Читать книгу Seewölfe Paket 33 - Fred McMason - Страница 27

3.

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Die Schebecke der Seewölfe segelte in dieser Nacht eine gute halbe Seemeile querab des Konvois. Alle Laternen waren gelöscht. Schon aus hundert Yards Entfernung war der Dreimaster mit den Lateinersegeln lediglich als dunkler Schemen vor dem etwas helleren Hintergrund des Nachthimmels zu erkennen. Auf größere Distanz blieb das Schiff unsichtbar.

Seit dem Einbruch der Dunkelheit stand Dan O’Flynn auf dem Achterdeck und beobachtete. Er sah Details, die anderen Männern trotz des Spektivs verborgen geblieben wären.

Die Schatzschiffe lagen exakt auf Kurs und in Kiellinie. Im fahlen Schein ihrer Hecklaternen sah Dan die Deckswachen auf und ab gehen. Es war der ewig gleiche und monotone Trott.

Einige Arwenacks hockten auf den Tritten der Niedergänge, den Luken oder auch auf dem Vorspill. Obwohl es nichts zu tun gab, fanden die Männer noch keinen Schlaf. Sie genossen die Ruhe und das Glitzern der nächtlichen See. Trotz des Windes war es nicht kalt, sondern eher lauschig. Kurzum: eine Nacht zum Träumen, in der die Gedanken auf Wanderschaft gingen, aber keine Nacht für Seegefechte oder Enterkämpfe.

Irgend jemand sang leise vor sich hin. Dan konnte die rauhe Stimme, die er nur bruchstückweise vernahm, nicht identifizieren. Vielleicht Luke Morgan oder Bob Grey, aber auch Smoky, der Decksälteste, konnte der Spaßvogel sein.

„… eine Jungfrau aus Manchester

hatte eine rassige Schwester,

die wollt’ alle Männer stets lieben,

drum ist die andere Jungfer geblieben …“

Die Spanier waren viel zu weit entfernt, um etwas davon mitzukriegen. Deshalb brauchten sich die Männer nur hinsichtlich der Lautstärke zurückzuhalten.

„He!“ erklang es von der Back her. „Stammt der dusselige Reim von dir, Smoky?“

Der Gesang verstummte abrupt. „Was ist daran dusselig?“ fragte der Decksälteste.

Jan Ranse, der Holländer, war der Zwischenrufer.

„Paß auf“, sagte er. „Du mußt dich ins Leben hineindenken, wie es wirklich ist:

Sie stand oft im Hafen und winkte den Schiffen,

die Jungfrau aus São Vicente

hat sehr schnell begriffen,

das war dann der Jungfernschaft Ende.“

Verhaltenes Lachen, zugleich auch unwilliges Murmeln erklangen als Antwort auf den Vers.

„Besser war das nicht“, erklärte Smoky.

„Aber die spanischen Señoritas sind heißblütiger“, widersprach Jan. „Und dein Manchester liegt nicht am Meer.“

„Das ist doch wohl pottegal.“

„Ganz und gar nicht.“

„Aber sicher“, protestierte Smoky. „Laß einfach die Crew entscheiden, welcher Reim besser war.“

„Glaubst du, ich schrecke davor zurück?“

„Dann ist es ja gut.“ Smoky hatte noch etwas hinzufügen wollen, unterbrach sich jedoch, als urplötzlich ein winziges Fläminchen Helligkeit in einer Luke aufflackerte. Es reichte gerade aus, um Mac Pellews sauertöpfische Miene erkennen zu lassen.

Der zweite Koch schob sich halb aus der Öffnung, ließ seine Laterne aber unten stehen.

„Ihr seid beide gleich gut oder auch gleich schlecht“, sagte er. „Entscheidend ist, daß niemand Kartoffeln mit Seegurken vergleichen kann.“

„Was willst du damit ausdrücken?“

„Daß ihr von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgeht. Ich schlage vor, ich nenne eine Stadt, und wer am schnellsten einen brauchbaren Reim findet, der ist der bessere.“

„Einverstanden“, sagte Smoky.

