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2.10Überschätzung geringer Häufigkeiten

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Unser intuitives System kann schlecht mit Zahlen, Maßen, Statistik und Wahrscheinlichkeiten umgehen. Dieser Umstand führt zu typischen Beurteilungsfehlern. Kahneman schildert in diesem Zusammenhang ein Beispiel der Statistiker Howard Wainer und Harris L. Zwerling.

Es gibt viele Studien, die sich damit beschäftigten, Merkmale zu identifizieren, die erfolgreiche von weniger erfolgreichen Schulen unterscheiden. »Eines der Ergebnisse dieser Forschungen ist«, so Kahneman, »dass die erfolgreichsten Schulen, im Schnitt, klein sind. In einer Studie an 1662 Schulen in Pennsylvania zum Beispiel waren sechs der fünfzig besten Schulen klein, sodass sie vierfach überrepräsentiert waren. Diese Daten veranlassten die Gates-Stiftung dazu, erhebliche Finanzmittel für die Schaffung kleiner Schulen bereitzustellen, gelegentlich auch durch Aufspaltung großer Schulen in kleinere Einheiten. Mindestens ein halbes Dutzend andere bekannte Institutionen […] schlossen sich dem Projekt an […]. Dies erscheint Ihnen vermutlich intuitiv als sinnvoll. Man kann leicht eine kausale Geschichte konstruieren, die erklärt, wieso kleine Schulen bessere Bildungsergebnisse und daher mehr leistungsstarke Schüler produzieren, nämlich dadurch, dass den Schülern mehr persönliche Aufmerksamkeit und Ermunterung durch die Lehrer zuteilwird, als dies in größeren Schulen möglich wäre. Leider ist diese kausale Analyse müßig, weil die Fakten falsch sind. Wenn die Statistiker, die im Auftrag der Gates-Stiftung tätig waren, nach den Merkmalen der schlechtesten Schulen gefragt hätten, hätten sie festgestellt, dass die schlechtesten Schulen ebenfalls unterdurchschnittlich klein sind. Die Wahrheit ist, dass kleine Schulen im Durchschnitt nicht besser sind; sie sind lediglich variabler.« [4, S. 149–150]

Im Kern geht es um Folgendes: Zufallsbedingte Schwankungen führen in kleineren Stichproben zu erheblich höheren Effekten als in größeren Stichproben. Nehmen wir an, dass im Schnitt einer von 100 Schülern besonders gute mathematische Leistungen erbringt. In der Stadt gibt es eine große Schule mit 500 Schülern, in einem kleinen Dorf auf dem Land eine kleine mit nur 40 Schülern. Ein Elternpaar, beide Mathematikprofessoren, liebt die Natur. Darum zieht es mit seinen vier Kindern aufs Land. Die Kinder sind mathematisch sehr begabt und wurden seit frühester Kindheit stark gefördert. Ihr mathematisches Leistungsvermögen ist außerordentlich. Sie allein katapultieren die Quote für mathematisch besonders starke Schüler in ihrer neuen Schule auf 10 Prozent. Das ist zehnmal mehr als der Durchschnitt im Land. Aber die tolle Quote hat gar nichts mit der Schule zu tun, sondern nur mit der Landliebe der Eltern. In der großen Schule der Stadt wäre der Effekt der vier Kinder lediglich 0,8 Prozent, bliebe also noch unter dem allgemeinen Durchschnitt von 1,0 Prozent.

In einer kleinen Stichprobe führen »zufällige« Faktoren zu extremen Bewertungen. Deswegen gibt es unter den besten Schulen viele kleine – aber eben auch unter den schlechtesten Schulen sind kleine Schulen überrepräsentiert. Statistisch gesehen handelt es sich um ein Artefakt, weil die Stichprobengröße zu klein ist, um eine verlässliche Aussage zu machen.

Darwin schlägt Kant

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