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3.1.1 Die Streuner

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Ein Streuner ist nichts anderes, als ein Obdachloser mit Fell auf 4 Pfoten. Er lebt im Freien, also auf der Straße, im Park, im Wald, am Strand, also überall, wo er für sich Platz findet. Seine Nahrung beschafft er sich planlos gerade dort, wo er etwas Fressbares findet. Das können Mülltonnen eines Hotels, eines Supermarktes, einer Wohnsiedlung oder die Abfalleimer am Strand sein. Er frisst aber auch Kadaver anderer Tiere, buddelt nach Mäusen, fängt Eidechsen und wenn er Glück hat, auch Vögel. Er frisst also alles, was seiner Meinung nach fressbar ist. Wenn er Pech hat, findet er tagelang nichts. Das ist auch der Grund, warum man viele, sehr abgemagerte Tiere unter den Streunern findet. Der Streuner ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein echter Überlebenskünstler. Draußen auf der Straße oder in der Natur schläft, vermehrt, spielt und stirbt der Streuner meistens auch, es sei denn, er wird vom Hundefänger erwischt oder von Tierschützern in ihre Obhut genommen.

Streuner sind ständig unterwegs, um sich zu versorgen. Oftmals geschieht dies in Gruppen mit wechselnden Gruppenmitgliedern. Dabei entwickeln viele Streuner eine bemerkenswerte Selbstständigkeit, aber auch eine sehr gute Sozialverträglichkeit zu Artgenossen.


Auf Mallorca gab es bis zum Ende des vergangenen Jahrtausends überall Streuner, auch in den Touristenhochburgen wie an der Playa de Palma, in Alcudia, in Pollenca, in Cala d‘Or, in Magaluf, einfach überall. Da aber in dieser Zeit die Reiseveranstalter den rapiden Rückgang der hohen Zahl der Mallorca-Touristen hauptsächlich mit den vielen Straßenhunden in den Touristenzentren begründeten, sah sich die Balearenregierung genötigt, zu handeln. In vielen Gemeinden wurden Perreras, also Tierauffangstationen, die auch die Funktion einer Tötungsstation hatten, eingerichtet und die Hundefänger hatten Hochkonjunktur. Zu Tausenden wurden die eingefangenen Hunde teilweise grausam getötet, nicht etwa von Tierärzten. Nein, sie wurden von Zivilpersonen oder Polizisten vergast, erschossen, vergiftet, erschlagen, erhängt usw., also wahrhaft grausam umgebracht. Heute sieht man, von Ausnahmen abgesehen, in den Touristenzentren der Insel kaum noch Straßenhunde. Das bereits oben erwähnte Tierheim in Son Reus spielte lange Zeit eine sehr unrühmliche Rolle. Wenngleich dort auch heute noch viel zu viele Hunde eingeschläfert werden, so geschieht dies nun durch Tierärzte, was zumindest den Sterbeprozess für den Hund ein wenig erleichtert, an der Situation, dass überwiegend völlig gesunde Hunde getötet werden aber im Wesentlichen überhaupt nichts ändert.

Streuner sind nicht zwangsläufig nur Hunde, die im Freien gezeugt und geboren wurden. Eine Vielzahl dieser Tiere hatte einmal ein Zuhause und wenn es nur für kurze Zeit war. Da hat z.B. eine Hündin einen Wurf mit 5 Welpen, von denen nur ein Tier behalten werden sollte. 4 waren also zu viel und wurden daher einfach irgendwo in der Natur ausgesetzt. Niemand fragt da, ob die Trennung von der Mutter eventuell zu früh geschah. Das ist den Einheimischen völlig egal.

Oder es wurde ein Welpe angeschafft, der aber nicht immer klein und niedlich blieb. Plötzlich machte er zu viel Arbeit oder richtete Schaden an den Sachen der Halter an, also muss er weg. Er wird einfach aus dem Haus gejagt, ohne dass auch nur irgendjemand sich fragt, was aus dem Tier wird.

Oder ein anderes, ganz großes Problem stellen die Tausenden von Jagdhunden dar. Bloodhounds, Pointer, Podencos, Galgos sind wunderschöne, menschenbezogene und sehr freundliche Tiere. Dennoch ist ihr Schicksal besonders in Spanien, Zypern, Griechenland und in anderen südlichen Ländern oftmals ein schlimmes. Ein Teil von ihnen wird nur für die Jagdsaison, also für ein paar Monate im Herbst angeschafft. Ist diese Zeit um, lohnt es nicht, den Hund bis zur nächsten Saison zu behalten und durchzufüttern. Also muss er fort. Oder der Hund stellt sich als nicht schussfest heraus. Auch dieser Hund ist nur im Wege. Mein erster Hund Tim war ein solcher Kandidat. Allerdings wurde er glücklicherweise nicht weg geschickt. Sein Schicksal war aber trotzdem nicht viel besser. Er lebte ca. 5 Jahre lang mit seinem Kumpel Tom in einem Keller bei seinem Herrchen, bis dieser dann verstarb. Immerhin, die beiden Hunde wurden mehr oder minder schlecht als recht versorgt.

Aber auch ältere, z.T. kranke Hunde werden ausgesetzt, weil die Halter die Kosten für den Tierarzt und die Medikamente nicht aufbringen wollen bzw. teilweise auch nicht können.

