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3.3 Wie behandeln die Tierschützer das Problem?

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Wenn das Problem der verwilderten Haushunde von der Politik schon nicht wirkungsvoll angepackt wird, so haben sich die örtlichen Tierschützer wenigstens die systematische Hilfe für diese Tiere auf ihre Fahnen geschrieben, so gut das für sie machbar ist. Aus eigener Kraft wird man aber leider immer nur Teilerfolge erzielen können. Wie sieht dies konkret aus?

Viele Tierschutzorganisationen unterhalten vor Ort eigene, mehr oder minder große Tierasyle bzw. Tierheime. Hier werden die aufgenommenen Hunde betreut und gepflegt, so weit das eben geht. Auf keinen Fall wird eingeschläfert und wenn der Platz noch so knapp ist. Da diese Einrichtungen von den örtlichen Verwaltungen meistens keine finanzielle oder materielle Unterstützung erhalten, ist die Arbeit nicht selten äußerst kompliziert. Alles, vom Futter über Tierarzt- und Transportkosten sowie Materialkosten wird durch Spenden und die bei der Vermittlung zu zahlende sogenannte Schutzgebühr finanziert. Die Arbeit in den Tierasylen und Tierheimen erfolgt fast ausschließlich ehrenamtlich und die Helfer legen nicht selten noch eigenes Geld hinzu, damit die Einrichtungen erhalten werden können.

Ein Auszug aus einem Brief, den eine Hamburger Tierschützerin an mich schickte, die 2007 in einer Tierauffangstation in Kusadasi / Türkei gearbeitet hat, soll die Situation verdeutlichen, mit der viele Tierschutzorganisationen rund ums Mittelmeer zu kämpfen haben.

„Im Tierheim sind zurzeit um die 250 Hunde, einer schöner als der andere, aber das hilft ihnen überhaupt nicht. Es ist nicht einmal gewährleistet, dass sie jeden Tag etwas zu essen bekommen. Das ist im Moment das größte Problem und natürlich müsste kastriert werden und da sind Mütter mit Welpen in den Holzställen, die nicht geimpft und entwurmt werden können …. Wer helfen möchte, dem sei gesagt, dass alles den Hunden zu Gute kommt. Um die Hunde einen Monat satt zu bekommen, brauchen wir 380,00 €. Dafür bekommen wir Nudeln, kein Futter.“

Die Situation vor Ort ist von Organisation zu Organisation etwas unterschiedlich, aber ein Zuckerlecken ist die Arbeit dort auf keinen Fall. Neben den finanziellen und organisatorischen Problemen ist die Arbeit für die Helfer eine enorme psychische Belastung, denn man wird tagtäglich mit dem akuten Tierelend konfrontiert und kann leider nur in einem sehr kleinem Umfange sofortige Hilfe leisten.

Neben dieser unmittelbaren Hilfe für die Tiere wird zusätzlich vielerorts durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit versucht, die einheimische Bevölkerung über die richtige Haltung von Haustieren aufzuklären. Weiterhin versucht man, so viele Tiere wie möglich vor Ort zu vermitteln. Die Vermittlung nach Deutschland steht an letzter Stelle. Die Vermittlungsarbeit vor Ort aber auch nach Deutschland dient in erster Linie der Schaffung von Platz für nachrückende Notfälle. Jedes Tier, was gerettet werden kann, kann vor der Todesspritze bewahrt werden. Die Tiere, die geretteten und auch diejenigen, die nicht gerettet werden können, weil es einfach viel zu viele sind, können für ihre Situation nichts. Die Streuner sind nicht Streuner, weil sie es so wollten. Sie sind es geworden, weil verantwortungslose Menschen entweder nach schnellem Profit streben, weil viele Halter beim überschnellen Welpenkauf nicht wissen, worauf sie sich einlassen und auch weil viele Jäger mit ihren Hunden völlig verantwortungslos umgehen. Das Problem der Streuner ist einzig und allein vom Menschen gemacht.


