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3.

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Hasard und Ferris Tucker – sie hatten sich nasse Leinentücher vor Nase und Mund gebunden – drangen unter Deck zur Piek im Bugraum vor. Arwenacks mit Wasserpützen folgten ihnen und bildeten eine Kette. Auch sie trugen nasse Tücher vor Nase und Mund.

In dem Vorraum zur Piek herrschte eine Bullenhitze, ganz abgesehen von dem Qualm. Ohne Rücksicht darauf, ob ein Luftzug den Schwelbrand zum hellen Feuer anfachen konnte, stieß Ferris Tucker im Raum vor der Piek eine Luke auf, die auf die Back führte. Jetzt konnte hier zumindest der Rauch abziehen, so daß die Sicht freier wurde. Die Augen tränten ihnen bereits.

Die Querwand zur Piek fühlte sich warm an. Hinter ihr mußte eine unbeschreibliche Hitze herrschen. Hasard und Ferris klatschten ein paar Pützen mit Wasser gegen das Holz. Pützen wurden nachgereicht. Es dampfte in dem Vorraum wie in einer Waschküche.

Hasard hielt eine Wasserpütz bereit und nickte seinem riesigen Schiffszimmermann zu. Ferris Tucker wußte, was er meinte. Er riß das Schott zur Vorpiek auf und sprang zur Seite. Schwarzer Qualm quoll aus dem Raum, zusammen mit glühendheißem Dunst.

Hasard schüttete mit Schwung Wasser in die Vorpiek und in schneller Folge weitere Pützen hinterher. Drinnen zischte und dampfte es. Eimer um Eimer wurde entleert, Big Old Shane löste Hasard ab, der keuchend und hustend an Oberdeck stieg, um frische Luft zu schnappen. Er sah aus, als sei er einer Bratröhre entstiegen. Aus seinem schwarzen Gesicht leuchteten nur die eisblauen Augen und die weißen Zähne.

„Lange haben Sie’s da unten auch nicht ausgehalten!“ höhnte der knubbelnasige Kapitän.

Hasard spülte das Leinentuch in einer Pütz aus und musterte den Kapitän eisig.

„Das mag sein“, sagte er, „aber dafür haben wir jetzt das Piekschott geöffnet und gehen den Schwelbrand, unmittelbar an, was Sie bisher nicht für nötig gehalten haben, Sie Schwachkopf!“

Pigatto erbleichte und ächzte.

„Was denn?“ stieß er hervor. „Sie haben das Schott geöffnet? Sind Sie verrückt geworden? Bei Luftzufuhr brennt das Zeug sofort lichterloh!“

„Quatsch!“ sagte Hasard. „Bei mir hat’s nur gezischt und gedampft, von lichterloh kann keine Rede sein …“

Bei dem Knubbelnäsigen gingen die Gäule durch. „Wenn mein Schiff verbrennt, werden Sie mir dafür haften müssen!“ brüllte er. „Das Schott zur Vorpiek durfte nicht geöffnet werden. Das war ein Befehl von mir – und noch bin ich der Kapitän auf meinen Schiff, nicht Sie – Sie – Sie Brandstifter!“

Bevor Hasard reagieren konnte, hatte schon der Profos zugepackt, der hinter Pigatto stand. Er griff ihm ins Genick, wirbelte ihn herum und trat ihm den rechten Stiefel, Marke Themsekahn, in den Hintern.

Der ehrenwerte Capitán wurde davonkatapultiert und suchte sich als Landeplatz den Backbordniedergang zum Achterdeck aus, das heißt, er sauste, Kopf voran, in die Lücke zwischen unterster Stufe und Decksplanken. Dort stieß er hinein und verschwand bis zum Achtersteven. So blieb er zunächst liegen.

„Mußte das sein?“ fragte Hasard seinen Profos.

