Читать книгу Seewölfe Paket 33 - Fred McMason - Страница 37

4.

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Vergebens versuchte Don Juan den Seewolf in der Nähe der Schebecke zu entdecken. Die Kapitäne waren wohl noch zu Gast bei Don Jaime. Er drehte den Kopf und schaute hinauf zum Burgberg. Das Castillo del Castro thronte über dem Fischerhafen und den verschachtelten Häusern der Fischer. Hinter den Geschützen bewegten sich einige Männer, das Tor stand offen.

Zwischen den Bäumen und Büschen erkannte Don Juan die Reste uralter Säulen und Mauern. Sie stammten von den Römern, war ihm erklärt worden. Am Ende des Steges traf er auf eine Gruppe Seewölfe.

„Freunde“, sagte er leise, „wir müssen unbedingt etwas unternehmen. Ich habe übersehen, daß die Inquisition das Land beherrscht. Und unser Schiff sieht nun wirklich nicht aus wie eine spanische Galeone.“

„Wirklich nicht“, stimmte Old Donegal zu. „Und was sollen wir tun? Ein wenig um uns schießen?“

„Nein. Weiß jemand, wann Hasard zurückkehrt?“ fragte Don Juan.

„Wir warten alle, auch die Spanier da drüben“, erwiderte Mac Pellew.

Don Juan entschloß sich, vorläufig die Sachlage zu klären.

Er wandte sich an den Kutscher. „Wie steht es mit dem Proviant und dem Wasser an Bord?“

„Wenn’s danach geht“, entgegnete der Kutscher mit gewohnter Zuverlässigkeit, „dann können wir sofort ablegen. Drei große Fässer zur Reserve sind an Deck festgezurrt – für irgendein anderes Schiff.“

„Ausgezeichnet“, sagte Don Juan. „Bevor der Mönch wieder trocken ist, müssen wir mindestens in der Mitte des Hafens stehen. Bereitet euch vor, das Schiff blitzschnell zu verholen. Es geht darum, eine Durchsuchung der Schebecke zu verhindern. Es muß alles wie Zufall aussehen, klar? Keine Gegenwehr, sonst haben wir jedes spanische Schiff aus Galiciens Häfen in unserem Kielwasser.“

Roger Brighton sagte kurz: „Ich gehe zu Hasard und hole ihn. Klar?“

„Einverstanden. Erfinde eine gute Ausrede“, sagte Don Juan. Er schlug Roger auf die Schultern und überlegte kurz. „Gibt es Schwierigkeiten mit dem Castillo dort oben?“

„Bisher noch nicht.“

„Also“, brummte Big Old Shane verdrossen und warf wieder einen sehnsüchtigen Blick in die Richtung der einladenden Schenken, „es ist besser, wenn ich an Bord verhole. Und ihr auch, wenn ihr nichts mehr zu tun habt. Meine Einladung gilt, Juan.“

„Vergiß es“, murmelte der Spanier. „Das hat uns gerade noch gefehlt. Die Inquisition an Bord! Und sämtliche Papiere in einer Sprache, die uns verrät.“

„Das muß nicht sein“, erklärte der Kutscher.

Die Arwenacks verließen den Kai und den Steg und enterten an Deck der Schebecke. Der Rückzug ging lautlos und ohne Aufsehen vor sich. Aber Don Juan, der ruhelos um sich blickte, mußte erkennen, daß die Probleme noch lange nicht gelöst waren.

„Wie üblich“, sagte er leise wie im Selbstgespräch, „die Kapitäne tafeln, und dann sind ihre Kerle nicht schneller als Schnecken.“

Vom Castillo marschierte eine kleine Schar bewaffneter Spanier in Richtung auf den Hafen. Es würde vielleicht eine halbe Stunde dauern, bis sie auf der Plaza Mayor oder im Fischerviertel El Berbés anlangten.