Was es in vielen Regionen Süd- und Osteuropas in der Regel noch zu wenig gibt, sind überregionale. den Tierschutz gezielt koordinierender Vereinigungen bzw. Dachverbände der Tierschutzorganisationen. Natürlich gibt es an vielen Orten sehr gut arbeitende mehr oder minder kleine oder große Tierschutzorganisationen. Eine gezielte Zusammenarbeit mehrere dieser Organisationen einer ganzen Region unter einer einheitlichen Leitung würde möglicherweise noch viel mehr bewirken können, als bisher möglich ist. Beobachtet man die Entwicklung in den sozialen Netzwerken, so ist deutlich zu erkennen, dass immer mehr am Tierschutz interessierte Personen an Zusammenschlüssen interessiert zu sein scheinen. Eine, auf die Initiative spanischer Tierschützer gegründete FaceBook-Gruppe9 wies bei Redaktionsschluss bereits knapp 3500 Mitglieder auf. Auch wenn vielleicht nur ein Teil der Mitglieder aktiven Tierschutz betreibt, ist doch deutlich erkennbar, dass die Problematik ganz langsam immer mehr Menschen interessiert. Meistens sind es Jüngere, aber gerade auf diese Generation baut die Zukunft des Tierschutzes.

Auf Mallorca gibt es einen solchen Dachverband namens BALDEA bereits, dem die überwiegende Zahl der Tierschutzorganisationen der Insel angehört. Dieser Verband hat sich zur vordergründigsten Aufgabe gemacht, einen Bewusstseinswandel in Hinblick auf den Tierschutz bei der örtlichen Bevölkerung aber auch bei der Regierung der Balearen, bei den örtlichen Behörden und bei der Polizei herbei zu führen. Bereits 2007 machte BALDEA den Politikern konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Haltung und der Lage der Haustiere sowie für Verbesserungen im städtischen Tierheim Son Reus. Weiterhin wurde den Politikern anhand der Erkenntnisse der lokalen Tierschutzvereine eine flächendeckende Studie für einen bedarfsgerechten Tierschutzplan vorgelegt. BALDEA setzt sich des weiteren für eine generelle Überarbeitung der zurzeit geltenden Tierschutzgesetze ein, um über kurz oder lang das unnötige und massenhafte Einschläfern von Haustieren zu vermeiden. Tiermisshandlungen und nicht artgerechter Tierhaltung nachzugehen, sind ebenfalls Aufgabe dieses Verbandes.

Seit 2011 versucht BALDEA über ein Schulprojekt insbesondere die junge Generation für die Bedürfnisse der Haustiere zu sensibilisieren. In dem hierzu gestalteten Werbeflyer heißt es wörtlich: „Internationale Studien haben ergeben, dass Kinder, die respektvoll mit Tieren umgehen, ihren Mitmenschen gegenüber ebenfalls mit mehr Einfühlungsvermögen und Toleranz reagieren. Die Verantwortung für ein schutzbedürftiges Lebewesen zu übernehmen, dessen Andersartigkeit zu akzeptieren und auf dessen artspezifische Bedürfnisse einzugehen, lehrt Kinder Rücksichtnahme und Verantwortung gegenüber anderen Menschen zu übernehmen. Das Projekt „Mehr Sozialkompetenz durch Haustiere“, beinhaltet die pädagogische Erarbeitung des Unterrichtes gemeinsam mit BALDEA für die verschiedenen Altersstufen und für die Lehrerschaft, den Erwerb didaktischen Materials, die Schulung von Lehrern in den Sommerferien, da diese eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung und Weiterführung spielen, die Vorstellung des Projekts beim Schulministerium und der eigentliche Unterricht der Schüler, die auf spielerische und interaktive Art und Weise an das Thema der artgerechten und verantwortungsbewussten Haustierhaltung herangeführt werden sollen.“10

Die folgende Grafik (Quelle: BALDEA) soll veranschaulichen, wie viele Nachkommen eine einzige Streunerhündin hervorbringen könnte, würden alle Tiere überleben. Diese Zahlen sind natürlich rein hypothetischer Art, denn das harte Leben der Streuner verhindert eine derart extensive Populationsentwicklung.


Eine gemeinsame Initiative von Ärzten für Tiere und Tierschutzorganisationen aus vielen europäischen Ländern, darunter auch BALDEA, weist darauf hin, dass im Jahre 2009 der EU-Reform-Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist, in dem sich die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet haben, dem Wohlergehen der Tiere Rechnung zu tragen. Bis heute blieb es beim Zustandekommen und der Ratifizierung. Eine Umsetzung in nationales Recht – Fehlanzeige. Aus diesem Grunde entschieden sich die Initiatoren, eine Petition an das Europäische Parlament und den Rat zu richten, welche folgenden Inhalt hatte:


Petition

Die EU-Kommission und das Parlament müssen bindende Rechtsvorschriften erlassen, die das Recht der Straßentiere auf ein tiergerechtes Leben sichern.

