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8.

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Sechs Jollen unterschiedlicher Größe dümpelten vor der langsam in den Wind schwoienden „Respeto“. Niemand achtete darauf, die Position der Galeone zu halten, das war unwichtig geworden.

An Bord des Schatzschiffs befanden sich nur noch der Kapitän, der Bootsmann und drei einfache Decksleute, die Pigatto unbedingt ihre Loyalität beweisen wollten. Der Capitán dachte nicht daran, Capitán de Vilches in seinen Bemühungen zu unterstützen. Ihm war anzusehen, daß er liebend gerne von Bord gegangen wäre, dies jedoch aus Furcht, sein Gesicht zu verlieren, nicht tun konnte. Mit der Lösung des Zwiespalts war er wohl eine Zeitlang beschäftigt.

„Der erstickt an seiner eigenen Arroganz“, sagte Edwin Carberry kopfschüttelnd.

„Und wenn nicht, dann an seiner Dummheit“, ergänzte Bob Grey.

Die Vorbereitungen waren getroffen. Drei Taucher warteten in den Booten auf ihren Einsatz. Die Meinungen über Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens gingen indes auseinander. Vielleicht wäre es besser gewesen, möglichst viel Gold und Silber abzubergen und die Galeone ihrem Schicksal zu überlassen.

Don Juan de Alcazar beobachtete den Seewolf eine Weile von der Seite. Hasard hatte keine leichte Entscheidung gefällt. Aber der Einsatz war es wert. Rettete er die Galeone, durfte er gewiß sein, daß seine Schwierigkeiten mit dem Konvoi geringer wurden – versagte seine Methode, würden die Probleme bestehenbleiben. Dann würde vor allem der Generalkapitän, Don Ricardo de Mauro y Avila, der sich im Moment zurückhielt und Hasard die Drecksarbeit überließ, Aufwind erhalten.

Hasard gab das Zeichen. Auf dem Bootsmannsstuhl am Vorsteven saßen zwei Dons bereit, beim Festzurren des Lecksegels zu helfen. Denn falls dabei Schwierigkeiten auftraten, würde die „Respeto“ unweigerlich auf Tiefe gehen.

Tito Menéndez und die beiden anderen Taucher, die von Bord der „Reputación“ und der „Patricia“ stammten, pumpten ihre Lungen voll Luft und ließen sich unmittelbar am Rumpf der Galeone absinken. Das schwere Schabewerkzeug, das sie bei sich trugen, erleichterte es ihnen.

Schon unmittelbar unterhalb der Wasserlinie waren die Planken von schleimigen Algen überzogen. Einige Handbreiten tiefer begann der Muschelbewuchs, der sich als ziemlich hartnäckig erwies.

Die Männer mußten ihre ganze Kraft einsetzen, um wenigstens eine kleine Fläche zu säubern. Das Wasser behinderte sie ohnehin in ihren Bewegungen. Erschwerend wirkte sich aus, daß sie wegen der Anstrengung in kurzen Abständen auftauchen mußten, um neuen Atem zu schöpfen.

Dann gingen auch die Arwenacks ins Wasser. Mit Bohrkurbeln rückten sie dem Rumpf zu Leibe.

Erste, gerade fingerdicke Löcher entstanden, durch die das Wasser aber kaum mehr als tropfenweise einsickerte.

„Wenn wir so weiterarbeiten, lachen bald die Haie über uns“, schimpfte der Profos, als er kurz auftauchte und sich am Dollbord der Jolle festhielt.

Endlich konnten zwar Fuchsschwänze angesetzt werden, aber mit ihnen unter Wasser zu sägen, erwies sich schon wegen des Auftriebs als äußerst anstrengend.

Capitán Pigatto schimpfte und fluchte auf der Back herum und forderte Hasard auf, sämtliche Männer sofort wieder seinem Befehl zu unterstellen. Außerdem behauptete er, allmählich heiße Füße zu kriegen. Keiner der Arwenacks achtete auf ihn.