Fast hätte Carberry mit „aye, aye, Sir!“ geantwortet, aber er bremste sich rechtzeitig und schnarrte: „Señor Capitán! Sie wurden als Geleitzugführer und damit Befehlshaber über den gesamten Konvoi mit dem schimpflichen Ausdruck ‚Brandstifter‘ belegt, was ich als Profos mit einer sofortigen Disziplinarmaßnahme ahnden mußte. Ich bin dabei noch sehr glimpflich mit diesem rübennäsigen Affenarsch umgegangen.“

„Ähem!“ äußerte der „Geleitzugführer“ und „Befehlshaber über den gesamten Konvoi“, denn er hatte Mühe, sein Grinsen zu unterdrücken.

Der Profos merkte es nicht, denn er spähte mit schmalen Augen zum Niedergang, wo der Kapitän Maßnahmen eingeleitet hatte, sich aus seiner Zwangslage zu befreien. Ächzend und strampelnd schob er sich auf dem Bauch rückwärts aus der Falle. Dann hob er den Kopf zu früh und stieß ihn sich an der untersten Stufe. Da frohlockte der Profos, denn er empfand immer Wohlwollen, wenn sich ein Don selbst und in eigener Person Schmerzen zufügte.

„Am besten, wir beachten ihn nicht weiter“, sagte Hasard, „aber wenn er weiter herummotzt, kannst du ihm ja ein bißchen auf die Zehen treten. Behalte auch die anderen Burschen im Auge. Auf dem Achterdeck steht der Erste Offizier, und der sieht mir ganz danach aus, als habe auch er seine Lektion noch nicht gelernt.“

Carberry schaute unauffällig hin und nickte dann. Dieser dürre Hecht mit dem verkniffenen Gesicht und den böse funkelnden Augen wirkte tatsächlich so, als habe er eine Qualle verschluckt und sie noch nicht richtig verdaut. Oder sie glitschte ihm noch im Geierhals herum und hatte sich mit dem Adamsapfel angelegt, der rauf und runter turnte, als sei er auf der Flucht.

„Ich passe auf, verlaß dich drauf, Capitán“, sagte der Profos.

Hasard band sich das nasse Leinentuch wieder vor Nase und Mund und stieg ins Vorschiff hinunter, um Big Old Shane abzulösen. Sie nickten sich nur zu, und der graubärtige Riese verschwand nach oben.

Der Seewolf hatte den Eindruck, als habe die glühende Hitze nachgelassen. Mit einem Bootshaken stocherte er vom Schott aus in der Vorpiek herum, spürte Widerstand und zog. Was er durchs Schott in den Vorraum beförderte, war ein Packen von drei aufeinander verschnürten Seegrasmatratzen. Die unterste war ziemlich verkohlt.

„Über Bord mit den Dingern“, befahl er.

Blacky und Gary Andrews packten zu und hievten den triefenden und stinkenden Packen durch die Luke auf die Back. Oben griffen die beiden Zwillinge zu, schleppten den Packen zum Schanzkleid und schleuderten ihn mit Schwung darüber und ins Wasser. Tatsächlich zischte es dort noch einmal auf.

Danach gellte ein Schrei, und der ihn ausstieß war wiederum Kapitän Pigatto. Nachdem er unter dem Niedergang hervorgekrochen war, hatte er sich auf eine der Stufen gesetzt und etwas teilnahmslos gewirkt. Jetzt erwachte er zu neuem Leben.

„Meine Matratzen!“ schrie er, sprang zum Schanzkleid und stierte mit Entsetzen zu der Stelle, wo auf dem Wasser nur noch eine grauschwarze Wolke waberte. Die Matratzen waren inzwischen abgesoffen.

Der Kapitän wirbelte herum und brüllte zur Back hoch: „Ich verbiete, daß mein Schiff noch weiter ausgeplündert wird! Das geht zu weit! Die Matratzen gehören zu meinem Schiffsinventar!“

Der Profos walzte auf ihn zu, ein freundliches Grinsen auf dem wilden zernarbten Gesicht.