„Ha!“ Jan Ranse stieß einen kurzen Zischlaut aus. „Glaubst du, ich könnte nicht mithalten?“

Die Spur eines Lächelns huschte über Mac Pellews Gesicht. „Ihr erhaltet Chancengleichheit. Deshalb also ein französisches Kaff: Perpignan.“

Smoky hielt die Luft an und atmete dann fauchend aus.

Der Holländer begann da aber bereits: „Eine Jungfrau aus Perpignan …“

„… die hatte nie was an!“ Smoky fiel ihm kurzerhand ins Wort. Sein Einwand löste Heiterkeit aus. Doch das gedämpfte Gelächter verklang rasch.

Philip junior meldete sich. „Eine Jungfrau aus Biarritz, die …“ Weiter schaffte er es nicht, weil ihm Old Donegal Daniel O’Flynn, sein Großvater, die Krücke zwischen die Rippen bohrte – eine sehr wirkungsvolle Methode, ihn verstummen zu lassen.

„Das junge Gemüse bringt tatsächlich die schlimmsten Unanständigkeiten zustande“, schimpfte der Alte. „In meiner Jugend war das ganz anders.“

„Du weißt überhaupt nicht, was ich sagen wollte“, protestierte Philip. Mit einer Hand griff er nach Sir John, dem Bordpapagei, der unruhig auf seiner Schulter hin und her trippelte und versuchte, ihm die Ohrläppchen länger zu ziehen.

„Klar weiß ich das“, schnaubte Old Donegal. „Deine Gedanken liegen wie ein aufgeschlagenes Buch vor mir. Ich dürfte nicht dein Grandad sein …“

„Pißnelke!“ kreischte Sir John unvermittelt. „Karierter Fliegenschiß!“

Old O’Flynn starrte den Papagei verbiestert an. „Mistkrähe!“

Sir John reckte den Hals und plusterte das Gefieder auf. „Luv an!“ plärrte er. „Schwing die Hufe!“

Das war zuviel. Der Alte langte zum zweitenmal mit seiner Krücke zu, daß der Schwung ihn fast von den Füßen riß. Philip junior konnte gerade noch den Kopf einziehen, sonst wäre er das Opfer dieser Attacke geworden – Sir John war ohnehin schneller und verschwand pfeifend in der Dunkelheit. Von irgendwo, vermutlich vom Großmast her, schimpfte er weiter.

„Dir rupfe ich jede Feder einzeln aus“, drohte Old Donegal. „Und danach schmorst du in der Bratpfanne, bis du genießbar bist.“

„Achtung!“ rief Dan. „Auf der ‚Respeto‘ tut sich was. Sie fieren eine Jolle ab.“

Philip Hasard Killigrew trat hinter der Querbalustrade hervor, wo er wohl die ganze Zeit über gestanden hatte, ohne von den Männern bemerkt zu werden.

„Alle auf ihre Stationen!“ befahl er.

Die Arwenacks wußten, was sie zu tun hatten. Selbst in stockfinsterster Nacht mußte jeder Handgriff sitzen, egal ob es sich um Segelmanöver oder den Angriff auf ein feindliches Kriegsschiff handelte. Das Leben aller hing in solchen Situationen von jedem einzelnen ab.

„Die Jolle hält Kurs auf die nachfolgende Galeone“, meldete Dan.

Der Seewolf glaubte es ihm unbesehen, obwohl die Nacht das kleine Boot schon verschluckt hatte. Mitunter fragte er sich nur, wie Dan O’Flynn so sicher sein konnte, Einzelheiten zu sehen, wo andere längst nichts mehr erkannten.

„Refft die Fock!“

Die Arwenacks waren eine hervorragend aufeinander eingespielte Crew. Das gelegentliche Hickhack zwischen ihnen war bedeutungslos und diente eher noch der Festigung der Gemeinschaft, weil einer des anderen Stärken, aber auch die Schwächen kannte.

Die Schebecke, vorher schon ohne Großsegel ziemlich langsam, verlor weiter an Fahrt. Das Rauschen der See unter dem scharf gehöhlten Vorsteven ebbte ab.