Irgendwo im Innern der „Respeto“ dröhnte eine Explosion. Etliche der Männer, die sich in Don Julios Nähe in trügerischer Sicherheit wähnten, versteiften sich jäh.

Das wenige Augenblicke später zu vernehmende Fauchen und Rumoren ließ das lähmende Entsetzen weichen und nicht wenige Männer die Flucht ergreifen. Kaum einer hörte noch auf Hasards Befehle. Die beiden Kerle auf dem Bootsmannsstuhl stürzten sich kopfüber in die Wellen, von den sechs Jollen blieben nur zwei neben der „Respeto“, und in einer davon saßen ohnehin die Arwenacks.

„De Vilches, Sie verdammter Idiot, sehen Sie nun, was Sie anrichten?“ brüllte Pigatto mit sich schier überschlagender Stimme. „Das war ein vergleichsweise harmloses Rumfaß. Die nächste Explosion werden wir nicht überleben. Das sind dann die Pulvervorräte.“

Hasard schrie nicht minder laut zurück: „Wenn Sie wirklich so besorgt sind, warum stehen Sie tatenlos herum? Sie und Ihresgleichen könnten längst das Pulver an Deck mannen.“

„Was ist, wenn er recht hat?“ fragte Ferris Tucker nachdenklich. „Wir wissen nicht, wie weit das Feuer schon vorgedrungen ist.“

„Glaubst du, daß Pigatto dann noch da oben stehen würde?“ erwiderte Hasard mit einer Gegenfrage.

Der Schiffszimmermann der Arwenacks seufzte.

„Mittlerweile traue ich ihm alles zu“, sagte er.

Prustend und spuckend tauchte Carberry auf, warf mit einer unwilligen Bewegung seinen Bohrer ins Boot und fuhr sich wassertretend mit beiden Händen durchs triefende Haar.

„Das Leck ist viel zu klein“, schimpfte er. „Wir brauchen ein richtig schönes und großes Loch, durch das die See schäumend eindringt.“

Hasard blickte seinen Profos nachdenklich an.

„Mitunter hast du sogar brauchbare Ideen, Ed.“

„Hä?“ Carberry hängte sich an die Jolle, daß sie bedrohlich Schlagseite erhielt. „Willst du die ‚Respeto‘ auf ein Riff setzen? Dann laß dir sagen, daß weit und breit keine Felsen zu sehen sind.“

Der Seewolf lächelte wissend.

„Eine Kanonenkugel erfüllt den gleichen Zweck“, klärte er den Profos auf, der sich daraufhin mit der flachen Hand vor die Stirn schlug. Es dröhnte so laut, daß die letzten Spanier in ihrer Nähe sichtlich zusammenzuckten und wohl glaubten, ihr Ende sei nahe.

„Natürlich!“ rief der Profos freudig aus. „Al hält einfach mit einer Culverine drauf. Das gibt ein Fest.“

„Keine Culverine“, sagte Hasard.

„Keine …?“ Carberry verstand die Welt nicht mehr.

Aber immerhin stand die Schebecke nur rund fünfzig Yards entfernt.

„Wir wollen die ‚Respeto‘ nicht versenken“, erklärte der Seewolf.

„Du meinst …“ Edwin Carberry wirkte enttäuscht. Demonstrativ stieß er sich mit dem ausgestreckten rechten Zeigefinger gegen die linke Handfläche. „Was willst du mit einem Mückenschiß wie einer Drehbassenkugel schon ausrichten?“

Ferris Tucker verdrehte anklagend die Augen. Dazu bewegte er die Lippen, als schicke er ein lautloses Stoßgebet gen Himmel.

„Manchmal fällt dir wirklich nichts Besseres ein, als rumzubrüllen und dich wie der wilde Mann zu gebärden“, sagte er. „Willst du ein Leck von fast einem Yard mit Lecksegeln abdichten?“

Der Profos grunzte leise. Als Hasard ihm auffordernd zunickte, zog er sich am Dollbord hoch, ließ sich schwer wie ein nasser Sandsack in die Jolle plumpsen und legte sofort trichterförmig die Hände vor den Mund. Aus Leibeskräften brüllte er Al Conroys spanischen Tarnnamen. Tucker und Grey hielten sich erschüttert die Ohren zu.