„Jetzt hör mir mal zu, du Kaffer“, sagte er in seiner liebenswürdigen Art. „Was du da deine Matratzen nennst, waren allenfalls noch stinkige und versengte Schmierlappen, die man nicht mal mehr als Fußabtreter benutzen konnte, ganz abgesehen davon, daß sie Glutnester bildeten. Wenn dieses Zeug in der Vorpiek bleibt, kannst du deinen ganzen Kahn auf die Verlustliste setzen. Ist das klar?“

„Ich verlange, sofort den Capitán zu sprechen!“ brüllte Miguel Pigatto.

„Geht nicht“, sagte der Profos lakonisch, „der räumt gerade deine verdammte Vorpiek aus.“ Und er deutete zur Back, wo die Zwillinge soeben eine qualmende Taurolle in die See beförderten.

Wieder zischte es.

Der Kapitän erlitt einen Schreikrampf und setzte zum Sturm auf die Back an. Der Profos stand günstig. Er brauchte nur den rechten Fuß vorzustrecken, den er auch noch ruckartig anhob, um der Sache mehr Schwung zu geben.

Nach den Gesetzen der Schwerkraft schrammte der Kapitän mit seiner knubbeligen Nase über die Planken, die Beine noch in der Luft, Reibung erzeugt Wärme, wenn nicht Hitze. Jeder Seemann weiß das, wenn ihm ein Tau durch die Hände rauscht. Da geht die Haut in Fetzen. Tat sie beim „Respeto“-Capitán auch. Nur auf der Nase.

„Ja, ja“, sagte der Profos, als der Capitán die Planken anjaulte.

Ein Schuß krachte. Noch jemand schrie, und etwas polterte den Steuerbordniedergang vom Achterdeck zur Kuhl hinunter. Eine Muskete.

Der einige, der geschrien hatte, war der dürre Erste Offizier. Jetzt rieb er sich die rechte Wange.

Carberrys Blick wechselte zur Schebecke hinüber. Dort setzte Dan O’Flynn eine Muskete ab, aus deren Mündung Rauch kräuselte.

„Er hatte auf dich angelegt, Señor Profos!“ rief Dan. „Da schoß ich ihm die Muskete aus den Händen.“

„Sauberer Schuß“, knurrte der Profos und setzte sich in Marsch.

Der Dürre schaute sich gehetzt um, floh zu den Backbordbesanwanten und enterte wie ein Affe auf.

Carberry blieb stehen und schaute zu. Dann zuckte er mit den breiten Schultern und rief zum Besanmars hoch: „Da oben kannst du bleiben, bis dir dein Bart über die Füße wächst. Aber wenn du abenterst, nehme ich dich in Empfang!“ Er hob den rechten Profoshammer. „Hiermit! Und dann wirst du nur noch Brei essen können, weil dir die Beißerchen fehlen, du dreckiger Heckenschütze!“

„Ich wollte Sie nur erschrecken, Señor!“ zeterte der Dürre.

Carberry spuckte verächtlich über Bord.

„Mich erschrecken“, brummelte er. „Ist der Kerl größenwahnsinnig?“ Und er donnerte zum Besanmars hoch: „Einen Profos der stolzen spanischen Flotte kannst du mit solchen Mätzchen nicht erschrecken, du halbes Hemd! Ich habe mehr Kugeln pfeifen hören, als du in deinem ganzen Leben Oliven gefressen hast!“

„Jawohl, Señor Profos“, sagte der Dürre kläglich. Er fühlte sich wie jener Jäger, der sein Pulver verschossen hatte und vor dem anstürmenden Wildeber auf einen Baum geflüchtet war. Und dort unten tobte das Untier noch herum und schielte tückisch nach oben.

Dem allen setzte Sir John die Krone auf.

Was in seinem Papageigehirn vorgehen mochte, wußte keiner, obwohl ihm der Profos alle möglichen guten Gaben andichtete, der Kutscher jedoch behauptete, Papageien hätten ein Mückengehirn, will sagen, sie wären so etwas Ähnliches wie kreuzdämlich und bar jeder Denkfunktion.