Hasard wollte herausfinden, was bei den Spaniern vorging. Nicht ohne Grund tauschten sie heimlich Nachrichten zwischen den Schiffen aus. Auf der Höhe der portugiesischen Küste galt es ohnehin, besonders vorsichtig zu sein. Das Mißtrauen einiger Kapitäne gegen den vermeintlichen Don Julio de Vilches und seine Forderung, Irland anzulaufen, war nach wie vor gegenwärtig.

Planten sie, in einer gemeinsamen Aktion einfach nach Osten abzudrehen und ihn vor die Wahl zu stellen, entweder auf die Galeonen zu schießen oder sie gewähren zu lassen? Als Sonderbeauftragter des Königs von Spanien durfte er nicht wagen, auch nur eines der mit Gold, Silber und edlen Steinen beladenen Schiffe zu den Fischen zu schicken.

War der Generalkapitän Don Ricardo de Mauro y Avila, ein übellauniger, mürrischer und rechthaberischer Mann, der momentan mit seinem Flaggschiff „Salvador“ den Konvoi anführte, zu entsprechenden Schlußfolgerungen gelangt?

„Ruder ein Strich Backbord!“

Der Mann an der Pinne bestätigte.

Mittlerweile hatte die Jolle die „Honestidad“ erreicht und war längsseits gegangen. Die Männer aus dem Boot, ohnehin nur vier an der Zahl, enterten auf. Während Hasard und Don Juan abwechselnd durchs Spektiv blickten und lediglich undeutliche. Gestalten erkannten, nannte Dan O’Flynn allen Ernstes Namen. Er behauptete, daß Zapata, Menéndez und Braña zur Bootsbesatzung gehörten. Wegen des längere Zeit anhaltenden, inzwischen aber gelöschten Schwelbrandes in der Vorpiek der „Respeto“ waren den Arwenacks einige der Spanier bekannt. Lediglich den vierten konnte Dan nicht identifizieren.

Lange Minuten vergingen, ohne daß Erwähnenswertes geschah. Die Schebecke segelte ungefähr auf gleicher Höhe mit der Galeone.

Endlich zeigte sich wieder Bewegung an Deck der „Honestidad“. Dan begann herzhaft zu lachen.

„Ich denke, diesmal haben wir unser Mißtrauen zu weit getrieben“, sagte er zu Hasard. „Don Ricardo hat uns wohl damit angesteckt.“

„Die Kerle fieren Ladung ab“, stellte der Seewolf fest.

Dan nickte und grinste bis zu den Ohren. „Wie es aussieht, Rumfässer. Klar, daß sie das in aller Heimlichkeit tun.“

„Warum haben wir daran nicht eher gedacht?“ fragte Don Juan.

„Weil wir keine Säufer sind, ist doch einleuchtend.“ Der Profos, der soeben zum Achterdeck aufstieg, hatte genug gehört und mischte sich prompt in das Gespräch ein. „Na ja“, sagte er im selben Atemzug, „von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen.“

Hasard wandte sich zu ihm um. „Sag den Männern, sie sollen sich ab sofort ruhig verhalten. Wir bringen die Jolle auf. Es kann nichts schaden, wenn einige Dons uns scheinbar zu Dank verpflichtet sind.“

„Willst du ihnen den Rum abnehmen?“

„Bin ich ein Unmensch?“ stellte Hasard die Gegenfrage. „An Bord der ‚Respeto‘ herrschen wieder normale Zustände. Wir können schließlich nichts dafür, daß Capitán Pigatto vergessen hat, seine Crew nach dem Aufklaren standesgemäß zu versorgen.“

Wenig später segelte die Schebecke erneut unter vollem Tuch. Sie näherte sich der Jolle schräg von achtern. Da die Spanier offenbar nur Augen für die vor ihnen liegende „Respeto“ hatten, bemerkten sie den schnellen Dreimaster nicht.

Erst bei einer Distanz von wenig mehr als zwanzig Yards wurden sie aufmerksam. Vermutlich hatten sie das Rauschen der Bugwelle vernommen oder das kurze Flappen der Segel, als Hasard den Kurs angleichen ließ.