Noch immer feilschten die Männer der Galeonen mit den Händlern, aber mittlerweile schienen alle Fässer wieder gefüllt und an Deck zu sein. Don Juan sah die letzten Gespanne, die leer aus der Hafengasse fuhren. Es roch verlockend nach Sardinen, Krabben und Muscheln, die auf den Rosten der Tabernas lagen.

Don Juan schluckte. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Er sah viele spanische Seeleute, die vor den Eingängen der Schenken standen und Becher in den Händen hielten. Immer wieder schleppten andere Spanier Proviant an Bord der Galeonen.

Schließlich befanden sich nur noch Don Juan, der Big Old Shane und Carberry außerhalb des Schiffes.

„Das dauert noch Stunden, bis die Dons dort drüben ihre Kähne klar haben“, meinte Carberry. „Sollen wir sie etwas aufmuntern?“

„Das schaffen wir nicht. Hoffentlich kehrt Hasard bald mit den anderen Kapitänen zurück“, sagte Big Old Shane. „Mir hängt dieses Spanierspielen zum Halse heraus.“

Er grinste Don Juan an und zuckte mit den Schultern.

Vom Kirchturm ertönten Glockenschläge. Zwei Stunden vor Mittag, zählte Don Juan. Die klamme Kälte war geblieben, ebenso der Wind und die schweren Wolken. Der Lärm der Ladevorgänge hallte von den vielen Hausfronten wider. Im kabbeligen Wasser zerrten alle Schiffe an ihren Vertäuungen.

Die bewaffneten Wächter wanderten, ohne irgendwo einzugreifen, im Hafengelände herum und unterhielten sich mit den Seeleuten. Am Rand der Kaianlagen stapelten sich leere und volle Behälter. Überall waren spanische Seeleute zu sehen, die sich gierig mit Essen vollstopften.

Der Lärm von vielen Gesprächen, Gelächter, gebrüllte Befehle und das Klirren von Flaschen und Bechern aus den offenen Türen erfüllte die gesamte Hafengegend. Er war lauter als die Glocke im Kirchturm.

„Wo bleibt Hasard? Es wird langsam brenzlig“, fragte sich Don Juan laut. „Und ich kann der ‚Salvador‘ nicht befehlen, augenblicklich die Leinen loszuwerfen und auszulaufen.“

„Die sind ohnehin lange noch nicht klar“, erwiderte Big Old Shane.

Die drei Seewölfe waren unschlüssig. Auf keinen Fall würde die Crew dem Abgesandten der Inquisition das Betreten der Schebecke gestatten. Don Juan ließ offene Ungeduld erkennen. Die Männer, die eben noch an den Geschützen des Castillo hantiert hatten, waren jetzt verschwunden. Auf den landeinwärts gelegenen Teil der Stadt prasselte ein kurzer Regenguß nieder. Es blieb trübe, ebenso wie die Stimmung der drei Seewölfe am Kai.

Das Essen und die Getränke, die Don Jaime La Roda aufgefahren hatte, waren der sichere Beweis dafür, daß er gut zu leben verstand. Er schien ein angenehmer Mann zu sein, der seine Arbeit mit möglichst wenig Aufwand betrieb. Die Kapitäne und die beiden Arwenacks waren satt, aber keineswegs zufrieden. Diesmal verständigten sich Ben Brighton und der Seewolf durch ein kurzes Nicken. Hasard stand auf und nahm den Becher hoch.

„Don Jaime“, sagte er feierlich, „wir alle bedanken uns für das köstliche Essen. Die heiteren Reden bei Tisch haben uns die Zeit vergessen lassen. Entschuldigen Sie uns. Wir müssen zurück, die Pflicht ruft. Die geheime Order, der wir folgen, duldet keinen Aufschub.“

Don Ricardo von der „Salvador“ betrachtete den Tisch, als wäre er noch längst nicht satt. Dann stand auch er zögernd auf.

