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Teil II Der Geltungsbereich des JGG › § 3 Der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des JGG

§ 3 Der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des JGG

Inhaltsverzeichnis

I. Sachlicher Anwendungsbereich

II. Persönlicher Anwendungsbereich

Teil II Der Geltungsbereich des JGG§ 3 Der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des JGG › I. Sachlicher Anwendungsbereich

I. Sachlicher Anwendungsbereich

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Das JGG gilt gem. § 1 I JGG für Verfehlungen Jugendlicher und Heranwachsender. „Verfehlung“ in diesem Sinne ist jede „rechtswidrige Tat“ iSv § 12 StGB, also Verbrechen und Vergehen. Dass Ordnungswidrigkeiten nicht gemeint sein können, ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 1 I JGG aE, demzufolge die Verfehlung mit „Strafe“ bedroht sein muss. Derartige Strafdrohungen ergeben sich aus dem StGB und dem Nebenstrafrecht, wie § 2 II JGG mit seinem Verweis auf die „allgemeinen Vorschriften“ verdeutlicht. In diesem Sinne gibt es auch keine jugendspezifische Auslegung des Strafgesetzes[1]; freilich kann sich im Einzelfall die Frage ergeben, ob die Tatbestandsvoraussetzungen angesichts jugendspezifischer Besonderheiten wirklich erfüllt sind[2].

Obwohl das JGG auf Ordnungswidrigkeiten nicht anwendbar ist, kommen auf diese einige Regelungen des JGG entsprechend zur Anwendung. Und auch unabhängig von Verweisen auf das JGG enthält das für Ordnungswidrigkeiten geltende „Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“ (OWiG) Sonderregelungen für Jugendliche und Heranwachsende; vgl zB:

§ 12 I OWiG unter 14 Jahren keine Vorwerfbarkeit; für 14 – 18-Jährige gilt § 3 S. 1 JGG;
§ 46 I OWiG für das Verfahren gelten die Vorschriften des JGG sinngemäß;
§ 46 VI OWiG von Heranziehung der Jugendgerichtshilfe kann abgesehen werden;
§ 68 II OWiG im gerichtlichen Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ist der Jugendrichter als Einzelrichter zuständig;
§ 78 III OWiG verweist auf das vereinfachte Jugendverfahren;
§§ 91, 97 OWiG verweisen auf Vollstreckungsregelungen;
§ 98 I OWiG bei Nichtzahlung der Geldbußen kann der Jugendrichter an Stelle der Geldbuße Auflagen verhängen (Arbeitsleistungen, Schadenswiedergutmachung, Verkehrsunterrichts-Teilnahme, bestimmte sonstige Leistungen);
§ 98 II OWiG bei Nichterfüllung der Auflagen ist Jugendarrest von maximal einer Woche möglich;
§ 104 OWiG betrifft gerichtliche Vollstreckungsentscheidungen;
§ 105 OWiG betrifft Kostenentscheidungen.

Teil II Der Geltungsbereich des JGG§ 3 Der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des JGG › II. Persönlicher Anwendungsbereich

II. Persönlicher Anwendungsbereich

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Das JGG ist gem. § 1 I JGG auf Jugendliche und Heranwachsende anwendbar. Jugendlicher ist gem. § 1 II JGG, „wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn… Jahre alt ist“; Heranwachsender ist, „wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist“. Knapper ausgedrückt gilt das JGG für diejenigen Personen, die zur Zeit der Tat[3] schon 14, aber noch nicht 21 Jahre alt sind. Das Alter bei Aburteilung ist unerheblich, weshalb etwa auch 50-Jährige wegen ihrer als Jugendlicher oder Heranwachsender begangenen Taten vor den Jugendrichter kommen können – wenn die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist (vgl § 78 II, III StGB). Auch bezüglich der Rechtsfolgen bei Taten Heranwachsender sind die Regelungen der §§ 105 – 106 JGG auf den Tatzeitpunkt bezogen.

Für die Berechnung des Alters des Täters gelten die Regeln der §§ 186 ff BGB. Es zählt daher gem. § 187 II BGB der Tag der Geburt ab null Uhr bei der Altersberechnung mit[4]. Bei nicht in Deutschland Geborenen kommt es vor, dass die Altersbestimmung Probleme bereitet; auf die Angaben in den Papieren des Heimatlandes ist nicht immer Verlass[5]. Hier kann gem. § 81a StPO eine Begutachtung angeordnet werden, bei welcher regelmäßig eine röntgenologische Skelettuntersuchung durchgeführt wird[6].

