Читать книгу Seewölfe Paket 33 - Fred McMason - Страница 30
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Оглавление„Da haben wir die Sauerei“, schimpfte Old Donegal Daniel O’Flynn inbrünstig. „Die Spanier sind zu blöd, ein mickriges kleines Feuerchen unter Kontrolle zu halten. Möchte bloß wissen, wie die das angestellt haben, daß die Galeone schon wieder qualmt.“
„Schwimm hin und frag sie“, riet Big Old Shane.
Old Donegals Granitgesicht wies schlagartig einige Falten mehr auf. Nachdenklich kratzte er sich den Kopf.
„Zu was sollte das gut sein?“
„Du erfährst vielleicht, was los ist.“
„Deshalb springe ich nicht wie ein Verrückter ins Wasser. Wie ich Hasard kenne, bringt er die Schebecke ohnehin auf Enterkurs.“
„Auf die Art geht es natürlich auch.“
Old Donegal bedachte den Schiffsschmied mit einem mißtrauisch forschenden Seitenblick.
„Du versuchst doch nicht etwa, mich für dumm zu verkaufen?“ fragte er lauernd.
„Ganz bestimmt nicht, Sir. Das läge mir jungem Spund fern.“ Tatsächlich hatte Old Donegal einige Jährchen mehr auf dem Buckel als Shane, doch mußte er schon besonders guter Laune sein, um das zuzugeben.
„Aaachtung!“ erklang es von irgendwoher.
Der Blick des Alten pendelte zwischen Shane und der „Respeto“ hin und her, ohne daß er sich schlüssig wurde, wem mehr Aufmerksamkeit zu widmen war.
„Du solltest zur Seite treten“, sagte der graubärtige Riese.
„Pah“, erwiderte Old O’Flynn, „ich höre schon gar nicht mehr hin, weil du ohnehin nur Stuß quasselst.“
„So wie Mary Snugglemouse, wenn du ihr den Kopf vollaberst.“
„Laß Mary aus dem Spiel. Was zwischen uns beiden ist, geht dich überhaupt nichts an. Soll ich dir sagen, was es dich angeht? Einen …“
„Ich weiß“, sagte Big Old Shane. „Aber vielleicht hättest du die Güte, die Augen trotzdem mal nach hinten zu richten.“
Old Donegal hörte auf, sich zu kratzen. Er fuhr sich mit dem Handrücken durchs Gesicht. Sein Blick ruhte auf der „Respeto“, die sich zunehmend in dichten Qualm hüllte.
„Eine schöne Schweinerei ist das“, murmelte er. „Wenn Zustände wie da drüben auf einem englischen Schiff herrschen würden …“
„Siiir! Old Donegal! Bist du tauuub?“
Pfeifend atmete der Alte aus. „Was brüllt Roger hinter meinem Rücken herum?“ fragte er. „Ich bin nicht schwerhörig. Wenn der Mister Takelmeister was von mir will, soll er sich gefälligst herbemühen. Ist ja keine Weltreise.“
Tief holte Big Old Shane Luft. Er hatte Mühe, nicht lauthals herauszuplatzen, schließlich sah er, was sich hinter Old O’Flynns Rücken abspielte. Die Männer, die damit befaßt waren, das Großsegel herumzuholen, schnitten die unmöglichsten Grimassen.
„Du solltest dich vielleicht doch …“
„… umdrehen? Nein. Ich stehe hier und beobachte das Geschehen auf der ‚Respeto‘. Schließlich hat sie ’ne Menge Kostbarkeiten geladen. Warum muß ich mich dabei stören lassen?“
„Weil …“ Big Old Shane gab es auf, dem alten Dickschädel zu verklaren, was los war. Er würde schon sehen, was ihm seine Sturheit einbrachte.
Roger Brighton und die anderen, die am Großmast hantierten, gelangten gleichzeitig zum selben Entschluß. Sie holten die Großrahrute endgültig herum.
Old Donegal Daniel O’Flynn fühlte sich recht unsanft von der Seite her angerempelt. Erstaunlich schnell wirbelte er herum. Seine Rechte zuckte mit der Krücke hoch, aber der Schlag ging ins Leere, weil niemand hinter ihm stand.
Der eigene Schwung ließ ihn taumeln. Ehe er sich’s versah, kippte er nach vorn, wobei die Männer an den Tauen eifrig nachhalfen, und hing unvermittelt bäuchlings über der Rahnock, die sehr schnell in die Höhe stieg.
