte rechte Seite bis hoch zur Brust, starb im Alter von 38 Jahren.

Maria Nillensson, weiß, 174 cm, hellbraunes Haar, braune Augen, unveränderliche Kennzeichen: keine, starb im Alter von 34 Jahren.

Sophia Nillensson, weiß, 147 cm, blondes Haar, blaue Augen, unveränderliche Kennzeichen: hat einen Zwillingsbruder, starb im Alter von zehn Jahren.

Pattrick Nillensson, weiß, 147 cm, blondes Haar, blaue Augen, unveränderliche Kennzeichen: hat eine Zwillingsschwester, verstarb im Alter von zehn Jahren.

Das war die nüchterne Bilanz, nachdem das Unbegreifliche geschehen war.

Die Nachbarn: »Er war immer so ein guter Mann gewesen. Hatte auch für unsere Kinder immer ein liebes Wort oder ein paar Bonbons. Man sah ihn nie ärgerlich; man hörte ihn niemals schreien, er war doch immer so freundlich. Ja, die ganze Familie war immer so nett gewesen.«

Die Mitarbeiter aus der Werbeagentur: »Ein umgänglicher, ruhiger Kollege, der immer ein offenes Ohr hatte. Wenn man mal ein Problem hatte, stand er einem mit Rat und Tat zur Seite. Bedankte man sich, oder lud ihn einmal auf einen Drink ein, dann war er sogar verlegen. Sehr bescheiden.«

Sein Chef: »Immer pünktlich, immer korrekt. Fleißig und zuverlässig. Für mich der perfekte Mitarbeiter.«

Seine Freunde: »Der beste Freund, den man haben konnte...«

Ihre Freundinnen und Nachbarinnen: »Maria war immer zuvorkommend, äußerst sympathisch und in der Gemeinde sehr engagiert gewesen.«

Niemand konnte sich vorstellen, dass sich diese liebenswürdige Familie Feinde gemacht hätte.

Wenn Inspector Henry O`Mailey diese Aussagen im Laufe des Tages aufnehmen würde, würden seine Magenschmerzen noch stärker hervortreten, als sie es jetzt schon taten. Und wenn er noch später den Bericht zu hören bekommen wird, in dem die Spurensicherung und die Pathologie den Tatverlauf rekonstruiert haben werden, dann wird er glauben, den Verstand zu verlieren.

Jetzt, im Moment, stand er im Eingangsbereich des kleinen Vororthäuschens und hatte schon nach wenigen Schritten rote Flecken an den Schuhen und am Saum seiner Hosenbeine. Weiter ins Haus durfte er noch nicht, da praktisch jeder Quadratmeter von der Spurensicherung untersucht wurde. Das Klacken des Auslösers der Kamera des Polizeifotografen durchbrach in unregelmäßigen Abständen die bedrückende Stille, in der sich selbst die Beamten vor Ort nur flüsternd unterhielten.

Um einzelne Objekte herum waren Umrisse mit Kreide auf den Boden

gezogen worden und überall standen kleine Fähnchen, die Beweise markierten und mit Zahlen bedruckt waren, herum. Die höchste Zahl, die O`Mailey von seiner Position aus sehen konnte war eine Neun. Und wenn man sich schon wunderte, wie viel Blut sich in einem menschlichen Körper befand, wie würde man erst überrascht sein, würde man das Blut von vier Menschen auf einmal sehen. Der Inspector staunte jedenfalls nicht schlecht.

Er steckte sich eine Zigarette ins blasse Gesicht, wandte sich um und verließ das Haus. Sollten die erst einmal mit ihrer Arbeit fertig werden. Bei der Masse an Beweisstücken würde er sowieso nur stören. Wenn alles aufgenommen und katalogisiert war, konnte er immer noch hinein.

