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9.

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Von allen diesen Vorgängen kriegten Hasard und seine Mannen nichts mit – bis auf die Tatsache, daß sich der sehr ehrenwerte Kommandant der „El León“ angesichts der drohenden Steuerbordbreitseite schleunigst in Deckung geworfen hatte, ebenso die anderen Señores auf dem Achterdeck.

Das hatte sehr lustig ausgesehen – und so gar nicht kriegerisch. Klar, die Arwenacks gingen auch in Deckung, wenn Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit war. Mit Vorsicht lebte man länger.

Aber daß spanische Offiziere die Planken küßten, hatten die Arwenacks noch nicht erlebt. Nein, die stolzen, blaublütigen Caballeros boten dem Feind die Brust dar, allerdings eine gepanzerte, und schauten ihm kühn ins Auge. Und so standen sie auch, wenn es blitzte und krachte und die Kugeln flogen. So war das bei der Armee und bei der Marine.

Irgendwann hatte Hasard einmal gesagt, Dummheit müsse bestraft werden. Das traf den Kern. Es war nichts weiter als töricht, sich als Zielscheibe anzubieten. Im Kampf Mann gegen Mann konnte noch genug Tapferkeit gezeigt werden, aber im Artillerieduell war das unangebracht. Da hatte man geradezu die Pflicht, zu überleben, um für das Nahgefecht und den Enterkampf bereit zu sein.

Weit voraus vor der „El León“ ließ Hasard in den Wind gehen, den „Spitzbusen“, einholen und wieder die Lateinerfock setzen. Im Gefecht mit den vielen möglichen Wende- und Halsemanövern war das neue Segel eher hinderlich. Will Thorne und Roger Brighton hatten dieses Wundersegel geschaffen, um der Schebecke auf Raumschotskursen und vor dem Wind mehr Schnelligkeit zu verleihen. Das war gelungen. Und damit hatten die Arwenacks wieder eine Geheimwaffe, die entscheidend sein konnte, wenn Schnelligkeit gefordert wurde – wie in diesem Fall bei der Jagd auf die „El León“.

Ohne das neue Segel – das ging Hasard durch den Kopf – hätten sie die Kriegskaravelle nicht mehr bei Tageslicht erreichen können. Und eine Suche bei Nacht barg immer Unwägbarkeiten. Der Capitán brauchte nur aus irgendeinem Grund den Kurs zu ändern, und schon wäre die Schebecke ins Leere gestoßen.

Daß sie die Kriegskaravelle stellen konnten, hatten sie einzig und allein dem „Spitzbusen“ zu verdanken – und damit Will Thorne und Roger Brighton, den beiden Experten für Segel und Rigg.

Die Schebecke war gefechtsklar – sie war es schon gewesen, als Hasard den Befehl gegeben hatte, die Flagge des Bundes der Korsaren zu setzen und die Kanonen auszurennen.

Bewußt hatte er auf den Vorteil verzichtet, der nicht gefechtsbereiten Kriegskaravelle beim Vorbeisegeln eine volle Breitseite zu verpassen, bei der die Fetzen geflogen wären. Ben Brighton hatte ihn schief, wenn nicht vorwurfsvoll angeschaut. Auch Fairneß war Dummheit, weil sie den Arwenacks Schaden bringen konnte. Aber Hasard konnte nicht aus seiner Haut.

Darum verfügte die Schebecke über zwei hervorragende Bogenschützen und das chinesische Raketenarsenal sowie die teuflischen Flaschenbomben. Alles war einsatzbereit.

Sie segelten westwärts gegen die untergehende Sonne, die grell blendete. Hasard dachte nicht daran, diesen Nachteil in Kauf zu nehmen. Er ließ Pete Ballie eine Parabel steuern – in Luv des Gegners und außerhalb der Schußentfernung.

So passierten sie die Kriegskaravelle, die stur auf Ostkurs blieb. Offenbar hoffte Capitán de Freitas, nach Cadiz durchbrechen zu können. Das war eine Vermutung Don Juans, der gesagt hatte, es gäbe für die Avisos eine Order der Admiralität, nur Aufklärung zu fahren und Gefechtsberührungen zu vermeiden. Meldungen über den Gegner seien wichtiger als das Risiko, in einem Gefecht beschädigt oder gar vernichtet zu werden. Immerhin waren jetzt die Kanonen auf der „El León“ ausgerannt.