Nun war die Reihe an ihm, lauthals zu brüllen.
„Das war Absicht! Ein Attentat auf den Admiral! Ich werde es euch heimzahlen, ihr heimtückisches Pack!“
Die Arwenacks prusteten vor Lachen. Selbst Hasard grinste, als er seinen Schwiegervater auf der Rahrute liegen und wie ein Ertrinkender mit Armen und Beinen rudern sah.
„Schimpfen, Sir, ist in deiner Lage unangebracht!“ rief der Profos. „Halte dich lieber gut fest.“
Old Donegal antwortete mit einer unanständigen Aufforderung. Und dann zeigte er den Burschen an Deck, daß er trotz seines Alters noch lange nicht abgewrackt war und in seinen Knochen noch genügend Kraft steckte, um es mit jedem Moses aufzunehmen. Nicht einmal seine Beinprothese setzte ihm dabei sonderlich zu.
Auf dem Bauch liegend, hangelte er sich auf der nur mehr leicht schräg stehenden Rahrute zum Mast hin. Einigen Männern stockte der Atem, als er sich dann von der Spiere gleiten ließ und vorübergehend nur mehr an einer Hand hing. Arwenack konnte kaum besser turnen, als der Alte es jetzt demonstrierte. Augenblicke später hing er an der Verstagung des Großmastes und hangelte rückwärts ab, die Beine über das Tau gekreuzt.
Bis er wieder auf den Planken stand, war er zwar sichtlich außer Atem, doch das tat dem Staunen der Arwenacks keinen Abbruch. Old Donegal Daniel O’Flynn grinste herausfordernd.
„Du kannst tatsächlich noch mit jedem Irrwisch mithalten“, sagte Carberry in echter Bewunderung.
„Die Feier wird auf später verschoben!“ rief Hasard vom Achterdeck. „Oder soll die ‚Respeto‘ vor unseren Augen sinken?“
Das wollte niemand. Schon gar nicht wegen der wunderbaren Schätze, die jede Galeone an Bord hatte.
Mittlerweile näherten sich auch einige der anderen Schiffe. Von der „Respeto“ aus wurde ihnen signalisiert, auf Distanz zu bleiben.
„Sieht so aus, als brauchte Pigatto diesmal keine Hilfe“, sagte Dan O’Flynn.
Der Seewolf winkte ab.
„Das gilt nicht für uns“, sagte er.
Aber das war schlichtweg ein Irrtum, wie sich gleich darauf herausstellte.
„Ich vermute, daß die Crew dort drüben lieber abbrennt, als uns noch einmal an Bord zu lassen“, sagte der Profos, wobei er sich gleichzeitig erwartungsvoll die Hände rieb.
Hasard begann sich zu fragen, wie Pigatto reagieren würde. Er traute dem muffigen, undurchsichtigen Kerl beinahe jede Reaktion zu.
„Wir gehen langsamer ran“, entschied er. „Das Großsegel aufgeien!“
Dadurch erhielten die Arwenacks Zeit, das Geschehen auf der Galeone zu beobachten, soweit dies durch den dichten Rauch überhaupt noch möglich war.
Die Distanz betrug rund dreihundert Yards. Die Schebecke segelte mit nahezu achterlichem Wind, also fast rechtwinklig zur „Respeto“.
„Gleich kracht’s“, sagte Dan.
Der Profos kniff die Brauen zusammen und musterte ihn eindringlich.
„Bei wem?“ wollte er fragen, doch das Wort blieb ihm im Mund stecken. Drüben, auf der Back der „Respeto“, blitzte und donnerte es, und weit vor der Schebecke schlug der „Blitz“ ein. Gerade auf halber Distanz zwischen beiden Schiffen stieg ein jämmerliches Fontänchen in die Höhe.
Ungläubig rieb sich Carberry die Augen.
„Ein Mückenschiß“, sagte er. „Diese olivenfressenden Rübenschweine haben wohl zu lange in der prallen Sonne gestanden? Was bilden die sich ein? Denen sollte man den Achtersteven polieren, bis ihre Haut so rot ist wie die eines Pavians.“
Er wußte nicht, daß genau in dem Moment Capitán Pigatto weitaus schlimmere Worte benutzte und kein gutes Haar an Linares ließ, der viel zu früh gefeuert hatte.