Don Jaime schwenkte das Glas und rief durch den großen Raum: „Ich begleite Sie, Señores! Die tapferen Seeleute unserer Majestät sollen Vigo in guter Erinnerung behalten.“

„Schon jetzt spricht jeder begeistert von der Gastfreundschaft Vigos und seines Statthalters“, erklärte Ben Brighton ruhig. „Ich trinke auf Ihr besonderes Wohl, Don Jaime.“

Der Lärm in den engen Gassen, der durch die Fenster in den überheizten Raum drang, schien zu beweisen, daß der Proviant für die Schiffe angeliefert und an Deck gebracht wurde. Hasard war es ebenso wie Ben Brighton gelungen, bis jetzt die nagende Unruhe zu unterdrücken und so zu tun, als würden sie jede Minute im Kreis der Spanier genießen. Er war ziemlich sicher, daß die Seewölfe die Schebecke inzwischen einwandfrei verproviantiert hatten.

Diener rissen die Tür auf. Das Kaminfeuer prasselte laut, aus dem Holz schlugen große Flammen. Ein Windstoß drückte den Rauch durch den Kamin zurück.

Hasard und Ben schnallten ihre Waffen und Pistolengurte um. Sie warteten, bis die anderen soweit waren. Dann verließen sie den überhitzten Raum, eilten die Stufen hinunter und traten aufatmend ins Freie.

Hasard sagte drängend: „Zum Schiff. Schnell!“

Roger Brighton tauchte zwischen zwei Häusern auf, lief auf den großen Platz und sah die beiden, ehe er unter den ersten Regentropfen unter einer Arkade Schutz suchte. Er winkte hastig. Die Seewölfe eilten ebenfalls zu der Arkade.

„Mein Bruder sieht aus, als habe er uns etwas über Schwierigkeiten zu erzählen“, flüsterte Ben. „Das kann nur bedeuten …“

Draußen schüttete der Regen herunter. Die Spanier vor den Häusern rannten in den Schutz von Vordächern und Arkaden.

Roger Brighton hob kurz die Hand und sagte leise, aber in scharfem Tonfall: „Don Juan meint, wir kriegen Ärger mit einem Mönch von der Inquisition.“ Und dann fügte er hinzu: „An Bord alles klar, Sir. Die Proviantlasten sind voll. Gutes Zeug, kein verdammter Fisch.“

Hasard nickte ihm zu. Nebeneinander marschierten sie im Schutz der Gewölbe auf jene Gasse zu, die vom Platz zum Hafen führte.

„Inquisition? Ein Mönch?“ fragte Hasard verblüfft.

„Der neben der Schebecke ins Hafenwasser klatschte, und zwar genau dort, wo es am dreckigsten ist.“

„Wenigstens eine gute Nachricht“, meinte Ben Brighton leichthin.

Sie warteten einige Atemzüge lang, bis der Regen nachließ. Dann fragte Hasard: „Was ist so wichtig an diesem einzelnen Mönch?“

„Die Inquisition durchsucht alle Schiffe nach verbotenen Büchern. Er sagt, daß wir ablegen müssen, sobald er wieder auftaucht. Außerdem trödeln die Spanier herum.“

Hasard nickte und versicherte grimmig: „Das wird ihnen gleich vergehen, Freunde.“

„Hoffen wir’s.“

Die Seeleute der spanischen Schiffe drängten sich in den Schenken. Die Seewölfe versuchten im Vorbeilaufen, die Menge zu zählen. Es waren vermutlich mehr als nur etliche Dutzend.

Hasard fluchte innerlich. Die Kapitäne würden erstens ihre liebe Not haben, und zweitens dauerte es noch länger. Ihm brannte die Zeit auf den Nägeln. Er dachte an Jean Ribault und Arne von Manteuffel. Der andere Teil des Konvois wartete auf den Proviant – eine zusätzliche Schwierigkeit.

Genau in dem Augenblick, als die vier Arwenacks die letzten flachen Steinstufen hinunterstiegen und sich vor ihnen der Hafen ausbreitete, hörte der Regen auf. Die Wolken rissen auseinander. Ein schräges Band greller Sonnenstrahlen traf die Stadt und einen Teil des Hafens.