Draußen setzte er sich auf die Treppe, entzündete seine Zigarette, blies graue Schwaden in die Morgenluft, verstaute das Feuerzeug in eine Tasche seines langen Mantels und begann zu grübeln: »Warum ich? Warum nicht Bernstein und Green? Das sind die Helden des Reviers. Ich bin der Handtaschendieb - sticht - alte - Frau - nieder - Mann, oder der betrunkener - Jugendlicher - überfährt - Mutter - mit - zwei - Kindern - Mann. Für Psychopathen oder Mörder dieser Kategorie sind die Anderen da. Scheiß Tag. Wenn ich noch einmal Mist baue, könnte es das gewesen sein. Dann kann ich Milch ausfahren oder werde Nachtwächter in den Fabriken am anderen Ende der Stadt. Und dann ausgerechnet auch noch so ein Fall. Ich habe zwei Möglichkeiten«, überlegte er. »Erstens, es war der Hausherr. Zweitens, es war jemand Anderes, logisch, oder? Quatsch, der Hausherr war tot. Auf jeden Fall war es ein Irrer. So weit, so gut.«

Das Motiv in so einem Fall herauszubekommen, dürfte schwierig werden. Hatte man das Motiv, verringerte sich der Kreis der Verdächtigen rapide. Und genau das war das Problem. Der Täter wird kaum aufs Revier marschieren und gestehen: »Ja, ich war es. Ich bin dem Mann am Sonntagabend gefolgt, bin in sein Haus eingedrungen als alle schliefen. Ich habe zuerst die Eltern unten abgestochen, als erstes den Mann. Das ging schnell. Dabei habe ich neben dem Bett gekniet und ihm sein eigenes langes Küchenmesser direkt ins Herz gestoßen. Allerdings ist davon die Frau aufgewacht, und weil sie sich bewegt hat, war sie nicht sofort tot, so wie der Mann. Ich traf sie nur in den Arm, und sie schrie laut auf. Sie wollte weg, aber das Messer hatte sie auf der Matratze festgenagelt. Während eines kurzen Gerangels gelang es mir, mich auf sie zu setzen. Mann, das hat mir gefallen, wie diese Schlampe sich so unter mir gewunden hat. Ich zog das Messer aus ihrem Arm und stach es ihr immer wieder in die Brust. Ich wollte einfach nur, dass sie still war. Unter uns gesagt, ihre Titten waren nicht so toll. Als sie endlich aufgehört hatte sich zu bewegen und ich mich etwas beruhigt hatte, bemerkte ich, dass ein kleiner Junge in der Tür stand. Er lief weg, als ich zu ihm rüber sah. Kurz vor der Haustür erwischte ich den kleinen Bastard und Sie können sich vorstellen, was ich mit ihm gemacht habe. Seine letzten Worte, kurz bevor ich ihm das Messer zum ersten Mal in den Rücken gestoßen habe, waren: »Lauf Sophia, lauf!« Da wusste ich, meine Arbeit war noch nicht beendet. Eine Prinzessin, ein Püppchen wartete noch auf mich. Die Kleine kreischte besonders schön und nachdem auch sie still war, mit ihr hatte ich besonders viel Spaß, habe ich Allen die Arme und Beine abgehackt, ihnen ihre Leiber aufgeschlitzt und alles, was ich in ihren Körpern gefunden habe, und das war nicht wenig, im ganzen Haus verteilt. Und alles nur, weil dieses Arschloch mir am Zeitungsstand die letzte Ausgabe der Sunday Telegraph weggeschnappt hatte. Sonst noch Fragen, Herrschaften?«

»Nein«, dachte O`Mailey. »So geht das nicht. Ich werde mich zuerst über alle ähnlichen Fälle informieren. Moment, natürlich nachdem ich alle Personen befragt habe, mit denen die Nillenssons Kontakt hatten. Danach werde ich mich mit den ähnlichen Fällen beschäftigen. Dabei werde ich dann die Spuren der damaligen Täter verfolgen. Ja, das ist gut«, sprach er sich selbst Mut zu. »So fange ich an, das müsste doch funktionieren.«

Die Zigarette war herunter gebrannt, die Glut hatte schon beinahe seine vergilbten Fingerkuppen angesengt. Er trat die Kippe aus und wollte gerade eine neue entzünden, als ein junger Seargent mit gelbem Gesicht und grüner Nase das Haus verließ, sich auf dem Rasen erbrach und O`Mailey durch einen schwachen Wink bedeutete, dass er jetzt hinein könne.

Vorher hatte er ja nur einige größere Blutlachen, unten vor der Treppe zum Obergeschoss, und einige wenige Organe gesehen, ohne sie jedoch genau identifizieren zu können. Aber was er jetzt in sich aufnahm, als er durch das ganze Haus ging, hatte er trotzdem nicht erwartet.

Das Lied des Steines

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