„Beidrehen bei zweihundert Yards!“ befahl der Seewolf. Das lag auf jeden Fall außerhalb der Reichweite der Drehbassen.
„Du willst ihnen nicht beistehen?“ fragte. Dan.
„Sie wollen uns nicht“, sagte Hasard. „Oder soll ich den Drehbassenschuß als freundliche Einladung auffassen?“
„Diese Miesmuschel von Kapitän ändert seine Meinung bestimmt noch.“ Der Profos zeigte sich zuversichtlich, was nicht zuletzt auch daran lag, daß es ihn gehörig in den Fäusten juckte. „Wartet nur erst, bis die da drüben langsam, aber sicher geröstet werden. Dann wird es Pigatto hoffentlich eine Ehre sein, sich von uns retten zu lassen.“
Die Sicht unter Deck und damit auch die Bedingungen für die Crew der „Respeto“ waren ein wenig besser geworden. Vor den Stückpforten der Steuerbordseite wirbelte die frische Brise den Qualm heftig durcheinander und trieb ihn in dichten Schwaden quer durchs Schiff. Ein Gestank nach Teer und Farben lastete überall.
Das Dröhnen wuchtiger Axthiebe und das Kreischen der Sägen hallten durchs Schiff. Die Männer verausgabten sich, um von oben her schleunigst an den schwelenden Brandherd zu gelangen. Nach wie vor trugen sie nasse Tücher vor den Gesichtern, weil der Rauch so einigermaßen erträglich wurde.
Niemand hätte geglaubt, daß die alten Planken derart widerstandsfähig sein würden. Noch dazu federten sie unter den Hieben.
Die erste Öffnung, aus der dichter schwarzer Qualm nach oben quoll, war dennoch schnell geschaffen. Schwitzend und fluchend versuchten die Männer, sie so weit zu vergrößern, daß sie bequem nach unten steigen konnten.
Verbissen hieb Zapata auf die Planken ein. Seine Augen tränten, der Hals brannte, aber darauf achtete er nicht. Er war wütend – auf sich selbst, auf die anderen und die Umstände …
Unvermittelt fiel der Segelmacher ihm in den Arm.
„Das Loch ist groß genug. Du hast hoffentlich nicht die Reales vergessen.“
„Keine Angst“, zischte Zapata. „Ich denke dran.“
Der Rauch von unten her wurde dichter. Zu erkennen war herzlich wenig, nur ein düsteres Glühen inmitten der wogenden Schwärze. Mindestens fünf oder sechs verschiedene Brandnester zeichneten sich ab. Durch die Luftzufuhr begannen die Flammen aufzulodern und schneller um sich zu greifen.
Der Bootsmann brachte eine Jakobsleiter und zwei Eimer. Viel erreichte er nicht, als er das Wasser von oben her auskippte. Es zischte und dampfte und die Glut färbte sich vorübergehend dunkler, aber die Flammen züngelten danach sofort wieder auf. Der Qualm wurde dichter.
„Jemand muß hinuntersteigen.“ Tomas d’Alvarez rollte die Leiter aus. Er griff sich einfach den ihm am nächsten stehenden Mann und schickte ihn in die Vorpiek. „Du bist dran, Barbara, geh schon!“
Decksleute mannten weitere wassergefüllte Eimer herbei und nahmen die leeren mit zur Kuhl. Ob sie auf den Niedergängen eine Kette bildeten, um sich möglichst nicht gegenseitig zu behindern, war nicht zu erkennen.
Barbara stieg in die Piek hinunter. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, war oben noch nicht in dem Ausmaß wahrzunehmen gewesen.
„Die Eimer!“ rief er, als er auf einer der letzten Sprossen stand. D’Alvarez reichte sie ihm nach unten.
„Wie sieht es aus?“
„Wenn ich mehr erkennen könnte, wäre ich froh.“
Ringsum prasselte und knisterte es und waberte die Glut. Glühend zeichneten sich die Umrisse von Matratzen und Wergballen, von Fässern und Kisten ab.
Barbara schüttete das Wasser aus einem Eimer auf den Boden. Er brauchte einen Fleck, auf dem er sicher stehen konnte. Den Inhalt der zweiten Pütz kippte er sich über den Kopf. Die Hitze war daraufhin nicht mehr ganz so unerträglich.
