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V. Die Entwicklung seit 1945

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Nach 1945 wurden die negativsten Aspekte der Weiterentwicklung des Jugendstrafrechts im Nationalsozialismus und die sonstigen auf das Jugendstrafrecht ausstrahlenden Entartungen des Strafrechts des Dritten Reiches eliminiert[27]. Das JGG von 1953 bestimmte in § 1 III als feste Strafmündigkeitsgrenze wieder die Vollendung des 14. Lebensjahres; später, durch das 2. StrRG, wurde die Strafunmündigkeitsregelung mit dem Wortlaut „Das Kind ist schuldunfähig“ als § 19 in das StGB eingestellt und dementsprechend § 1 III JGG gestrichen. Neu war die grundsätzliche Einbeziehung der 18- bis unter 21-Jährigen als „Heranwachsende“ in die Zuständigkeit der Jugendgerichte, was gem. § 105 I JGG die wahlweise Geltung der Sanktionen des Jugendstrafrechts mit sich brachte. Des Weiteren führte das reformierte JGG die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wieder ein – jetzt allerdings mit obligatorischer Bewährungshilfe und -aufsicht. Zudem wurde eine bedingte Verurteilung in Form der „Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe“ (Schuldspruchverfahren) geschaffen (§§ 27 ff JGG). Das „Erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes“ (1. JGGÄndG) vom 30. August 1990 beseitigte die im „Dritten Reich“ eingeführte „Jugendstrafe von unbestimmter Dauer“ ersatzlos. Darüber hinaus stärkte man die Stellung ambulanter Sanktionen, insbesondere im Bereich der Weisungen (§ 10 JGG) und der Strafaussetzung bei Jugendstrafe bis zu zwei Jahren (§ 21 II JGG). Nicht zuletzt wurden die Regelungen zum „formlosen Erziehungsverfahren“ der §§ 45, 47 JGG überarbeitet, um für geeignete Fälle das Vermeiden einer Hauptverhandlung und insbesondere einer Verurteilung zu fördern. Der vom Gesetzgeber damals in Aussicht gestellte zweite große Reformschritt blieb freilich aus. Das nachfolgende 2. JGGÄndG vom 2. Dezember 2007 befasste sich allein mit einer Definition des Ziels des Jugendstrafrechts im Sinne des Erziehungsgedankens sowie mit einigen Rahmenregelungen zum Strafvollzug, insbes. zu den Rechtsbehelfen. Im Übrigen wurde seit dem 1. JGGÄndG eine Reihe von hier nicht zu schildernden Einzelreformen durchgeführt; auf diese wird im Sachzusammenhang näher einzugehen sein. Dies gilt für das „Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten“ vom 4. September 2012 und das „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ vom 5. Dezember 2012 (hierzu Rn 264, Rn 439a, Rn 476 und Rn 560 ff).

Die in der DDR anders verlaufene Entwicklung[28] sei hier ausgespart, da für das geltende Recht letztlich ohne Bedeutung[29].

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Neue Perspektiven tun sich auf internationaler Ebene unter den Aspekten der europäischen Einigung und des internationalen Menschenrechtsschutzes auf. Zunächst geht es hier um die schon seit 1952 in Deutschland mit Gesetzeskraft geltende „Europäische Menschenrechtskonvention“ und die entsprechende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte[30]; darauf wird im Sachzusammenhang einzugehen sein. Verbindliche Wirkung weist auch die EU-Richtlinie 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom Mai 2016 auf; diese Richtlinie zu Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder (in Deutschland: Jugendliche), die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, war (bzw ist) von den Mitgliedsländern in das jeweilige nationale Recht umzusetzen[31]. Weiterhin geht es um internationale Vereinbarungen ohne unmittelbare Bindungswirkung, die über einen Ziel- oder Wertekonsens der Beteiligten auf Gesetzgebung und Rechtspraxis in den Unterzeichnerländern – und nicht nur in diesen – sich auswirken sollen[32]. Als im gegebenen Zusammenhang interessante Ausprägungen des „international soft law“ zu nennen sind etwa die „Mindeststandards für die Jugendgerichtsbarkeit (Beijing Rules) von 1985, die Richtlinien für die Prävention von Jugendkriminalität (Riyadh Guidelines) von 1990, die Regeln zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug von 1990, die UN-Kinderrechtskonvention von 1992, die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze bzw European Prison Rules (EPR) von 2006 und die Europäischen Empfehlungen für inhaftierte und ambulant sanktionierte jugendliche Straftäter (ERJOSSM) von 2008[33]. Auch wenn in Deutschland die Berücksichtigung jugendspezifischer Aspekte im Bereich des Strafrechts immerhin im Grundsatz durchaus gesichert erscheint, können die angesprochenen Konventionen bzw Empfehlungen als Auslegungshilfen bei der Anwendung nationalen Rechts genutzt und vor allem kriminalpolitisch ins Feld geführt werden[34].

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