In ihrer Überraschung taten die Männer in der Jolle ziemlich das Dümmste, was ihnen einfallen konnte, sie versuchten, der Schebecke davonzulaufen und fielen nach Backbord ab.

Weit schafften sie es nicht. Der Dreimaster hatte genügend Höhe, um ihnen innerhalb kürzester Zeit vor den Bug zu segeln. Die Spanier hatten plötzlich alle Hände voll zu tun, eine Ramming zu vermeiden: höchstens vier Yards querab versuchten sie, gegen den Wind zu kreuzen.

„Beidrehen, oder wir setzen euch auf Grund!“ rief Carberry gerade so laut, daß die Dons ihn hören konnten. Aber erst als Al Conroy eine seiner Culverinen ausrannte, strichen die Spanier das Segel.

Carberry warf ihnen eine Leine zu.

„Belegen!“ befahl er, während er zugleich die Jakobsleiter ausrollte.

Hasard trat neben ihn. „Du weißt, wie du sie anpacken mußt?“

Der Profos verzog sein Narbengesicht zu einem vielsagenden Grinsen.

„Sanft“, sagte er. „Sehr sanft.“ Dabei rieb er sich bedeutungsvoll die Pranken.

„Vergiß das nicht“, mahnte der Seewolf. „Mir ist keinesfalls daran gelegen, daß Pigatto die Sache spitz kriegt.“

„Wenn dem so ist …“ Edwin Carberry baute sich zu einer vollen riesenhaften Statur auf: „Ich bitte, von Bord gehen zu dürfen, Sir!“

„Erlaubnis erteilt“, sagte Hasard.

Der Profos enterte ab. Die letzten Sprossen übersah er geflissentlich und sprang in die Jolle, deren Planken bedrohlich ächzten.

„Buenas noches, Señores“, sagte er herausfordernd. „Cómo está usted? – Wie geht es Ihnen?“ Als er nicht sofort eine Antwort erhielt, schnaubte er barsch: „Don Julio de Vilches empfindet es als ungewöhnlich, daß Sie zu mitternächtlicher Stunde und ohne Laterne von einer Galeone zur anderen segeln. Nur Schnapphähne und anderes Gesindel bemüßigen sich solcher Methoden.“

„Wir haben nichts Ehrenrühriges getan“, widersprach Jorge Zapata.

„Natürlich nicht“, sagte der Profos spöttisch und reckte angriffslustig das Rammkinn. „Die meisten Delinquenten behaupten das sogar noch vor ihrer Hinrichtung.“

„Señor …“ Braña schnappte jäh nach Luft.

Carberry winkte heftig ab. „Capitán Pigatto wird über die Störung wenig erbaut sein. Aber Capitán de Vilches hat beschlossen, ihn zu wecken, um die Angelegenheit zu klären.“ Sein Blick wanderte durch das Boot und blieb an den mittschiffs verstauten Fässern hängen. „Was ist das?“ fragte er scharf. „Pulver? Womöglich um eins der Begleitschiffe zu versenken? Wollt ihr Gold stehlen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden? Die Küste könntet ihr bei guter Seemannschaft mit eurer Nußschale erreichen.“

„In den Fässern ist Rum“, sagte Zapata kläglich. „Der Capitán hat den Alkohol an Bord verboten.“

„Dann wird es sich über unseren Fang besonders freuen.“

„Wir gefährden die Sicherheit des Konvois in keiner Weise“, widersprach Braña. „Wollen Sie wirklich, daß wir nur dafür bestraft werden, daß wir einen kleinen Teil unseres Rumvorrats zurückholen?“

Edwin Carberry rieb sich nachdenklich das Kinn. Das dabei entstehende schabende Geräusch war dazu angetan, den Dons eisige Schauder über den Rücken zu jagen. Danach musterte er die Fäßchen.

„Wieviel Rum?“ fragte er.

Jorge Zapata beeilte sich mit der Antwort.