Jemand stocherte von oben herab mit einem Bootshaken in der Glut herum. Ein bis eben noch zusammenhaltender Ballen brach daraufhin in zwei Teile auseinander und entließ einen Schwall nach allen Seiten davonstiebender Funken. Sengend legte sich die Hitze auf Barbaras Gesicht.
„Wollt ihr Idioten da oben mich umbringen?“ brüllte er mit sich überschlagender Stimme. „Ich brauche verdammt noch mal mehr Wasser.“
Der Bootshaken krachte neben ihm auf die Planken, kippte langsam und fiel in die erneut auflodernden Flammen. Barbara verspürte das mulmige Gefühl, daß das nicht zufällig geschah. Er wurde in seinen Grübeleien aber sofort unterbrochen, weil die Kerle eine Talje angeschlagen hatten und nun in schnellerer Folge gefüllte Pützen zu ihm herunterließen.
Die Flammen leckten an einigen Balken empor und züngelten bereits unter der Decke entlang. Die Hitze wurde immer unerträglicher. Juan Barbara wußte, daß er nicht mehr lange durchhalten würde, trotzdem versuchte er zu retten, was zu retten war. Je weiter das Feuer sich ausbreitete, desto schwieriger würde seine Bekämpfung werden.
Eimer um Eimer kippte er mit Schwung auf den Boden und gegen die Wände. Es zischte und knisterte, und Dampf und Qualm vermischten sich zu einer immer dichteren Suppe, vom Feuer gespenstisch flackernd erhellt.
Ein zweiter Mann stieg hinunter. Weil in dem Moment ein Teerfaß hell aufloderte, erkannte der Segelmacher Jorge Zapatas kantiges Gesicht.
Der Teer brannte mit greller Flamme und unter stärkster Rauchentwicklung. Kurz entschlossen kippte Zapata einen vollen Eimer auf die brennende, zähflüssige Masse. Es gab ein dumpfes, fauchendes Geräusch wie bei einer Verpuffung, und glühender Teer spritzte nach allen Seiten.
Barbara, der unmittelbar neben dem Faß gestanden hatte, schrie entsetzt auf. Die Glut fraß sich durch seine Kleidung. Er hatte plötzlich genug damit zu tun, die winzigen Flammen auf seinem Hemd auszuschlagen.
Zapatas Angriff traf ihn deshalb unvorbereitet, er brachte nicht einmal mehr die Arme abwehrend hoch, als der Decksmann ihm einen Eimer an den Kopf schmetterte. Der Schlag war hart genug, ihn von den Beinen zu fegen.
Noch im Sturz begriff er, daß er um sein Leben kämpfen mußte. Zapata hatte viel zu verlieren, und er hatte sich offenbar entschlossen, den Mitwisser aus dem Weg zu räumen.
Wieder schlug er zu. Der stechende Schmerz, der jäh durch seine Schulter zuckte, raubte dem Segelmacher den Atem, obwohl unmittelbar über den Planken der Rauch nicht so dicht war. Verzweifelt wollte er sich herumwälzen und nach den Beinen des Gegners treten, doch Zapata war schneller.
Der Segelmacher entging dem zweifellos tödlichen Hieb gegen seinen Kopf um Haaresbreite. Die Verzweiflung mobilisierte nochmals seine Kräfte. Er kriegte den Eimer zu fassen und zerrte Zapata ruckartig zu sich heran.
Im nächsten Moment wälzten sie sich in verbissenem Zweikampf über den Boden. Juan Barbara hatte seine Linke in den Haaren des Decksmannes verkrallt und versuchte, mit der Rechten den Dolch aus dem Gürtel zu ziehen.
Zapata hingegen tastete mit beiden Händen nach seiner Kehle. Sie keuchten halb erstickt. Die Glut und der fehlende Sauerstoff setzten ihnen zu. Ihre Griffe erlahmten von selbst.
Irgendwie schaffte Barbara das Kunststück, die Knie anzuziehen und den Gegner zur Seite zu drücken. Zapatas Gesicht, das er gerade eine Handspanne vor sich sah, war zur haßverzerrten Fratze geworden.
Undeutlich und wie aus weiter Ferne vernahm der Segelmacher eine Stimme vom oberen Deck, die nach ihnen rief.
Im selben Moment zerbarst das Teerfaß. Wie glühende, zähflüssige Lava ergoß sich die brennende Masse auf die Planken, keine zwei Schritte von den Kämpfenden entfernt.
