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IV. An Stelle einer Zusammenfassung: Ein Fall

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Das Zusammenspiel von Jugendhilfe und Jugendstrafrecht gerade bei ganz jungen Straftätern, bei denen die Strafmündigkeitsfrage zu klären ist und naheliegenderweise jugendhilferechtliche Vorgehensweisen in die Betrachtung einbezogen werden, sei im Folgenden anhand eines – gewiss etwas überkonstruierten – Falles deutlich gemacht:

Fall 1:

Die Brüder A, B und C wuchsen in sehr schwierigen familiären Verhältnissen auf. Die Eltern gelten als erziehungsunfähig, weshalb sie Unterstützung durch das zuständige Jugendamt erhielten. Dennoch zeigten sich bei allen drei Geschwistern zunehmende Verhaltensauffälligkeiten im Sinne von Verwahrlosung. Als sie – 13, 14 und 16 Jahre alt – wieder einmal gemeinsam einen Zigarettenautomaten aufbrachen, wurden sie gefasst. – Die rechtlichen Konsequenzen könnten nun folgendermaßen aussehen:

(A) Da eine strafrechtliche Reaktion wegen Strafunmündigkeit des 13-jährigen A (vgl § 19 StGB) nicht in Frage kommt, beantragt das Jugendamt beim Familiengericht Heimerziehung, weil minder gravierende erzieherische Maßnahmen bei A bisher nicht gefruchtet haben; das Familiengericht ordnet diese Hilfe zur Erziehung gem. §§ 1666, 1666a BGB iVm §§ 27, 34 SGB VIII an.

(B) Nachdem der Staatsanwalt den B angesichts dessen massiver Delinquenzauffälligkeit – trotz des an sich nicht gravierenden Diebstahlsdelikts – angeklagt hatte (vgl aber § 45 II JGG), hält der durch einen Jugendpsychiater sachverständig beratene Jugendrichter den erst 14-jährigen, körperlich wie geistig erheblich zurückgebliebenen B gem. § 3 S. 1 JGG für nicht strafmündig. Gemäß § 3 S. 2 JGG iVm §§ 1666, 1666a BGB, §§ 27, 34 SGB VIII ordnet der Jugendrichter Heimerziehung an.

(C) Obwohl der Sachverständige auch bei C erhebliche Reifedefizite konstatiert, behandelt der Jugendrichter J den 16-jährigen C als strafmündig. Die Reifedefizite des C erscheinen nicht so eindeutig wie die des jüngeren Bruders und es hält J in solchen Zweifelsfällen eine Strafunmündigkeitserklärung für erzieherisch gefährlich, nämlich dem Erlernen von Verantwortung abträglich. Gerade auch angesichts der ins Auge gefassten Erziehungsmaßregel als nicht ahndender, hilfeorientierter Sanktion lässt J Rechtsstaatsaspekte – nämlich das in dubio pro reo bezüglich der Strafreife – zurücktreten (zu Bedenken vgl oben Rn 58). Wegen der mittels ambulanter Maßnahmen nicht beeinflussbaren Erziehungsmängel verhängt er gem. § 12 Nr 2 JGG iVm §§ 27, 34 SGB VIII gegen C Heimerziehung.

So treffen sich A, B und C im Erziehungsheim wieder! Zuständig für die Überwachung bzw Vollstreckung der Heimerziehung ist bei A gem. §§ 85 I, 69 I SGB VIII das Jugendamt und das Familiengericht (nach §§ 151 Nr 6, 157 ff FamFG), bei B und C gem. § 82 I JGG (vgl aber auch § 82 II JGG) der Jugendrichter. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten schließen es freilich nicht aus, dass es sich dabei um denselben Richter handelt. Denn gem. § 34 II S. 1 JGG sollen dem Jugendrichter nach Möglichkeit zugleich die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben übertragen werden.

Teil II Der Geltungsbereich des JGG§ 4 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Jugendlichen › V. Reformansätze

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