„Das ist zuviel“, sagte der Profos.

Er bückte sich und wuchtete eins der Fäßchen hoch. Mit geradezu spielerischer Leichtigkeit setzte er es auf seine Schulter.

„Für die Großzügigkeit von Capitán de Vilches und mir ist das sicher kein zu hoher Preis“, stellte er fest.

„Natürlich nicht.“ Jorge Zapata konnte erst gar nicht fassen, daß er und seine Begleiter die unerwartete Begegnung mit dem Sonderbeauftragten seiner Majestät derart glimpflich überstehen sollten. Als der Profos nach der Jakobsleiter griff, atmeten sie jedoch auf.

„Sie sind sehr liebenswürdig“, sagte Carberry spöttisch. „Gracias!“

„Donnerwetter“, sagte José Canalejas erleichtert, als die Schebecke längst wieder auf Nordkurs lag und eine gute Kanonenschußweite entfernt ihre Laternen aufleuchteten. „Ich wäre bereit gewesen zu beschwören, daß wir jetzt an die Wanten gebunden werden.“ Dabei zuckte er zusammen, als spüre er schon die Peitschenhiebe des Zuchtmeisters.

„De Vilches scheint nicht so übel zu sein wie der Ruf, den er beim Generalkapitän und einigen Offizieren genießt“, sagte Zapata. „Wenn ihr mich fragt: daß wir nach Irland segeln, hat schon seine Richtigkeit.“

„Laß dich nicht täuschen“, widersprach Braña.

„Ha!“ Zapatas Stimme wurde schrill. „Der Generalkapitän hat uns den Rum wegnehmen lassen – war das vielleicht richtig? Ebenso könnte ich fragen, ob es richtig ist, daß er Capitán de Vilches’ Order anzweifelt.“

Er war drauf und dran sich in Rage zu reden und tobte sich dementsprechend mit den Riemen aus. Auch die anderen strengten sich an, schließlich wollten sie noch vor dem Wachwechsel wieder auf der „Respeto“ sein und den wenigen Rum verstaut haben. Dabei hätte der Wind allein sie schon gut vorangebracht.

Das Anlegemanöver klappte hervorragend. Während Canalejas das Segel abschlug und Braña die Jolle zum Aufheißen vorbereitete, mannten Menéndez und Zapata den Rum an Bord. Sie brachten tatsächlich das Kunststück zustande, Fäßchen und Flaschen in einer Luke im Vorschiff verschwinden zu lassen, ehe die neuen Wachgänger antraten.

Das einzige Problem war die Jolle. Sie hing immer noch außenbords.

„Was bedeutet das?“ Angel Berco, die neue Wache auf der Kuhl, baute sich breitbeinig vor Villasante und dem außer Atem geratenen Zapata auf und deutete auf das Boot.

„Wir hatten geglaubt, ein verdächtiges Schiff entdeckt zu haben“, sagte Antonio Villasante.

„Das habt ihr dann mit der schwer bestückten Jolle in die Flucht geschlagen“, spottete Berco. „Womöglich waren es gar marokkanische Schnapphähne. Verdammt, erzählt das euren ledigen Müttern, aber nicht mir.“

„Was glaubst du denn, he?“ rief Linares.

Nachdenklich leckte sich Angel Berco über die Lippen. „Wenn ich euch drei so ansehe, fallen mir verdammt viele Sünden ein. Unter anderen Umständen würde ich behaupten, ihr paktiert mit Piraten. Aber wir haben aufmerksame Bewacher …“

„Das allerdings.“ Jorge Zapata brachte von irgendwoher eine volle Rumflasche zum Vorschein. „Nimm das, aber halte dein Maul. Wenn nicht, ist es vorbei mit der Freundschaft.“

Angel Bercos Augen quollen förmlich aus ihren Höhlen. Er schluckte mehrmals und grinste dann breit.