Als Hasard sein Schiff sah, atmete er beruhigt auf.

Don Juan stand zusammen mit dem Profos und Big Old Shane neben dem Heck der Schebecke auf dem Steg. Er winkte erleichtert.

„Hast du dem Gouverneur gesagt, wohin unser Konvoi segelt?“ fragte er, als Hasard neben ihm stand. An Deck herrschte Ordnung. Die Crew stand bereit, mit Hilfe der Riemen abzulegen und das Schiff in die freie Ausfahrt zu pullen.

„Ja. Angeblich ist unser nächster Zielhafen der von Santander. Mehr weiß er nicht. Don Ricardo und seine Señores waren einigermaßen verwundert. Aber sie schwiegen eisern.“

„Kein Wunder. Ist ja eine geheime Order. Unseren braven Schatzgaleonen-Offizieren gefällt es in Vigo.“

„Mir auch“, knurrte Old Shane. „Auch ohne das Bier mit Don Juan.“

Hasard wendete sich an seinen Ersten und sprach leise auf ihn ein. In Spanisch, weil die Kapitäne der „Honestidad“ und der „Concordia“ zu nahe gelangt waren.

„Du hast das Kommando. Wenn ich ein Zeichen gebe, legt ihr ab und verlaßt den Hafen. Alles klar, Señor?“

„Si, Capitán“, schnarrte der Erste. „Wie nicht anders gewohnt, sind unsere Männer wieder einmal die schnellsten gewesen. Die anderen sollten sich ein Beispiel nehmen.“

„Genau!“ dröhnte der Profos.

Die Arwenacks enterten über die Planke an Deck, warfen sie auf den Steg und warteten. Der Wind wirbelte die Wolken über das Land und schob sie zusammen. Die Sonne verschwand. Die graue, feuchte Stimmung breitete sich wieder über Vigo und der Ria aus. Das Inselchen San Simon verschwand vor der Einfahrt in einem dunkelgrauen Dunststreifen.

Mit einem Dutzend schneller Schritte war Hasard bei Kapitän Don Ricardo. Er warf den Offizieren Salcho und de Murcia auffordernde Blicke zu und sagte herablassend: „Darf ich daran erinnern, daß Ihre Schiffe schon viel zu lange hier liegen? Denkt keiner an die ‚Reputación‘ und die Männer, die auf hoher See hungern? Holen Sie Ihre halb betrunkenen Kerle aus den Tavernen, Capitán. Sofort!“

Don Ricardo schüttelte irritiert den Kopf.

„Warum diese Eile? Jeder von uns hat ein paar ruhige Stunden verdient.“

Seine Antwort klang nicht nur verärgert. Der Tonfall Hasards störte ihn erheblich. Hasard deutete auf die Stapel der Ladung, die langsam und lustlos an Deck gehievt wurden. Wenigstens schienen alle Fässer schon gefüllt und verstaut zu sein.

„Wir hatten ein paar schöne Stunden“, sagte er noch lauter und drängender. „Sie sind inzwischen vorbei. Die anderen warten schon viel zu lange.“

Der Gouverneur tauchte zwischen nassen Hauswänden auf. Aus einer anderen Gasse erschienen die Wachen oder Soldaten, die sich bisher im Castillo aufgehalten hatten.

Hasard drehte sich herum und schrie Befehle.

„Packt an! Hievt das Zeug an Bord! Laßt eure Kameraden nicht hungern!“

Jetzt begriffen auch die anderen Kapitäne und Offiziere, daß ihr Aufenthalt ein Ende gefunden hatte.

„Los, schneller!“ rief Hasard. „König Philipp wartet nicht gern, bloß weil ihr Kerls euch besaufen müßt!“

Nur langsam geriet mehr Bewegung in die Männer. Die Kapitäne stiefelten in würdevollen Schritten zu ihren Schiffen, gefolgt von den Offizieren. Dann besannen sie sich und gaben ihrerseits einigermaßen klare Befehle.