In Luv des Kielwassers der Kriegskaravelle ließ Hasard halsen und ging wieder auf Verfolgerkurs. Auch jetzt stellte sich heraus, daß die Schebecke schneller als die „El León“ war.

Wäre Hasard auf der Kriegskaravelle gewesen, hätte er hören können, wie der Schnauzbart fluchte. Denn dessen anmaßende Vorstellung von der Schnelligkeit seines Schiffes erwies sich als Hirngespinst. Leider erlebte dies der Erste Offizier nicht mehr.

Dieser Capitán de Freitas wurde nervös. Viel zu früh ließ er aus den Heck-Drehbassen das Feuer auf den Verfolger eröffnen, vermutlich in der Hoffnung, ihn abzuschrecken. Auch das war ein Hirngespinst. Die „El Tigre“ blieb auf Kurs. Die Schüsse zauberten lediglich hübsche Fontänen weit vor ihr aus dem Wasser.

Und unaufhörlich schmolz die Entfernung zwischen den beiden Schiffen zusammen.

„Shane, Batuti!“ rief Hasard nach vorn, wo die beiden Bogenschützen standen. „Nehmt Pulverpfeile! Und dann auf die Kerle an den Heck-Drehbassen!“

Die beiden Riesen zeigten klar, und Sekunden später zischten ihre Pfeile von den Sehnen der Langbögen. Selten hatten sie so gute Bedingungen, denn Karavellenheck, Drehbassen und Geschützmannschaften hoben sich scharf gestochen im Schein der untergehenden Sonne ab. Ja, jetzt hatten die Arwenacks die Sonne im Rücken, und die Dons mußten die Augen zusammenkneifen.

Treffer auf Treffer!

Über die Geschützmannschaften an den Heck-Drehbassen brach die Hölle herein. Ein Pulverpfeil raste in die Hecklaterne und brachte sie zur Explosion. Glassplitter fetzten über das Achterdeck. Männer brachen brüllend zusammen oder taumelten über das Deck.

Da wurde nicht mehr zurückgeschossen, obwohl sich Capitán de Freitas wieder mal heiser brüllte. Aber jetzt konnte er nicht mit Rotwein seine Kehle ölen. Dafür warf er sich wieder hin, als über ihn weg flammende Pfeile zischten, in den Besan schlugen und dort hängenblieben. Das Segel fing Feuer.

Dann krachten zwei Drehbassen auf der „El Tigre“, und zwei Kugeln zertrümmerten die Ruderanlage der Kriegskaravelle. Sie geigte in den Wind, die Segel knatterten und schlugen, die Schoten tanzten wie wilde Schlangen durch die Luft.

Über die Decks, achtern, mittschiffs und vorn, taumelten merkwürdige Flaschen, aus denen sprühende Zündschnüre ragten. Und dann flogen die Flaschen mit grellem Getöse auseinander – einige noch in der Luft, die anderen, während sie über die Planken kullerten. Sie brachten Tod und Verderben, denn nach allen Seiten rasten Glassplitter, heiße Nägel und Metallfetzen. Die Seesoldaten und Decksleute fielen reihenweise.

„Feuer frei! Feuer frei!“ brüllte der Capitán.

Niemand kümmerte sich darum.

Es ging alles Schlag auf Schlag, und die Schläge waren von erbarmungsloser Härte.

Als die Kriegskaravelle in den Wind schoß, passierte die Schebecke auf fünfzig Yards Distanz ihr zerschossenes Heck, und Hasard gab den Feuerbefehl für die Steuerbordbreitseite.

Die Culverinen brüllten auf und schmetterten ihre Ladungen in das Heck der „El León“. Es wurde restlos zertrümmert. Holzfetzen wirbelten durch die Luft, Drehbassen kippten ins Wasser, der Besanmast mit dem brennenden Segel neigte sich und stürzte nach voraus krachend an Deck. Die Nock der Besangaffelrute streifte das Großsegel und fetzte es von oben nach unten auf.

Panik breitete sich aus.

Unter dem brennenden Besansegel waren Männer begraben, die sich wie die Wahnsinnigen zu befreien versuchten. Sie zerschlitzten mit Messern das Segeltuch, taumelten unter dem Wirrwarr hervor, einige hatten Feuer gefangen und stürzten sich über Bord.

Die Schebecke lief nach Osten ab, luvte an, setzte sich vor die Kriegskaravelle und wartete ab.