Der schwarze Haarschopf des Stückmeisters tauchte sofort hinter dem Schanzkleid auf.

„Ich bin nicht taub!“ rief er zurück. „Aber ich fürchte, ich werde es, wenn du weiter so rumtobst. Was liegt an?“

„Du sollst mit einer Drehbasse feuern! Möglichst gestern noch!“

„Auf die Jolle?“

Jedermann konnte sehen, wie der Profos krampfhaft schluckte. Er stand jetzt in der Jolle und gestikulierte derart heftig, daß ein Kentern nicht auszuschließen war.

„Du quergestreiftes, mondsüchtiges Riesenkalb!“ schrie er. „Genau das sollst du nicht tun. Die ‚Respeto‘ ist groß genug, daß du sie treffen kannst, wenn du dich anstrengst.“

Al Conroy verstand, daß die Männer mit ihren Bemühungen, das unterste Deck der Galeone zu fluten, Schwierigkeiten hatten. Ein Drehbassenschuß aus der momentanen Distanz war wirklich das Einfachste. Der Einschlag würde gerade so groß sein, daß er sich noch abdichten ließ.

Die Zwillinge hatten natürlich mitgehört. Sie bereiteten die achtere Backborddrehbasse zum Schuß vor. Al brauchte nur noch das Ziel anzuvisieren und das Pulver zu zünden.

Er hielt exakt zwei Handbreiten unter die Wasserlinie. Das Geschoß würde auf seinem relativ kurzen Weg durchs Wasser nicht allzu stark abgebremst werden.

Amüsiert verfolgte er, wie die beiden Jollen aus dem Bugbereich der „Respeto“ gepullt wurden. Während die Arwenacks aber schon nach wenigen Yards wieder beidrehten, dachten die Dons überhaupt nicht daran, sich der Gefahr auszusetzen, daß auf der Schebecke womöglich ein Stümper hinter dem Rohr stand.

„Euch werde ich zeigen, was ein Stückmeister des Seewolfs kann“, murmelte Al Conroy. „Die Kugel trifft auf den Inch genau.“

Er schwenkte die Drehbasse ins Ziel und mußte das Rohr diesmal merklich schräg ausrichten. Der Weg der Kugel war kurz, er brauchte weder einen Vorhaltewinkel einzubeziehen, noch die Krümmung der Flugbahn zu berücksichtigen. Kurzum: er durfte einfach draufhalten.

Ein kurzes, trockenes Blaffen, ein winziger Mündungsblitz und ein mickriges Pulverwölkchen waren alles. Zwei Yards neben der „Respeto“ entstand eine leichte Gischtfontäne.

Bob Grey tauchte. Als er gleich darauf wieder an die Oberfläche stieg, reckte er die Faust.

„Ein sauberer Schuß!“ rief er. „Das Leck sitzt genau neben den Bohrungen.“

Al verzichtete auf eine Erwiderung. Den Treffer hätte seiner Meinung nach jeder anbringen können, das bedeutete keine besondere Leistung.

Endlich ergoß sich das Wasser in ausreichender Menge in die Vorpiek der Galeone. Aber mehr als ein verhaltenes Zischen und Gurgeln war davon nicht mitzukriegen. Nur wer über scharfe Augen verfügte, konnte erkennen, daß die „Respeto“ langsam über den Bug absackte.

Der im Bereich der vorderen Stückpforten sowie über Kuhl und Back aufsteigende Rauch färbte sich heller. Das war Wasserdampf, der sich mit dem Qualm vermischte.

Zu weit durfte Hasard die Galeone allerdings nicht absinken lassen, wollte er nicht Gefahr laufen, daß die geöffneten Stückpforten vollschlugen und der Vorgang sich verselbständigte. Immerhin war anzunehmen, daß die Lenzpumpen durch das Feuer gelitten hatten und erst repariert werden mußten.

