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2. Endstation Son Reus4 – oder doch nicht?5
ОглавлениеEs ist noch früh am Morgen, als ich mit meinen 6 Hunden, 4 Leinenhunden und 2 „Freigängern“ von unserem langen Spaziergang in die Hügel und Wiesen hinter dem kleinen Tierheim von MADRA6 im Südosten von Mallorca zurückkomme. Die Hunde haben einen langen Spaziergang gemacht, konnten sich lösen und miteinander spielen, soweit sie ableinbar sind. Zurück im Tierheim, ist jetzt erst einmal Ruhen angesagt. Die Hunde werden in ihre Zwinger gebracht, denn heute gibt es für mich noch viel zu tun. Während Maria die Tiere füttert und Jose noch ein paar Transportboxen in unserem kleinen Transporter verstaut, trinke ich schnell einen Kaffee. „Hast Du für Carlito alles zusammen, Box, Kissen, Ausweis und Flugbestätigung?“, frage ich Jose und der nickt nur schräg rüber schauend. Carlito ist ein Brackenmischling, der uns von irgendjemand „freundlicherweise“ eines Nachts über den Zaun geworfen wurde. Er hat schon einige Monate hier im Tierheim zugebracht, doch nun hat er Interessenten in der Nähe von Dresden gefunden, geht aber erst einmal auf eine Pflegestelle.
Mittlerweile ist die Sonne schon ein Stück hoch über dem Horizont aufgestiegen und wir, Jose und ich, sitzen in unserem kleinen Transporter auf der Fahrt in Richtung Palma. In Llucmajor biegen wir auf die Autobahn und nun geht es geradewegs zum Flughafen Son Sant Joan (Palma International). Dort haben wir uns mit den Flugpaten, einem jüngeren Ehepaar aus Dresden, verabredet. Sie werden Carlito mitnehmen und in Dresden zunächst an eine Pflegestelle übergeben. Während ich mit Carlito an der Leine, seiner Transportbox, dem europäischen Tierausweis und der Buchungsbestätigung von Air Berlin die Abreisehalle betrete, versucht Jose, den Wagen irgendwo zu parken. Mit den Flugpaten habe ich mich am Schalter 128 verabredet. Bei den vielen Menschen hier die Richtigen zu finden, ist gar nicht so einfach. Aber die beiden haben mich schon entdeckt, wahrscheinlich weil sie dachten, der da mit dem Hund wird schon der vom Tierschutz sein. „Wie war Euer Urlaub hier auf der Insel?“, frage ich. Ein wenig Smalltalk, bevor es ans Einchecken von Carlito geht. Am Counter wird die Buchungsbestätigung vorgelegt und dafür bekommen wir einen Gepäckanhänger. Dann gehen wir zum Schalter für Sperrgut. Dort wird Carlitos Box, natürlich ohne ihn, durch den Röntgenapparat geschoben und mir zurückgegeben. Nun noch ein paar Schmuseeinheiten für Carlito und schon ist die Zeit ran, dass er in die Box muss. Diese wird von einem Flughafenangestellten vorsichtig nach hinten getragen. „Guten Flug, Carlito und ein schönes neues Zuhause“, wünsche ich ihm noch, als er schon fast nicht mehr zu sehen ist. Nun zeige ich den beiden jungen Leuten noch, was im Tierausweis eingetragen ist, die Angaben zum Tier, die Impfungen, der Leishmaniose-Test und die Chipnummer und gebe ihnen das wertvolle Dokument. „Das ist alles?“, fragt die junge Frau. „Hier ja. In Dresden müsst Ihr die Box nur beim Sperrgutschalter entgegen nehmen und in die Ankunftshalle bringen. Dort wartet dann schon die Pflegefamilie auf Euch und Carlito.“ Die Beiden sind zum ersten Mal Flugpaten. Kein Wunder, dass sie dachten, sie müssen mehr tun. Ich wünsche auch ihnen einen guten Flug und treffe Jose lässig an einem Pfeiler nahe der Eingangstür lehnend. „Carlito ist auf dem Weg in eine sichere Zukunft“, sage ich zu ihm, „und wir beide machen uns jetzt auf nach Son Reus.“
Weiter geht unsere Fahrt über die Autobahn Richtung Palma. Nördlich der Stadt biegen wir nach rechts auf die Straße in Richtung Soller und nach einigen wenigen Kilometern geht es wieder nach rechts über die Gleise vom „Roten Blitz“. Begleitet werden wir hier von einem Müllauto, das zur nahe gelegenen Müllverbrennungsanlage fährt. Nach ein paar hundert Metern erreichen wir die weißen Mauern des CSMPA7 Son Reus, dem städtischen Tierheim von Palma de Mallorca. Jose stellt den Wagen in den Schatten, denn es ist schon wieder recht warm geworden. Kurze Verschnaufpause, denn der Gang durch Son Reus ist immer ein anstrengender Spießrutenlauf der Gefühle. Es gibt 120 Zwinger zu besichtigen, in denen teilweise mehrere, miteinander verträgliche Hunde sitzen. Wir können aber nur 3 Hunde mitnehmen, mehr freie Plätze haben wir zurzeit nicht.