Das Achterschiff der „El León“ sackte tiefer. Von dem brennenden Besansegel her breitete sich Feuer aus und griff auf das Holz über. Niemand löschte. Immer mehr Männer sprangen über Bord. Die eine Hälfte der Sonne stand noch über der Kimm und verwandelte die See in rotes Feuer.

Capitán de Freitas sah sich wild und gehetzt um. Seine Augen flackerten, seine Lippen zuckten. Er sprang zum Achterdecksschott, hob es aus den Angeln, schleppte es zum Steuerbordschanzkleid, wuchtete es hinüber und kippte es außenbords.

Dann sprang er hinterher, sackte unter Wasser, tauchte wieder auf, schwamm zu dem Schott und wälzte sich hinauf.

In diesem Moment flog die Kriegskaravelle „El León“ mit einer grellen Stichflamme in die Luft.

Wer sich noch an Bord befunden hatte, überlebte die Explosion nicht, aber er hatte einen schnellen und jähen Tod. Und auch das war eine Gnade.

Über die feurige See donnerte ein Schlachtruf, wer ihn hörte, verstand ihn zwar, begriff aber nicht seine Bedeutung.

„Ar-we-nack!“ dröhnte es. „Ar-we-nack – Ar-we-nack!“

Die Schebecke glitt durch das Feuer der Sonne, hob sich scharf ab und verschwand nordwestwärts in der hereinbrechenden Dunkelheit.

Trümmer schwammen auf der See, zerspellte Holzfässer, zerborstene Spieren, Fetzen von Segeltuch, Tauwerkreste – und Tote, aber auch ein paar Verwundete, die sich irgendwo festkrallten und dennoch wußten, daß ihr Leben zerrann wie Sand in einem Stundenglas.

Capitán de Freitas lag wie betäubt auf seinem Schott – bäuchlings. Er hob erst den Kopf, als er spürte, daß eine Hand an seinem Floß zerrte – auf der rechten Seite in Höhe seiner Beine. Er drehte sich etwas und blickte dorthin.

Da schwamm einer und hielt sich am Floß fest. Er sah die Schultern und den Kopf des Mannes – und zuckte zusammen.

Es war der Teniente de Calheiro. Er hatte einen blutigen Schnitt über der Stirn.

„Hau ab, du Pisser!“ fauchte der Capitán. „Verschwinde!“

„Sie hatten noch mit mir sprechen wollen“, sagte der Teniente zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Hier bin ich.“

„Ich sagte: verschwinde!“ knurrte der Capitán. „Hier gibt’s nichts mehr zu besprechen. Klar?“

„Sind Sie verletzt?“

„Was soll die Frage?“

„Wenn Sie nicht verletzt sind, wäre es anständig von Ihnen, mich auf das Floß zu lassen. Es hat genug Platz für zwei. Ich glaube, mein rechter Fußknöchel ist gebrochen.“

„Interessiert mich nicht!“

„Sie verweigern einem Verletzten die Hilfe?“

„Das interessiert mich einen Scheiß!“ brüllte der Capitán, und es hallte über das Wasser.

„Darf ich mich wenigstens an dem Floß festhalten?“

„Nein!“ brüllte der Capitán. „Das ist mein Floß! Such dir was anderes! Hier schwimmt genug rum, an dem du dich festhalten kannst!“

„Sie Mörder!“ schrie der Teniente. „Sie dreckiger, gemeiner Mörder! Sie wollen Offizier und Kommandant sein? Ein Nichts sind Sie! Ein feiger Versager, ein Säufer, der sein Schiff geopfert hat und sich jetzt davonstehlen will …“

„Halt’s Maul!“ heulte der Capitán und riß ein Messer aus dem Gürtel. „Oder ich stech dich ab wie eine Sau!“

Drei, vier Überlebende waren herangeschwommen, darunter ein stämmiger, breitschultriger Bootsmann. Sie hatten alles gehört, und die heilige Wut flammte in ihnen.

Sie verteilten sich um das Floß.

„Schau an!“ höhnte der Bootsmann. „Unser sauberer Kommandant! Ein feines Floß hat er sich unter den Nagel gerissen! Ich dachte immer, die Kapitäne hätten die Pflicht, mit ihrem Schiff unterzugehen – wegen der Ehre! Wo ist sie denn, diese Ehre? Und dem Teniente verweigern Sie die Hilfe, Sie Scheißkerl?“

„Verschwindet!“ brüllte der Capitán. „Das ist ein Befehl!“

„Hat kein Schiff mehr und will noch befehlen!“ rief der Bootsmann.