Die Hitze versengte ihre Haare und verbrannte die Haut. Juan Barbara rang nach Luft, da schlug Zapata mit einer brennenden Daube aus dem Faßmantel zu.
Taumelnd richtete sich der Decksmann auf. Seltsamerweise empfand er keine Erleichterung, sondern nur eine grenzenlose Leere. Ohne daß er es merkte, ließ er das brennende Holz fallen.
Die Hitze war nicht mehr zu ertragen.
Weg von hier! schoß es ihm durch den Sinn. Oder du stirbst ebenfalls in den Flammen.
Erst jetzt hörte er das Geschrei von oben. Die Jakobsleiter hatte Feuer gefangen und wurde herabgeworfen. Zugleich kippten die Männer Pütz um Pütz voll Seewasser aus. Jorge war dennoch der Rückweg abgeschnitten.
Der brennende Teer ließ die Vorpiek zur Todesfalle werden. Schützend die Arme vors Gesicht geschlagen, torkelte Zapata an der Wand entlang. Zum Glück fand er das Schott auf Anhieb, weil sie sich als helleres, stärker brennendes Viereck inmitten der glimmenden Beplankung abzeichnete.
Mit dem letzten Rest von Selbstbeherrschung warf er sich dagegen. Das Schott sprang auf, Zapata stürzte und kämpfte verzweifelt gegen die beginnende Ohnmacht an. Die Außenluft empfand er als angenehm kühl auf der glühenden Haut. Der Qualm war nur über dem Boden etwas lichter.
Jorge atmete kurz und hastig. Auf allen vieren schleppte er sich vorwärts, weg von der Hölle, die er eben erlebt hatte. Er glaubte nicht mehr daran, daß die „Respeto“ noch zu retten war.
Neben ihm huschten kleine, blaue, zitternde Flämmchen durch die Plankennähte. Weitere Brandherde hatten sich in dem vor der Piek lagernden Gerümpel gebildet, und auch in dem anschließenden Laderaum flackerten schon die Flammen.
Zapata dachte an den Rum. Zwei der Fäßchen waren aufs höchste gefährdet. Falls sie zu brennen begannen, würde sich das Feuer schlagartig weiter ausbreiten.
Er hörte Stimmen.
Im einen Moment waren sie ganz nahe und so laut, daß seine Trommelfelle schier zerplatzten – im nächsten Moment schwanden sie zum verhaltenen Raunen eines Maienlüftchens und schienen möglicherweise gar nicht mehr vorhanden zu sein, sondern auf bloßer Einbildung zu beruhen.
Jorge Zapata verstand ohnehin nicht, was sie sagten.
Seine Lider waren schwer wie Blei. Er hatte Mühe, sie wenigstens so weit zu öffnen, daß er unter den Wimpern hindurch verschwommen seine Umgebung wahrnehmen konnte.
Rauch wölkte über ihm. Aber da waren auch straff durchgeholte Taue und ein im Dunst verschwindender Mast. Und flüchtig gewahrte er ein winziges Stückchen blauen Himmels, das sich jedoch rasch wieder verhängte.
Er lag an Deck und wußte nicht, wie er es geschafft hatte, nach oben zu gelangen. In seiner Erinnerung klaffte eine mehr oder weniger große Lücke.
Die Stimmen wurden deutlicher. Jorge Zapata hörte den Capitán Befehle brüllen. Hand in Hand mühte sich die Crew, von außenbords Wasser in Pützen aufzuhieven und unter Deck zu mannen. Aber offenbar war das Feuer nicht einzudämmen.
Wie lange mochte er ohne Besinnung gewesen sein? Zapata hatte keine Ahnung. Ebensowenig wußte er, was geschehen war. Hatte er sich aus eigener Kraft über die Niedergänge nach oben geschleppt, oder war er von jemandem entdeckt und gerettet worden?
Gesicht und Hände glühten, die Kopfhaut juckte schier unerträglich. Mühsam versuchte er, sich zu bewegen. Wieder wurde ihm schwarz vor Augen, aber er schaffte es, einen Arm zu heben und sich mit den Fingern durchs Haar zu fahren.
Die Berührung erzeugte einen stechenden Schmerz. Erschrocken zog Zapata die Hand zurück. Abgesehen von den großflächigen Brandblasen, war sie plötzlich rußgeschwärzt. Versengte Haare klebten zwischen den Fingern.