Ab und an allerdings waren die Arwenacks dann doch verdutzt über Sir Johns Reaktionen. In diesem Fall war es so, daß die „Krachente“ zumindest einiges mitgekriegt hatte, was sich zwischen dem Dürren und Edwin Carberry, dem Herrn und Meister, abgespielt hatte. Der Teufel mochte wissen, welche Zuneigung den Papagei mit dem Profos verband.

Aber Sir John hob von der Großgaffelnock der Schebecke ab und startete zum Angriff auf den Dürren, zum Luftangriff, und zwar dergestalt, daß er über den Dürren wegsauste und ihm dabei die Vogelkrallen durch die Kopfhaut zog.

Der Dürre fiel fast vom Mars.

Hatte er eben noch den Profos da unten mit einem wütenden und gereizten Wildeber verglichen, vor dem man nur auf einen Baum flüchten konnte, so war’s jetzt mit dem Angriff aus der Luft – was den sicheren Standort betraf – jäh und schmerzhaft vorbei. Es gab nichts mehr, wohin eine weitere Flucht Schutz versprach. Unten lauerte der Wildeber und über ihm ein Raubvogel übelster Art, ein scharfer Falke, auch wenn er wie ein Papagei aussah.

Und der Kopf blutete. Heilige Mutter Maria!

Der Wildeber unten auf der Kuhl lachte sich krumm und scheckig, und der scharfe Falke, jetzt auf dem Besantopp, rasselte eine Kette von Schimpfnamen und Aufforderungen aus dem Krummschnabel, wobei er wie verrückt mit dem Kopf auf und nieder ruckte und glühende Augen hatte.

Das meiste verstand der Dürre nicht richtig, aber was er verstand, das entstammte dem Wortschatz von Huren, Säufern und Hafenstrolchen. Dieses geflügelte Ungeheuer mußte eine Ausgeburt der Hölle sein.

Als Sir John seine Schimpftirade auch noch mit der seltsamen Aufforderung „Gib Küßchen, Süßer!“ abschloß, war das zuviel für den Dürren. Er verdrehte die Augen, und die Sinne entschwanden ihm. Hinter der Segeltuchverkleidung, die den Mars umschloß, sackte er in sich zusammen und verschwand somit aus der Sicht der spanischen Decksleute und der Arwenacks.

Sir John hüpfte hinunter auf die Segeltuchverkleidung, äugte mit langem Hals in den Mars und erging sich in einer Art Gelächter. Den spanischen Decksleuten lief ein Gruseln über den Rücken. Dem Profos flossen die Lachtränen über die Wangen. Sein Sir Jöhnchen hatte mal wieder voll zugeschlagen. Einige der Decksleute bekreuzigten sich.

Indessen traf auch den Profos fast der Schlag, als plötzlich eine fette Ratte über die Kuhl huschte, an der Innenseite des Backbordschanzkleides hochturnte, oben einen Moment verharrte, mit der spitzen Nase in die Luft witterte – und mit einem wilden Satz auf die Schebecke hinübersprang.

Als sie auf die Planken prallte, dauerte ihr Leben noch eine knappe halbe Minute. Plymmie, die Bordhündin der Arwenacks, schoß wie ein Blitz heran, schnappte die Ratte, die noch einmal aufquickte, brach ihr schüttelnd das Genick und schleuderte sie mit einem wilden Kopfschwung über das Schanzkleid ins Wasser.

Es war nicht die erste Ratte, die von der Wolfshündin vom Leben in den Tod befördert wurde. Plymmie war in dieser Beziehung eine erprobte Kämpferin. Und sie wußte, wo sich eine gezeigt hatte, da waren auch noch andere.

Sie irrte nicht, denn weitere Ratten tauchten auf der Kuhl der „Respeto“ auf.

Niemand vermochte zu sagen, was diese schädlichen Nager dazu trieb, ihre Schlupflöcher unter Deck zu verlassen. Möglicherweise hatte sie der Qualm des Schwelbrandes an Deck gescheucht. Die Arwenacks pflegten Ratten auszuräuchern, wenn sie an Bord ihrer Schiffe welche entdeckten.