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Die Unterteilung in Jugendliche und Heranwachsende ist insofern bedeutsam, als für Heranwachsende das materielle wie das formelle Jugendstrafrecht nur mit Einschränkungen gilt. § 105 I JGG enthält eine Weichenstellung hinein ins materielle Jugendstrafrecht mit seinem spezifischen Rechtsfolgensystem oder – bei Verneinung der Voraussetzungen von § 105 I – ins Erwachsenenstrafrecht (vgl auch § 106 JGG). Welche der Verfahrensvorschriften des JGG auch auf Heranwachsende anwendbar sind, ergibt sich aus § 109 JGG, wobei es teilweise relevant ist, ob die Tat des Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht oder nach Allgemeinem Strafrecht (Erwachsenenstrafrecht) sanktioniert wird (§ 109 I, II iVm § 105 I JGG). – Die Struktur des Gesetzes, das zunächst ganz auf die Jugendlichen abstellt, und die Heranwachsenden nur in einem Anhang (§§ 105 – 112 JGG) berücksichtigt, findet ihre Erklärung darin, dass die Heranwachsenden erst nachträglich, nämlich im Jahr 1953, in den Geltungsbereich des JGG aufgenommen wurden.

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Für Kinder, also die unter 14-Jährigen, gilt das JGG nicht. Gem. § 19 StGB ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch Kind ist. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist absolute Strafunmündigkeit ein Prozesshindernis[7]. Es darf schon gar kein Strafverfahren eingeleitet werden. Ist dies doch geschehen, so ist bei Feststellung von (möglicher) Strafunmündigkeit das Verfahren einzustellen. Es gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“. Die Staatsanwaltschaft verfährt gem. § 170 II StPO. Ist bereits Anklage erhoben, darf das Gericht das Hauptverfahren nicht eröffnen (Beschluss gem. § 204 StPO). Nach Eröffnung des Hauptverfahrens wird das Verfahren gem. § 206a StPO (Beschluss; außerhalb der Hauptverhandlung) oder gem. § 260 III StPO (Urteil; in der Hauptverhandlung) eingestellt. – Die Strafbarkeit von Mittätern und Teilnehmern des strafunmündigen Kindes bleibt unberührt. Das Kind kann Vortäter einer Hehlerei (§ 259 StGB) sein. Im Zusammenwirken des Kindes mit einem strafmündigen Täter kann eine Körperverletzung für diesen wegen Beteiligung mehrerer (mindestens zwei) zu einer gefährlichen Körperverletzung werden (§ 224 I Nr 4 StGB). Es ist umstritten, ob in Beleidigungsfällen eine Aufrechnung (Kompensation: § 199 StGB) möglich ist, wenn der Gegner ein Kind war[8].

Auch wenn Kinder nicht strafrechtlich für ihre Taten verantwortlich gemacht werden können, werden Straftaten doch vielfach Anlass für Maßnahmen des Jugendamtes oder des Familiengerichts geben. RL 2 zu § 1 JGG verpflichtet denn auch den Staatsanwalt, der wegen Schuldunfähigkeit gem. § 19 StGB keine Anklage erhebt, in geeigneten Fällen das Familiengericht oder andere in Frage kommende Stellen zu benachrichtigen.

Exkurs: Die Richtlinien (RL) zum JGG stellen Vereinbarungen der Landesjustizverwaltungen dar; die derzeit gültige Fassung wurde vom Strafrechtsausschuss der Landesjustizministerkonferenz im April 1994 verabschiedet. Die Richtlinien binden die weisungsgebundenen Staatsanwälte. Den unabhängigen Richtern können sie nur unverbindliche Hinweise und Empfehlungen geben.

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Für Taten Erwachsener gilt das JGG grundsätzlich nicht. Dennoch stehen häufig Erwachsene vor dem Jugendrichter – zumeist für ihre Taten im Alter bis 21 Jahren. Denn für die Zuständigkeit der Jugendgerichte kommt es gem. §§ 1, 33 ff, 107 f JGG auf das Tatzeit-Alter an[9]. Werden gem. § 103 JGG Verfahren gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden, was auch bei mehreren Taten einer Person in verschiedenen Altersstufen der Fall sein kann, dann ist regelmäßig das Jugendgericht zuständig. Eine Ausnahme regelt § 103 II S. 2 JGG bezüglich der Zuständigkeit von Wirtschaftsstrafkammern sowie von Kammern für Staatschutzsachen (vgl auch § 104 JGG). Für das Verfahren gegen Erwachsene vor dem Jugendgericht gilt Jugendrecht, soweit das Gesetz nichts anderes vorgibt[10]. Jedoch ist für die Rechtsfolgenbestimmung bezüglich der zur Tatzeit Erwachsenen das materielle Allgemeine Strafrecht maßgeblich – falls nicht ausnahmsweise die Anwendung von § 32 JGG etwas anderes ergibt (dazu unten Rn 284 ff).

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Das JGG gilt auch für Soldaten der Bundeswehr. Allerdings enthalten die §§ 112a – 112e JGG Sondervorschriften, die der besonderen Lage des jungen Soldaten und den besonderen Bedürfnissen der militärischen Disziplin Rechnung tragen sollen.

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