Bruchstückweise entsann er sich. Erst die Vorpiek, danach der Laderaum, aber auch hier Feuer und Flammen, die ihn einschlossen.
Verzweifelt raffte er sich auf, um dem Tod zu entgehen. Er kroch, taumelte und stolperte vorwärts, seine Kleidung fing Feuer, er schlug die Flammen aus, doch sie züngelten von neuem hoch. Aber plötzlich waren da schemenhafte Gestalten. Die jähe Kälte über ihm zusammenschlagenden Wassers raubte ihm endgültig die Besinnung …
Mühsam stemmte er sich hoch. Niemand achtete auf ihn, die Mannschaft befand sich in Panikstimmung. Aber noch dachte keiner daran, die Jollen klarzumachen und auszusetzen. Der Capitán hatte befohlen, die „Respeto“ zu retten. Wer unter diesen Umständen nicht bis zum Letzten seinen Mann stand, würde wenig zu lachen haben.
Julio Cazalilla, der Feldscher, nahm sich seiner an. Ein verflucht mulmiges Gefühl breitete sich in Zapatas Magengegend aus, als er endlich die vielen Verbrennungen sah, die er erlitten hatte. Daß er noch lebte, schien schlichtweg ein Wunder zu sein.
Andere hatten weniger Glück als der Decksmann. Während sich die einen verbissen bemühten, das Feuer in der Vorpiek von oben her unter Kontrolle zu bringen und Unmengen von Wasser auf das schwelende und brennende Gerümpel ausleerten, versuchten die anderen, ein weiteres Ausbreiten der Flammen zum Achterschiff hin zu verhindern, was sich letztlich als schwieriger erwies als angenommen.
Das ausgedörrte Werg in den Plankennähten wirkte zum Teil wie eine Pulverspur, so schnell und zielstrebig fraß sich die Glut daran entlang.
Und plötzlich loderten irgendwo neue Flammen auf und griffen gierig um sich.
Rußgeschwärzte, schwitzende Gestalten hasteten durch den Qualm, der sich wieder dichter ausbreitete. Verschalkungen wurden eingerissen und Latten und Taue nach achtern geschleppt, um dem Feuer möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
Aber auch Gold und Silber behinderten die Löschmannschaften, zumal Glutnester überall entstanden – es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der massive Rumpf der Galeone entweder durch die Flammen selbst oder durch langsam kokelnde Balken so weit geschwächt sein würde, daß er dem Wasser nicht mehr standhielt. Die „Respeto“ war dann unweigerlich verloren.
Francisco Avila, der Navigator, und Vincente Camoiras, der Stückmeister, hatten gerade im vorderen Teil eines Laderaums alle Glutnester gelöscht und waren im Begriff, goldene indianische Kultgegenstände umzuladen, als sie unvermittelt auf ein Fäßchen stießen, dessen Dauben bereits brannten. Seltsamerweise wirkten die Bodenplanken rundherum, als böten sie den Flammen besonders viel Nahrung.
Das Faß gehörte bestimmt nicht hierher. Bevor Avila sich jedoch darüber klarwerden konnte, sagte Camoiras: „Das ist Rum!“
Er deutete auf die Dauben, zwischen denen eine sofort hell auflodernde Flüssigkeit hervorquoll.
Im selben Moment schlug das Feuer durch. Eine grelle Stichflamme sprengte das Holz und die schon lockeren Eisenreifen.
Der Stückmeister, der unmittelbar vor dem Faß gestanden hatte, wurde von der Verpuffung zurückgeschleudert. Im Nu glich er einer lodernden Fackel, die nichts und niemand mehr zu löschen vermochte. Brüllend wirbelte er im Kreis herum, aber sein Schreien verstummte sehr schnell.
Avila, der mit sich selbst mehr als genug zu tun hatte und ebenfalls schwere Verbrennungen davontrug, konnte ihm nicht helfen. Bis weitere Männer, dem Lärm folgend, zu Hilfe eilten, lebte Vincente Camoiras schon nicht mehr und nur mit Mühe schafften sie es, den Navigator zu löschen und ihn aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu schleppen.
An einigen Stellen brannte der Laderaum lichterloh. Die um sich greifende Hitze zwang die Männer, sich weiter zurückzuziehen.