„Das treibt ihr also während eurer Wache. Woher stammt die Flasche?“

„Von einem der Schiffe“, sagte Villasante. „Mehr braucht dich nicht zu interessieren.“

Berco nickte bedächtig. „Für ein solches Schweigegeld ist mir fast alles egal“, gestand er. „Zumindest im Moment.“

Der Rest der Nacht verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Jorge Zapata brachte die Fässer in Sicherheit – das heißt, ihm blieb keine andere Wahl, als sie an den Mannschaftsquartieren vorbei in die Laderäume einzuschleusen. Zwischen Gold und Silber würde niemand profanen Rum vermuten.

Zufrieden, doch auch ein wenig erschöpft, legte er sich schließlich aufs Ohr. Er schlief schlecht und schreckte mehrmals von Alpdrücken geplagt hoch. Das meiste, was er träumte, vergaß er sofort wieder, doch eine Szene haftete in seinem Gedächtnis, er gewann sogar den Eindruck, daß er sie stets von neuem träumte:

Die Crew verlangte, daß er mehr Rum besorgte, aber er floh, weil er sich nicht in eine Rolle drängen lassen wollte, die ihm letztlich nicht behagte. „Rum!“ riefen die Männer. „Bring uns Rum! Wir wissen, was du getan hast!“

Kein Versteck war so sicher, daß sie ihn nicht aufspürten. Ihm blieb nur noch, unter die Persenning zu schlüpfen, mit der die Jolle abgedeckt war.

Er hielt den Atem an und rollte sich zusammen, doch kräftige Fäuste packten durch die Plane hindurch nach seinen Schultern und schüttelten ihn.

„Bist du tot oder besoffen, Mann? Schlag endlich die Augen auf!“

Das Schütteln wurde heftiger. Unwillig brummend wälzte Zapata sich auf die andere Seite.

Ein schmerzhafter Hieb zwischen die Schulterblätter verriet ihm gleich darauf, daß er nicht mehr träumte.

Mario Morales lehnte halb über ihm. Der Decksmann sah zum Fürchten aus. Seine Haut hatte sich stärker gelblich gefärbt, das Gesicht was schweißüberströmt und verzerrt. Wirr hingen ihm die Haare in die Stirn. Die Augen wirkten eingefallen und waren von blutunterlaufenen Ringen umgeben, ihr Blick huschte unstet von einer Seite zur anderen.

„Wo?“ fragte Mario keuchend. „Sag schon!“

Was er wollte, war klar. Jorge Zapata erschrak über sein Aussehen. Flüchtig fragte er sich, ob er dem Mann wirklich einen Gefallen tat, wenn er ihm Zugang zum Rum verschaffte – Morales gehörte eher in die Hände eines Arztes.

„Heraus mit der Sprache, oder ich erzähle jedem, was du …“

„Schon gut, schon gut.“ Zapata warf sämtliche Bedenken über Bord. Zum Glück war niemand in der Nähe. Mario mußte selbst wissen, was ihm abträglich war und was nicht.

Jorge führte ihn ins Vorschiff, verlangte aber, daß Mario an einem Niedergang warten sollte, während er allein zwei Flaschen herbeischaffte. Der Gedanke, Morales das Versteck zu verraten, behagte ihm plötzlich nicht mehr.

Der Decksmann riß ihm die Flaschen aus den Händen. Mit den Korken hatte er indes Schwierigkeiten, beide saßen so tief, daß er sie mit seinen zitternden Fingern nicht lösen konnte.

„Hilf mir endlich!“ fauchte er Zapata an.

Jorge konnte nun nicht mehr zurück. Mit den Zähnen zog er einen der Korken heraus und spie ihn achtlos zur Seite. Morales setzte die geöffnete Flasche sofort an die Lippen und trank gierig. Daß dabei viel Rum über sein Gesicht lief, störte ihn nicht. Ein zufriedener Ausdruck trat in seine Augen.

„Was nun?“ fragte Zapata.

Morales drückte die beiden Flaschen an sich und schickte sich an, zu verschwinden.

„He!“ rief Jorge Zapata hinter ihm her. „Wo willst du hin?“

„Geht dich einen feuchten Dreck an“, erwiderte Morales abgehackt. „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Damit hast du genug zu tun.“

Seewölfe Paket 33

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