Wir fordern daher:

 Verbot der Einrichtung von Tötungsstationen - unter welchen Tarnnamen auch immer

 Verbot jeglicher, medizinisch nicht indizierter Tötungen von Straßentieren - im Fall bestehender tiermedizinischer Indikationen - die Anwendung von schmerzlosen Euthanasiemethoden

 Einführung bindender staatlicher Impf- und Kastrationsprogramme

 Einführung von (Mindest-) Standards für Tierheime

 Überprüfung bestehender jagdrechtlicher Vorschriften, welche die leichtfertige Tötung von Heim- und Straßentieren zulassen

 Verbot des Missbrauchs von Straßentieren für Laborversuche

 Einführung von Heimtierzuchtgesetzen und Einschränkung kommerzieller Heimtierzucht

 Einführung von Tierschutzunterricht an Schulen“11


Am 24. Januar 2013 fand ein Treffen mit der EU-Kommission für Gesundheit und Verbraucherschutz statt. Dabei wurde den Vertretern der EU-Kommission Präsentationen von Grausamkeiten und Misshandlungen an Straßen- und Haustieren gezeigt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Unterschriftenliste zur obigen Petition übergeben. Sie enthielt immerhin knapp 304.000 Unterschriften gegen Grausamkeiten an Straßen- und Haustieren. „Zum ersten Mal im Bereich Tierschutz, aber auch in der menschlichen Psychologie, stellten wir eine internationale wissenschaftliche Studie vor, die die Auswirkungen der Tierquälerei im öffentlichen Bereich auf die kindliche Entwicklung darstellt. Es fand eine rege Diskussion über die steigende Brutalität gegenüber Streuner- und Tierheimtieren statt.“, ist einem Bericht über dieses sehr wichtige Treffen auf europäischer Ebene zu entnehmen.12 Auch wenn von diesem Treffen noch keine konkreten Ergebnisse auf der politischen Ebene zu erwarten waren, ist das Thema der Grausamkeiten an Straßentieren jetzt in den EU-Institutionen höchst bekannt. Natürlich wird es weiterer intensiver Bemühungen der Tierschutzorganisationen auf europäischer aber vor allem auch auf nationaler Ebene geben müssen, um ganz allmählich ein Umdenken in Politik und Gesellschaft herbei zu führen.

Am 28. Oktober 2013 fand die erste Europäische Konferenz zum Schutz von Hunden und Katzen in der EU statt, deren Ergebnis zum Redaktionsschluss für dieses Buch leider noch nicht veröffentlicht waren.. Diese von der EU-Kommission und Litauen als derzeitige Inhaberin der EU-Ratspräsidentschaft organisierte Konferenz kann durchaus als ein Meilenstein des Europäischen Tierschutzes bezeichnet werden, der ohne die kontinuierliche politische Arbeit vieler Tierschutzorganisationen überhaupt nicht denkbar gewesen wäre. Mit Sicherheit können von dieser ersten Konferenz noch keine wegweisenden Richtlinien oder ähnliches erwartet werden. Aber immerhin haben sich Vertreter der europäischen Länder mit Fachleuten aus Veterinärmedizin, Tierzucht, Tierhaltung und namhaften Tierschützern für einen ersten Gedanken- und Erfahrungsaustausch zusammen gefunden. Es wird auch weiterhin einer kontinuierlichen, politischen Betätigung aller am Tierschutz Interessierten bedürfen, bevor mit verbindlichen Richtlinien zu rechnen ist. Jedoch ist ein sehr wertvoller erster Schritt getan.

Mitte Februar 2014 fand in Madrid eine machtvolle Demonstration spanischer Tierschützer gegen Quälereien an Haustieren statt. Gefordert wurde von der Politik, endlich tätig zu werden, um das millionenfache Leid der Haustiere zu beenden. Insbesondere mahnte man bessere gesetzliche Regelungen zum Tierschutz an und betonte, dass bis dahin zumindest die bestehenden, unvollkommenen Gesetze richtig und konsequent angewendet werden. Zu übersehen waren die Forderungen auf gar keinen Fall. Ob sie bei den politisch Zuständigen auch tatsächlich angekommen sind, wird man in der Zukunft sehen.


Tierschutz bedeutet also weit mehr, als nur streunende Tiere einzusammeln, zu pflegen und wie so manch ein Zeitgenosse vermutet, nur noch nach Deutschland zu vermitteln. Diese Art der Tiervermittlung gibt es selbstverständlich und sie ist auch wichtig, um Platz für weitere zu rettende Straßenhunde zu schaffen. Sie ist aber nur ein kleiner Teil der täglichen Vorort-Arbeit.

Endstation Son Reus?

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