Er gab Kommando, das Lecksegel anzuschlagen.

Gleich darauf winkte er zur Schebecke hinüber.

„Eine zweite Kugel in den Heckbereich, ungefähr auf die Höhe des Besanmastschuhs!“

Al Conroy zeigte sein „Klar“. Er hatte die Drehbasse schon neu geladen und die Kammer verschlossen.

Hasard junior hielt ihm den Luntenstock hin. Aber zur Überraschung der Zwillinge trat Al zur Seite.

„Das ist euer Schuß“, sagte er. „Zeigt, was ihr könnt.“

Hasard reagierte verdattert. Während er noch zögerte, schob sein Bruder ihn kurzerhand zur Seite und visierte über das Rohr hinweg.

Nach der glimmenden Lunte griff Philip junior nur einen Augenblick später.

Der Schuß saß ziemlich gut im Ziel.

„Zwei Handspannen zu weit links“, stellte Al Conroy sachlich fest. „Außerdem ein wenig zu hoch. Du hättest die Dünung besser abfangen sollen.“

Philip junior nickte. Ihm war selbst aufgefallen, daß die Schebecke gerade da aufschwamm, als er die Drehbasse zündete.

„Trotzdem kein schlechter Schuß“, sagte der Stückmeister. „Aus solchen Fehlern kannst du nur lernen.“

Während die See auch ins Achterschiff strömte und schäumend zum Bug hin und in die Büge abfloß, arbeiteten Spanier und Arwenacks Hand in Hand, um das Lecksegel zu spannen.

Probleme entstanden nur, weil der Muschelbewuchs nicht weit genug entfernt worden war und das Segel deshalb nicht richtig anlag. Aber das Ganze war ohnehin nur als Provisorium gedacht. Sobald die Lenzpumpen arbeiteten, mußten die Lecks von innen her notdürftig abgedichtet werden.

Hasard war sich darüber klar, daß er mindestens ein bis zwei Tage verlieren würde und der Konvoi während dieser Zeit nahezu unbeweglich vor der Küste Portugals lag. Außerhalb der üblichen Routen zwar, aber wer wußte schon, welche Überraschungen das Schicksal noch bereithielt?

Bevor der Tiefgang der „Respeto“ bedenklich wurde, dichteten sie auch das Leck im Achterschiff mit getränktem Segeltuch ab.

Danach sah es tatsächlich so aus, als wäre die Maßnahme erfolgreich gewesen. Die Rauchentwicklung ließ merklich nach, wenngleich nach wie vor Qualm aufstieg und mit der Hauptwindrichtung aufs offene Meer hinaus wehte.

Die ursächlichen Brandherde waren gelöscht und damit die Gefahr vorerst gebannt, daß der Rumpf aufbrach. Über Luken und Niedergänge hatten sich die Flammen aber auch nach oben ausgebreitet – nur waren sie da eben wesentlich leichter zu bekämpfen.

„Zurück an Bord!“ befahl Hasard. „Die Stückpforten schließen, falls die See schwerer wird, und vor allem die achtere Pulverkammer sichern.“

Außer seinen vier Mannen verfügte er über acht Spanier. Die anderen Dons hatten sich zu den am nächsten liegenden Galeonen geflüchtet. Ihnen standen Kapitän Pigatto, der Bootsmann d’Alvarez und drei Decksleute gegenüber.

Pigatto war noch immer nicht vernünftig geworden. Um seine Mundwinkel hatte sich ein harter Zug eingegraben, und in seinen Augen glomm ein wildes Feuer. Die Anspannung und der Zwiespalt, in dem er sich befand, schienen ihm zuzusetzen. Offenbar wandelte er auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und geistiger Verwirrung, nur war er selbst am allerwenigsten in der Lage, darauf Einfluß zu nehmen.

Die mehrschüssige Steinschloßpistole, die er auf Hasard richtete, redete eine deutliche Sprache.

