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2.14Hereinspaziert: A little something for everybody

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Wir konstruieren gerne subjektiv stimmige und runde Geschichten. Dazu biegen wir Informationen so zurecht, dass sie zu einer solchen stimmigen Geschichte werden, einer Geschichte, die uns sympathisch ist oder die perfekt zu unseren Vorannahmen passt. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt, wenn man offene Aussagen präsentiert bekommt, die viel Interpretationsspielraum lassen. Hierzu gibt es zahlreiche psychologische Untersuchungen. Phineas Taylor Barnum war Zirkusdirektor und Politiker. 1842 eröffnete er in New York das »American Museum«, ein zu seiner Zeit sehr bekanntes Kuriositätenkabinett. Barnum war geschäftstüchtig und verstand es, seine Sensationen in der Öffentlichkeit anzupreisen. Er präsentierte alles, was irgendwie interessant erschien (»a little something for everybody«) und publikumswirksam inszeniert werden konnte. Dem Prinzip, wonach für jeden etwas dabei sein sollte, folgten auch die verschiedenen Wahrsager und Horoskope, die Barnum seinen Besuchern anbot. Neben seiner Tätigkeit als Politiker zog er mit Wanderzirkussen durchs Land, nachdem das Museumsgebäude 1865 und 1868 zweimal abgebrannt war.

Das eingangs beschriebene Phänomen wird gemäß dem Motto »a little something for everybody« als Barnum-Effekt oder alternativ auch als Forer-Effekt bezeichnet, weil der amerikanische Psychologe Bertram R. Forer hierzu ein berühmtes Experiment durchführte. Forer hatte seinen Studenten 1948 die vermeintliche Auswertung eines Persönlichkeitstests ausgehändigt, den sie zuvor ausgefüllt hatten. Die Studenten wurden dann gefragt, wie zutreffend sie die Beschreibung ihrer Persönlichkeit in der jeweiligen Auswertung empfanden. Die Studenten fühlten sich durch die Ergebnisse des Tests sehr gut in ihrer Persönlichkeit getroffen. Dementsprechend waren sie auch stark überzeugt davon, dass der Test, den sie ausgefüllt hatten, hervorragend geeignet sei, die Persönlichkeit von Menschen zu erfassen. Was sie nicht wussten: Alle hatten dieselbe Auswertung erhalten. Zudem hatte der Auswertungstext nichts mit den Fragen zu tun, die die Testpersonen zuvor beantwortet hatten. Der Text war eine willkürliche Zusammenstellung von Aussagen aus einem Horoskop, das Forer sich zuvor an einem Kiosk besorgt hatte. [6; 7]

Was stand denn nun im Auswertungstext? Wikipedia hat es so übersetzt: »Sie sind auf die Zuneigung und Bewunderung anderer angewiesen, neigen aber dennoch zu Selbstkritik. Ihre Persönlichkeit weist einige Schwächen auf, die Sie aber im Allgemeinen ausgleichen können. Beträchtliche Fähigkeiten lassen Sie brachliegen, statt sie zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Äußerlich diszipliniert und selbstbeherrscht, neigen Sie dazu, sich innerlich ängstlich und unsicher zu fühlen. Mitunter zweifeln Sie stark an der Richtigkeit Ihres Tuns und Ihrer Entscheidungen. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Abwechslung und Veränderung und sind unzufrieden, wenn Sie von Verboten und Beschränkungen eingeengt werden. Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und nehmen anderer Leute Aussagen nicht unbewiesen hin. Doch finden Sie es unklug, sich anderen allzu bereitwillig zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen, dann aber auch wieder introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Manche Ihrer Erwartungen sind ziemlich unrealistisch.« [8]

Es gibt weitere ähnliche Experimente, die zu den gleichen Ergebnissen führten. Mehrheitlich waren die Versuchspersonen von den Horoskopen, die mit ihnen gar nichts zu tun hatten, begeistert und staunten, wie gut ihre Persönlichkeit erfasst worden war.

Neulich gab eine Beraterin auf einem esoterischen Fernsehkanal einer Anruferin folgende Weisheit mit auf den Weg: »Du erreichst dein Ziel auf jeden Fall, denn der Weg ist das Ziel.« Auch wenn der Satz ein logisches Paradoxon ist, klingt er ermutigend. Die Anruferin freute sich jedenfalls über die aufbauenden Worte. Wir hören eben gerne das, was wir hören wollen.

Darwin schlägt Kant

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