Читать книгу Unsere Glückszahl ist die Zwei - Franziska Ferber - Страница 17
Sätze, die niemand
mit Kinderwunsch
hören möchte
Оглавление»Grrr«, murre ich in Richtung Andi. »Das gibt’s doch nicht. Kaum ist man über dreißig und verheiratet, darf man sich ständig mit diesen fiesen Sätzen auseinandersetzen, die ungewollt kinderlose Frauen nie mehr hören wollen! Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass man nur noch mit einem Blick auf den Bauch begrüßt wird!«, rege ich mich weiter auf.
»Ist das wirklich so?«
»Ja, allerdings. Jedenfalls gefühlt. Was glaubst du denn? Und dann kommen noch so lustige Ratschläge und Statements, die vermeintlich beiläufig in die Unterhaltung einfließen. Glauben die ernsthaft, dass ich nicht verstehe, dass sie in Wahrheit versuchen herauszubekommen, ob wir ein Kind bekommen wollen? Das ist doch unmöglich!«
»Hm. Was sind das denn für Sätze, die dich so aufregen?«
»›Kinder machen das Leben erst lebenswert. Es ist die natürliche Aufgabe einer Frau, Kinder zu bekommen.‹ Oder: ›Hast du keine Angst, im Alter allein zu sein?‹ Oder noch dreister: ›Wann dürfen wir denn mit Nachwuchs rechnen?‹ Oder hier die verdeckte, vermeintlich fürsorgliche Version: ›Deine Mutter würde sich so über ein Enkelkind freuen. Magst du keine Kinder?‹ Und dann sind da auch noch diese besserwisserischen Aussagen wie: ›Glaub mir, irgendwann hörst auch du die biologische Uhr ticken.‹ Und ganz schön mies sind diese in den Raum gestellten Aussagen wie: ›Dann ist dir deine Karriere wohl wichtiger …‹«
»Oha!«
»Ja, warte, ich bin noch nicht fertig. Es gibt auch noch die mitfühlende Variante wie beispielsweise: ›Das ständige Gerede über Kinder muss dich ja wohl total nerven …‹ Oder: ›Das muss wahnsinnig schwierig für dich sein, wenn auf einmal alle Kinder bekommen.‹ Übergriffig und indiskret finde ich auch das hier: ›Bei euch hat’s wohl nicht geklappt?‹ Glauben die ernsthaft, dass sie so eine Antwort von mir bekommen, auch wenn sie den Nagel auf den Kopf treffen?«
Ich hole tief Luft und vermute, dass ich einen roten Kopf vor lauter Wut bekommen habe. Mir kocht wirklich fast die Galle über. Denn genau diese Sätze habe ich alle schon gehört. Mehr als einmal.
»Vermeintliche Anteilnahme – gut gemeint, schlecht gemacht und die immerwährende Neugierde schwingt in meinen Ohren mit. Echt! Wer das sagt, macht mich und alle anderen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, wahnsinnig! Vielleicht meinen sie es gut, ja. Aber sie helfen uns damit nicht. In meinen Ohren werden mit solchen Botschaften Thesen in den Raum gestellt, die einen zur Rechtfertigung zwingen. Mich überfordert das, denn ich muss mich schon den ganzen Tag im Zaum halten, damit ich mit meiner Sehnsucht überhaupt umgehen kann. Ja, ich vermisse etwas im Leben. Ja, ich habe natürlich Sorge, im Alter allein und einsam zu sein. Ich weiß, dass wir unseren Eltern eine Bürde auferlegen, gegen die weder sie noch wir etwas tun können. Wir wissen, dass nicht nur wir allein ›mit ohne Kind‹ klarkommen müssen. Und ja, es ist auch nicht immer leicht, wenn der Reihe nach im Bekannten- und Freundes- wie auch Kollegenkreis die süßesten Babys der Welt geboren werden. Ja, ich kämpfe Tag für Tag darum, damit umgehen zu können – mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Bitte, macht uns das Leben mit der vermeintlichen Weisheit doch nicht noch schwerer! Sorgt doch bitte nicht dafür, dass wir uns jedes Mal, wenn ihr einen solchen Satz sagt, innerlich wieder neu zusammensetzen müssen, weil uns so etwas regelrecht auseinanderfallen lässt«, rede ich mich in Rage und habe das Gefühl, die Menge der Leute, die auf so indiskrete Art und Weise nachgehakt hat, direkt bei mir in der Küche stehen zu haben. Ich glaube, Andi ist etwas verunsichert durch meine Wutrede und beobachtet mich wachen Auges. Aber ich bin noch nicht fertig mit meiner Ansprache vor dem imaginären, aber in der Realität für mich sehr deutlich vorhandenen Publikum: »Serviert mir nicht den optisch zwar hübschen, aber in Wahrheit sehr giftigen Fliegenpilz der Anteilnahme. Ich nehme ihn nämlich an. Und ich brauche lange, bis ich die gehörte, wenn auch vielleicht oft nicht so gemeinte Gift-Sequenz wieder los bin. Denn ja, natürlich nehme ich beim Hören dieser Fragen und Thesen die Schultern zurück, hebe den geknickten Kopf hoch, kneife die Augen zu und denke: Puh! Durch! Und das Atmen nicht vergessen! Aber in meinem Inneren sieht es ganz anders aus! Macht es mir doch bitte leicht. Seid einfach nett zu mir und an schlechten Tagen nehmt mich doch bitte einfach in den Arm. Kommentarlos, fragenlos, wortlos. Das wäre eine wirkliche Unterstützung!«
Andi schaut mich noch immer an, zieht mich an sich und küsst mich auf die Stirn, während seine Arme mich fest umschließen.