„Ich habe sie nicht an Bord gebeten, de Vilches.“ Seine Stimme vibrierte merklich. „Sobald Sie über das Schanzkleid steigen, schieße ich.“

„Wir wollen Ihr Schiff retten, Pigatto.“

„Ich bin der Kapitän.“

„Daran zweifelt niemand.“

„Dann verschwinden Sie! Sie und Ihre Männer haben genug getan, lassen Sie mich wenigstens den Rest zu Ende bringen.“

„Von Ihrer Bevormundung haben wir die Schnauze voll“, sagte Tomas d’Alvarez. „Sie wurden uns aufgezwungen, Capitán, verstehen Sie? Gegen unseren Willen. Wir wollen nicht nach Irland segeln.“

Das also steckte letzten Endes dahinter. Die Probleme wuchsen, zumal Spanien querab und fast zum Greifen nahe lag. Kein Wunder, daß der eine oder andere der Dons durchzudrehen begann.

Hasard hätte eine Menge Argumente dagegen vorzubringen gehabt, doch keins, das wirklich überzeugte. Der Bootsmann hielt ebenfalls eine Pistole im Anschlag. Und die Decksleute waren mit Säbeln und Belegnägeln bewaffnet.

„Don Julio“, raunte der Profos neben dem Seewolf, „wenn wir zugleich angreifen, haben wir durchaus eine Chance.“

„Pigatto ist zu allem entschlossen“, flüsterte Hasard zurück. „Ich würde es mir nie verzeihen, falls ihre Kugeln einen von uns töten.“

„Du willst also zusehen, wie dieser Affenarsch Oberwasser behält?“

„Ich gehöre zu Ihnen, Capitán“, rief unvermittelt einer der Spanier neben Hasard. „Bitte schießen Sie nicht!“

Der Kerl schwang sich über das Schanzkleid, blieb flüchtig stehen und lief weiter, als Pigatto ihm wohlwollend zunickte.

„Wir müssen die achtere Pulverkammer absichern, Señor Capitán“, sagte er und nahm damit dem Seewolf das Wort aus dem Mund. „Sie dürfte vom Wasser nur teilweise erreicht worden sein.“

Pigatto schien kurz zu überlegen. „Gut“, sagte er dann. „Ich schätze dich als zuverlässig ein, Angel Camoiras. Wer von den anderen ebenfalls an Bord gehen will, soll dir helfen.“

Für einen Moment war er abgelenkt, weil er den Blick über die Verschanzung schweifen ließ. Camoiras nutzte die winzige Zeitspanne, um sich nach vorn zu schnellen. Er riß den Dolch aus seinem Gürtel und warf sich auf den Kapitän.

„Nimm das für Vincente, meinen Bruder. Du hast ihn in den Tod geschickt …“

Ein Schuß peitschte auf.

Angel Camoiras blieb so abrupt stehen, als sei er gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens erschien auf seinem Gesicht. Er wollte etwas sagen, doch brachte er keinen Laut mehr über die Lippen. Seine Finger öffneten sich, der Dolch klirrte auf die Planken. Unendlich langsam sank er in die Knie und schlug der Länge nach hin.

Miguel Pigatto hielt da die Pistole schon wieder auf Hasard gerichtet.

„Verschwinden Sie, ehe ich die Beherrschung verliere und Sie ebenfalls erschieße! Ich werde nach Spanien segeln, Capitán de Vilches, ob Ihnen das genehm ist oder nicht. Und ich werde Sie wegen Anstiftung zur Meuterei anklagen.“

„Wenn Sie glauben, das tun zu müssen, ich hindere Sie nicht daran“, sagte Hasard. „Aber kümmern Sie sich vorher um die Pulverkammer.“

Pigatto lachte schrill.

„Sie legen mich nicht rein, de Vilches, noch dazu mit dem gleichen Trick, den schon dieser Wahnsinnige versucht hat.“ Er deutete auf Camoiras. „Wenn wirklich Gefahr bestünde, würden Sie und Ihre Leute kaum seelenruhig auf den Berghölzern warten. Verschwinden Sie!“

Hasard wußte, wann er verloren hatte.