„Komm lass uns anfangen.“, sage ich zu Jose. Mit einem Zettel und einem Stift bewaffnet schreiten wir die Zwinger ab. Viele der Hunde schauen uns mit erwartungsvollen, großen Augen an. Manche springen an den Gitterstäben hoch, manche lecken uns die hingestreckte Hand, als wollten sie sagen: „Nehmt mich doch mit.“ Die Auswahl fällt uns auch dieses Mal so unendlich schwer. Wir versuchen, solche Hunde aufzuschreiben, bei denen wir vermuten, dass sie kaum eine Chance der Vermittlung durch das CSMPA haben. Außer uns laufen noch ein paar wenige andere Leute an den Zwingern entlang. Ein junger Mann berichtet uns, dass ihm sein Hund kürzlich beim Spaziergang in El Molinar weggelaufen ist und er hofft, ihn hier zu finden. Wir wünschen ihm viel Erfolg und gehen weiter. Nach 10 notierten Hunden machen wir Schluss. Nun geht es ins Büro, um die Liste abzuarbeiten. Wir haben uns dieses Mal ganz schön getäuscht, denn für 9 der ausgesuchten Vierbeiner gibt es keine Möglichkeit, sie mitzunehmen. 8 der ausgesuchten Kandidaten dürfen nicht mitgenommen werden, weil die vorgeschriebene Wartezeit noch nicht abgelaufen ist. Für einen Hund soll schon eine Reservierung vorliegen. Ob das alles wirklich so stimmt, wissen wir nicht, müssen es aber hinnehmen. Also haben wir einen einzigen Hund gefunden, den wir mitnehmen können. Damit gebe ich mich aber nicht zufrieden. Schließlich wollten wir den langen Weg nicht für nur einen Hund gemacht haben. Der junge Angestellte kommt hinter dem Tresen hervor und meint, wir sollten doch mit ihm mitkommen. Er habe da noch zwei Kandidaten für uns. Und in der Tat, die haben wir vorhin nicht gesehen, weil sie sich wohl im Haus versteckt haben. So, nun haben wir drei, Doch was ist das da drüben? Da ist doch ein so hübscher brauner Cocker Spaniel Mischling, an dem ich einfach nicht vorbei gehen kann. Der junge Mann sagt uns: „Den würde ich nicht nehmen. Der ist sehr menschenscheu und so schreckhaft. Ihr werdet mit ihm wirklich keine Freude haben.“ Aber gerade das ist es, was mich heraus fordert. Ich nenne ihn Hurano, was auf Deutsch so viel heißt, wie „Der Menschenscheue“. Nun haben wir vier Hunde und Jose schüttelt nur mit dem Kopf. „Lass gut sein. Wir schaffen das schon.“, ist meine Antwort. Wir holen die Boxen aus dem Auto und der junge Angestellte hilft beim Verstauen der Hunde. Der mir am ausgeglichensten erscheinende Podenco-Mix wird zum „Leinenhund“. Er wird während der Rückfahrt bei mir vorn im Fußraum untergebracht und dort hoffentlich auch ruhig bleiben. So, nun noch schnell den Papierkram und die Bezahlung der wirklich niedrigen Abgabegebühr und schon geht es wieder Richtung Autobahn.
In Höhe S’Arenal sage ich zu Jose: „Lass uns hier mal kurz rausfahren. Ich habe Hunger und will beim „Grillmeister“ eine Riesencurrywurst essen.“
„Die Currywurst müsste Dir eigentlich schon aus den Ohren hängen!“, meint Jose spöttisch zu diesem Vorschlag. Wir halten in einer schattigen Nebenstraße zwischen dem „Oberbayern“ und dem „Megapark“, von wo laute Blasmusik und Stimmengewirr herüberschallt. Ende September – Oktoberfest auf Mallorca, ideal für die vielen Kegelklubs, die in dieser Zeit gern auf die Insel kommen. „Wenn die nur 10 ct pro Bier uns für die Hunde geben würden …“, denke ich laut und Jose meint nur, „Du bist immer noch so ein Träumer.“
Wir haben heute 4 Hunden das Leben gerettet. Ob der Reservierte wirklich abgeholt wird? Zu wünschen wäre es ihm. Immer noch werden in Son Reus viele Hunde getötet, nur weil sie keiner haben will. Hierüber gibt es aber keine konkreten Angaben. Die Offiziellen schweigen sich aus. Inoffiziellen Schätzungen zu folge sollen es jährlich zwischen 2000 bis 4000 Tiere sein, die alleine in Son Reus eingeschläfert werden. Aber immerhin werden auch immer mehr vermittelt. Es dauert eben lange, für viele leider zu lange, dass die Menschen hier auf der Insel wenigstens ein wenig Verständnis für die Hunde bekommen.