„Jetzt ist er Kommandant auf ’nem Floß!“ schrie ein anderer. „Und er meint, er könnte uns immer noch schikanieren, dieser versoffene Lumpenhund, der uns diese Scheiße hier eingebrockt hat!“

Sie schwammen auf das Floß zu.

Der Capitán hockte auf den Knien, drehte sich nach allen Seiten und hatte das Messer angehoben, bereit, die Klinge niedersausen zu lassen, sobald eine Hand nach dem Floß griff.

Es war eine erbärmliche Situation.

„Hindern Sie die Kerle daran, mein Floß anzufassen, Teniente!“ kreischte der Capitán. „Tun Sie Ihre Pflicht! Das sind Meuterer – dreckiges Gesindel, das zu gehorchen hat!“

„Leben Sie wohl, de Freitas“, sagte der Teniente ruhig. „Gott wird Sie richten.“

Auf dem Rücken liegend, paddelte er vom Floß weg. Sein rechtes Bein war gefühllos. Er spürte keine Schmerzen. Als er gegen eine Spiere stieß, klammerte er sich an ihr fest. Sein Kopf war ganz klar, so klar wie noch nie. Er wußte, daß er sterben würde. Und er nahm es hin. Er nahm es hin wie ein Mann.

Um das Floß entbrannte der Kampf, das heißt, um das Floß ging es nur indirekt. Ihr eigentliches Ziel war der Kommandant. Er sollte büßen. Von dem jungen Teniente hatten sie nicht viel gehalten – auch der hatte sich aufgebläht und den Befehlsgeber herausgekehrt. Aber in diesen letzten Stunden war er zu einem ganzen Kerl geworden.

Er hatte sogar den Kommandanten herausgefordert, nachdem von diesem der Erste Offizier hinterrücks erschossen worden war. Und jetzt hatte es dieser Kommandant sogar fertiggebracht, den verletzten Teniente vom Floß wegzujagen.

Der Capitán schlug mit dem Messer wie ein Wahnsinniger um sich. Dazu kreischte und heulte er.

Sie untertauchten das Floß und stemmten es an der einen Seite hoch. Mit einem irren Schrei verlor der Capitán den Halt und rutschte ins Wasser. Dabei verlor er das Messer.

Die vier Männer warfen sich über ihn und drückten ihn unter Wasser. Er zappelte und strampelte. Luftblasen blubberten nach oben. Dann wurden die Bewegungen langsamer und erstarben schließlich.

Sie hatten ihren Kommandanten ersäuft wie eine junge Katze.

Dann zogen sie das Floß zu dem Teniente, redeten nicht viel, sondern griffen einfach zu und packten ihn auf das Floß.

Sie sahen es alle. Sein rechter Fußknöchel war nicht gebrochen, sondern zerschmettert.

„Danke“, sagte der Teniente leise, „aber hier ist auch Platz für euch.“

„Och, wir schwimmen lieber, Teniente“, sagte der Bootsmann. „Uns genügt’s schon, wenn wir uns festhalten können.“

„Der Capitán ist ertrunken?“ fragte der Teniente.

„So nennt man das wohl“, brummelte der Bootsmann.

„Der Teufel hat ihn geholt“, sagte ein anderer.

„Haben Sie Schmerzen, Teniente?“ fragte der Bootsmann.

„Nein, überhaupt nicht. Ich fühle mich – so frei …“

Es war das letzte, was der Teniente in seinem Leben sagte. Sein Kopf fiel zur Seite. Es war vollbracht.

Der Bootsmann drückte ihm die Augen zu. Sanft ließen sie ihn ins Wasser gleiten, zogen sich auf das Floß und hockten sich hin.

Zwei Tage später wurden diese vier Männer von Fischern auf einer Schaluppe abgeborgen – als einzige Überlebende der Kriegskaravelle „El León“. Sie hatten vereinbart, nichts über ihr Schiff und die Ursache seines Untergangs verlauten zu lassen. Sie erzählten irgendeine Geschichte von einem morschen Frachter, der ihnen unter dem Hintern wegsoff.

Die Schaluppe segelte nach Huelva. Dort gingen die vier Männer von Bord, und ihre Spuren verloren sich.

Die Admiralität verbuchte die Kriegskaravelle „El León“ als vermißt, und schließlich wurde sie auf die Verlustliste gesetzt.

Mit Mann und Maus auf See geblieben …

ENDE

Seewölfe Paket 33

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