Es gibt natürlich auch Streuner, die ihren bisherigen Besitzern weg gelaufen sind. Das kann passieren, wenn der Hund z.B. einer läufigen Hündin kopflos hinterher rennt oder ein Tier versucht, zu jagen und dann den Rückweg nicht mehr findet. Nicht selten suchen die Besitzer dann auch gar nicht mehr nach ihrem Tier, sondern kaufen einfach einen neuen Hund. Obwohl die meisten Hunde, die ihr Leben lang gequält werden, oftmals immer noch ihrem Besitzer treu sind, gibt es natürlich auch Tiere, die gerade deshalb weglaufen und so zu Streunern werden.


Streuner sind keinesfalls Wildhunde, wie es sie z.B. in Namibia gibt oder wie die Dingos in Australien. Es sind verwilderte Haushunde und das bleiben sie und ihre Nachkommen auch ihr Leben lang. Gelegentlich entwickeln sie jedoch mit zunehmender, Generationen übergreifender Entfernung vom Menschen, eigenständige Sozialverbände, ähnlich denen der Wolfsrudel. Eine absolute Identität mit den Wolfsrudeln tritt jedoch nicht ein, weil Hunde keine solchen Familienverbände, wie die Wölfe kennen.8

Streuner halten sich in der Regel dort auf, wo sie ein vermeintlich einigermaßen störungsfreies Leben führen können. Die massiven Verfolgungen in den Touristenhochburgen haben dazu geführt, dass sich die Hunde mehr ins Hinterland zurückgezogen haben. Sie sind aber weiterhin vorhanden, nur an anderen Orten. Das Problem Streuner wurde mit der Vertreibung von bestimmten Orten bzw. mit der massenhaften Tötung also keinesfalls gelöst. Dieses Phänomen kann man durchaus mit ähnlichen Phänomenen in der menschlichen Gesellschaft vergleichen. Haben sich z.B. in Berlin früher die illegalen Drogenhändler rund um den Kottbuser Platz aufgehalten, sind sie später in die Hasenheide oder in den Görlitzer Park abgewandert, weil massive Polizeipräsenz am Kotti sie von dort vertrieben hat. Das Problem des illegalen Drogenhandels wurde damit aber keineswegs beseitigt, nur der Aktionsort wurde verschoben.


Auch wenn die Streuner von den touristischen Zentren ferngehalten werden, bedeutet das nicht, dass sie nicht die Nähe des Menschen suchen. Menschliche Abfälle oder z.T. auch das gezielte Füttern durch vereinzelte Einheimische oder Residenten machen den Hunden den täglichen Überlebenskampf leichter.

Da die Hunde tagein tagaus im Freien leben, suchen sie sich meist Schutz vor Regen oder der heißen Sonne des Sommers unter Bäumen, in Gebüschen, unter Brücken oder in Erdhöhlen. Dort verstecken und betreuen die Hündinnen auch ihre Welpen. Streuner sind meist sehr vorsichtige Tiere, die ihre Kräfte einteilen müssen. Ernsthafte Krankheiten, eine Rauferei oder ein Zusammenstoß mit einem Auto können sie sich nicht leisten. Passiert es doch einmal, sterben viele Tiere daran und das oftmals recht qualvoll und langsam. Von den meisten Einheimischen, die einen verletzten oder kranken Streuner sehen, können sie keine Hilfe erwarten. Diese Tiere sind den meisten Menschen schlichtweg egal.

Streuner werden leider nicht selten sogar von der einheimischen Bevölkerung mit Steinen beworfen oder es wird auf sie mit Schrot geschossen. Streuner auf der Straße sind z.B. in der Türkei ein beliebtes Ziel von Autofahrern, die, anstatt zu bremsen, lieber einmal mehr auf das Gaspedal treten.

Straßenhunde sind oftmals recht menschenscheu. Die meisten von ihnen meiden den Kontakt zum Menschen, weil sie entweder mit ihnen schlechte oder gar keine Erfahrungen gemacht haben. Nur dort, wo die Streuner gezielt von Menschen gefüttert werden, sind die Hunde weniger scheu, aber dennoch überwiegend sehr vorsichtig.

Die Streuner sind in vielen südlichen Ländern zu Tausenden vertreten. Viele von ihnen landen in Spanien in den „Perreras municipal“, den städtischen Auffangstationen, die nicht ohne Grund auch Tötungsstationen genannt werden. Derartige Auffangstationen gibt es in weitaus mehr Ländern, als nur in Spanien. Viele dieser Einrichtungen werden von potentiellen Interessenten, die einen Hund adoptieren würden, gar nicht erst aufgesucht. Zum einen stehen dem knappe und ungünstige Öffnungszeiten entgegen. Zum anderen aber werden die Interessenten durch die oftmals miserablen hygienischen Verhältnisse vom Besuch abgehalten. Allerdings trifft dieser Vorwurf nicht jede der Perreras. Es gibt auch einige wenige, in denen das Personal mit unsagbar wenigen Mitteln, die die Gemeinden zur Verfügung stellen, versuchen, für die Hunde wenigstens noch ein notdürftig passables Leben zu gewährleisten. Auch Son Reus zählt zu den Einrichtungen, in denen man zumindest in den letzten Jahren zunehmend Zeichen einer ganz langsamen Besserung erkennen kann. Wer mehr und ausführlichere Berichte über die Perreras lesen möchte, braucht nur in einer beliebigen Suchmaschine im Internet das Suchwort „Perrera“ eingeben. Die Trefferliste ist unendlich lang.

Endstation Son Reus?

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