Jetzt fegte Plymmie wild kläffend am Steuerbordschanzkleid der Schebecke entlang, was bewirkte, daß die weiteren Ratten auf die Steuerbordseite der Galeone huschten – und von Bord sprangen. Eine Ratte exerzierte das vor, und die anderen folgten ihr blindlings.

„Die Ratten gehen von Bord“, murmelte Old Donegal dumpf. Er stand auf dem Achterdeck der Schebecke und beobachtete das grausige Schauspiel mit zusammengekniffenen Augen. Und er fügte hinzu: „Die ‚Respeto‘ ist dem Untergang geweiht!“

Ben Brighton in seiner Nähe warf ihm einen schiefen Blick zu. Es lag in der Art des alten Zausels, Orakelsprüche zu verkünden. Aber in diesem Fall sprach Old Donegal nur das aus, was jedem Seemann bekannt war: Wenn die Ratten das Schiff verließen – auch und gerade auf See –, dann war das ein Zeichen dafür, daß dieses Schiff bald untergehen würde.

Trotz der spätherbstlichen Wärme in diesen Breiten fröstelte es Ben Brighton. Der Exodus der Ratten in den Selbstmord war ihm unheimlich – und das erging jedem so, Spaniern wie Arwenacks.

Der Profos kratzte sich unbehaglich im Genick und sah dem Trauermarsch zu, der in seiner unmittelbaren Nähe stattfand. Eine Ratte nach der anderen erklomm das Schanzkleid an Steuerbord und stürzte sich ins Wasser. Er stellte fest, daß die Biester nach Osten schwammen – in Kiellinie und mit Kurs auf die Küsten der Pyrenäen-Halbinsel, die sie nie erreichen würden. Was nicht vorher absoff, würde von Raubmöwen und Raubfischen vertilgt werden.

Ob die Viecher wußten, in welcher Richtung Land lag, war dem Profos schleierhaft. Aber es war schon erstaunlich, daß sie ostwärts steuerten, als sei in ihrem Gehirn ein Kompaß eingebaut. Und warum schor keine aus und wandte sich nord-, west- oder südwärts? Nein, sie hielten alle Kurs.

Nur einem war der Abmarsch der Ratten völlig piepe.

Sir John.

Er trippelte auf der Marsverkleidung herum und quasselte offenbar den Dürren an, der weiterhin im Mars unsichtbar blieb.

Kapitän Pigatto hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt und schielte an seiner arg lädierten Knubbelnase vorbei fassungslos zu den von Bord huschenden Ratten.

Carberry räusperte sich die Kehle frei und sagte grimmig: „Und da jammerst du wegen deiner verkohlten Matratzen, du Armleuchter! Was los ist, wenn die Ratten das Schiff verlassen, weißt du ja wohl, was, wie? Scheint so, als sei deine ‚Respeto‘ auf ihrer letzten Fahrt.“

Da fing der Capitán an zu beten, und der Profos zuckte mit den Schultern. Ob der Große Kapitän dort oben im Himmel das Gebet zur Kenntnis nehmen würde, erschien ihm höchst fraglich – und noch fraglicher, ob das Gebet etwas nutzen würde.

„Hast du sonst auch gebetet?“ fuhr er den Capitán an.

Miguel Pigatto zuckte zusammen, unterbrach seine Anrufung des Herrn der himmlischen Heerscharen und stotterte ein: „N-n-nein, s-sonst n-nicht.“

„Dann hat’s jetzt auch keinen Zweck“, sagte der Profos ruppig. „Der Herr läßt sich nicht bescheißen, damit du klarsiehst. Immer erst anfangen zu beten, wenn’s Matthäi am letzten ist, das zieht nicht. Nimm’s hin wie ein Mann, verdammt noch mal, und stirb wie ein Kerl!“

„Ich will aber nicht sterben!“ lamentierte der Capitán.