„Zurück zur Schebecke!“ forderte er seine Mannen auf.

„Du kannst doch nicht das viele Gold und Silber …“ Carberry zog instinktiv den Kopf ein, als der nächste Schuß peitschte. „Du kannst wirklich.“

Hinterher behauptete er steif und fest, er hätte die Kugel unmittelbar an seinem linken Ohr vorbeipfeifen hören, und wer ihm nicht glauben wollte, dem drohte er fürchterliche Dresche an.

Sie sprangen in die Jolle und griffen sofort nach den Riemen. Auch die Spanier pullten, was das Zeug hielt. Falls noch immer keiner der auf der „Respeto“ zurückbleibenden Männer kapierte, was die Stunde geschlagen hatte, war ihnen absolut nicht mehr zu helfen.

Hasard blickte stumm zur Galeone zurück.

„Warum so schweigsam?“ fragte Don Juan.

„Vielleicht hätte ich Pigatto anders anfassen müssen“, sagte der Seewolf bedrückt. „Immerhin stehen fünf Menschenleben auf dem Spiel. Ich muß mir selbst vorwerfen, nicht alles in meiner Kraft Stehende versucht zu haben, um sie zu retten.“

„Laß dir seinetwegen keine grauen Haare wachsen.“ Der Profos spie in hohem Bogen aus. „Pigatto ist einer von denen, die du nie überzeugen kannst. Er hat sein wahres Gesicht rechtzeitig gezeigt – Kerlen wie ihm folgen Leid und Tod auf dem Fuß.“

Ein Fauchen wie von einem chinesischen Brandsatz war zu vernehmen, nur um etliches lauter. Aus der achteren Geschützpforte der „Respeto“ zuckten mannslange Stichflammen hervor, begleitet von dichtem, schwerem Pulverqualm.

„Es geht los!“ sagte der Profos.

Urplötzlich schien sich das gesamte Heck der Galeone aufzublähen. Für die Dauer eines einzigen Lidschlags wuchs das Schiff auf das Doppelte seiner Größe an, dann brachen die Verbände und Planken auseinander und gaben den Blick frei auf ein bizarres Muster aus Glut und Flammen, das die Zwischenräume ausfüllte.

Dann erst rollte der Explosionsdonner heran, gefolgt von einer fauchenden Druckwelle.

Das Achterschiff der „Respeto“ wurde aus dem Wasser gelüftet. Höher als die Masttoppen wirbelten Balken und ganze Schottsegmente hinauf, und ein Regen brennender kleiner Trümmerstücke ging im Umkreis nieder.

Zum Glück hatte die Galeone tief im Wasser gelegen, so daß der Druck vor allem nach oben gerichtet wirkte. Die Schebecke und die anderen Schiffe blieben deshalb vom Feuer weitgehend verschont. Wo dennoch glühende Spieren und kokelnde Taustücke niedergingen, waren die Mannschaften sofort zur Stelle.

Die „Respeto“ war mitten auseinandergebrochen. In einem schneller werdenden Sog, eingehüllt von Dampf und Gischt, sackte der Bug weg. Die Trümmer des Achterschiffs trieben brennend auf der Wasseroberfläche.

Obwohl es wenig Sinn hatte, nach Überlebenden der Katastrophe zu suchen, ließ sich Hasard nochmals mit der Jolle hinpullen. Auch von den anderen Galeonen wurden Boote ausgeschickt. Aber schon sehr bald stellten sie die Suche wieder ein.

Der Seewolf hatte es eilig, den Konvoi neu zu formieren und unter Segel gehen zu lassen. Dennoch vergingen beinahe zwei Stunden, bis dann endlich die Übernahme der „Respeto“-Crew auf die anderen Galeonen geregelt war.

Während dieser Zeit und auch für den Rest des Tages standen verstärkte Wachen auf der Schebecke und suchten vor allem die östliche Kimm ab. Aber nicht einmal Dan O’Flynn entdeckte Segel im Dunst der heraufziehenden Nacht …

ENDE

Seewölfe Paket 33

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