„Das will keiner“, erklärte der Profos, wurde philosophisch und fügte hinzu: „Dabei fängt das Sterben bei der Geburt an, so daß du Zeit hast, dich daran zu gewöhnen.“

An Steuerbord klatschte wieder etwas ins Wasser, und es zischte und qualmte. Dieses Mal handelte es sich um einen Ballen Segeltuch.

Carberry deutete mit dem Daumen über die Schulter und kommentierte: „Alles ist vergänglich, auch Segeltuch, Matratzen und Tauwerk.“

Jetzt drehte nicht der Capitán, sondern sein Bootsmann durch, der mit dem Glaskinn. Er sprang zu der mittschiffs auf Klampen liegenden Jolle, löste die Zurrings und brüllte die Decksleute an, die Jolle außenbords zu hieven.

„Ich will weg von diesem Totenschiff!“ brüllte er. „Ich will nicht absaufen! Das Schiff ist verflucht und vom Teufel besessen!“

Die Spanne bis zu einem explosionsartigen Ausbruch von Panik war eh knapp bemessen gewesen. Die Zündung löste der Bootsmann mit seinem Gebrüll aus.

Plötzlich spielten die Kerle verrückt und prügelten sich um die Jolle, die sie offenbar gleich im Kurzverfahren über Bord werfen wollten, ohne sie vorher sachgemäß an die Heißtakel zu hängen, auszuschwingen und zu Wasser zu lassen. Einige kletterten einfach in die Jolle und klammerten sich an den Duchten fest. Sie hatten alle verzerrte Gesichter und irre Augen.

Mit einem wilden Knurren ging der Profos dazwischen, sofort unterstützt von einigen Arwenacks, denen weitere von der Schebecke folgten. Quer über die Kuhl tobte ein Kampf, den die Arwenacks mit kompromißloser Härte führten. Denn die Spanier wurden in ihrer Panik und Todesangst unberechenbar. Die ersten Messer blitzten auf. Da verzichteten die Arwenacks auf ihre harten Fäuste und griffen sich Belegnägel.

Carberry hatte den hysterischen Bootsmann mit dem Profoshammer gefällt – ein Schlag aufs Haupt, und da war der Kerl fast durch die Decksplanken gebrochen. Jetzt bahnte er sich einen Weg zur Jolle, in der sich die übelsten Radaubrüder versammelt hatten und mit Riemen um sich schlugen.

Es war geradezu grotesk: Im Wasser wäre ein Kampf um die Jolle – um einen Platz darin – vielleicht noch verständlich gewesen, und oft genug war das auch geschehen, vor allem bei Mannschaften, bei denen sich jeder selbst der Nächste war, die keinen Zusammenhalt hatte und keine Disziplin kannte, vor allem Selbstdisziplin.

Der Kampf um eine Jolle aber, die noch an Deck des Schiffes stand, war völlig absurd und zeigte, daß die Kerle von allen guten Geistern verlassen waren. Sie waren nichts weiter als eine Bande vom Tollhäuslern, denen Angst und Panik den letzten Rest von Verstand geraubt hatten.

Der Profos begriff das und ging dazu über, einen Kerl nach dem anderen außenbords und ins Wasser zu befördern, wo sie sich ernüchtern konnten. Die Arwenacks fackelten nicht lange und fanden, dies sei die beste Methode, diese Verrückten in die Wirklichkeit zurückzuholen.

Am meisten erbitterte sie dabei, daß sie es waren – allen voran ihr Kapitän –, die versuchten, diesen transusigen Dons zu helfen und das Schiff zu erhalten. Natürlich dachten sie im stillen an den Schatz im Bauch der Galeone, den sie für ihre königliche Lissy bestimmt hatten. Aber die Dons hätten genauso an die kostbare Ladung denken können, die der König von Spanien erhalten sollte und die es zu bewahren galt.

Beide Seiten waren im Grunde gleich motiviert, aber die Arwenacks kämpften für ihre Sache, während sich die Dons den Teufel um ihr Schiff kümmerten und dazu noch verrückt spielten.

Seewölfe Paket 33

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