Die Offiziere liefen auseinander und steuerten die Eingänge der Schenken an.

„Na endlich“, brummte Hasard.

Er ging auf den Gouverneur zu und erklärte: „Wenn Sie auch noch Ihren Leuten befehlen, uns zu helfen, dann sind wir in einer Stunde aus dem Hafen, Señor de Roda.“

„Selbstverständlich, mein lieber de Vilches“, entgegnete der Kleine leutselig. „Männer, wenn ihr schon gut verdient, dann helft den wackeren Seeleuten.“

Widerwillig gehorchten die Kerle.

Hasard sah sich das Treiben einige Minuten lang an. Die ersten Seeleute verließen die Schenken. Einige hatten verschleierte Klüsen und schwankten verdächtig, aber sie gehorchten den Befehlen der Offiziere. Einer nach dem anderen gelangte auf irgendeine Art an Bord, oft packten die Kameraden mit an und zerrten ihn über das Schanzkleid. Wenn es Hasard schaffte, daß die „Salvador“ als erste ablegte, war schon vieles gewonnen.

Ein Blick zur Schebecke: dort standen eineinhalb Dutzend Seewölfe an Deck und signalisierten, daß sie jedem Zwischenfall gewachsen sein würden. Die meisten Männer waren bewaffnet, und als Hasard den dünnen Rauch aus El Conroys Lampe sah, an der er oft seine Lunten zu entzünden pflegte, stieg seine Beruhigung.

„Dankenswerterweise hat uns der königliche Zoll nicht belästigt“, meinte er zum Gouverneur. „Man würde auch auf unseren Schiffen nichts finden. Alle Kisten sind frei von Konterbande. Es muß geheim bleiben, daß wir Santander anlaufen. Haben wir uns verstanden?“

Don Jaime grinste und rieb seine rote Knollennase.

„Selbstverständlich. Ich werde vergessen, daß Sie alle jemals hier waren.“

Er lachte Hasard strahlend an. Seine gute Laune war selbst durch die kalten Stöße des Windes nicht zu beeinträchtigen, der die Hänge hinunterstrich und das Hafenwasser aufwühlte.

Vor dem Heck der „Salvador“ blieb Hasard stehen und hob die Hände an den Mund.

„Fertig zum Ablegen, Kapitän?“ rief er zur Kampanje hinauf.

Noch schaukelten einige Säcke und schwere Körbe an den Tauen. Blöcke kreischten, und einige Männer enterten in die Wanten.

„Wir sind in einer halben Stunde klar, Don Julio.“

Bei diesem Wind würde es alles andere als einfach sein, die Galeonen gut vom Kai abzubringen. Hasard zählte die Fischerboote, griff in den Gurt und zog ein paar Silberreales heraus.

„Sicherlich ist Ihr Einfluß auf die wackeren Fischer groß, Don Jaime?“ erkundigte er sich. Die Geldstücke in seiner Hand klirrten verheißungsvoll. Ein Trupp Spanier mit offenen Jacken und stark nach Wein riechend tappte an ihnen vorbei und verholte sich zur „Honestidad“. Die Stapel am Kai wurden deutlich kleiner.

„Sie gehorchen mir aufs Wort“, tönte der Gouverneur. „Wollen Sie frischen Fisch kaufen?“

„Wir haben Fisch satt. Nein“, erwiderte Hasard. „Ein Fischerboot soll die Leinen übernehmen und die Galeonen ins Fahrwasser schleppen.“

Der Gouverneur winkte einen Boten heran, sprach mit ihm, und Hasard ließ die Münzen in dessen Hand klingeln.

„Starke Kerle“, sagte er. „Und ein Boot mit einem Dutzend Rudergasten. Die Galeonen sind höllisch schwer beladen. Der König, seine Majestät und Graf Lerma, sie haben uns nicht nur große, sondern schwere Verantwortung aufgebürdet.“

Er blinzelte den Gouverneur an. Der Zwerg reckte sich stolz. Er war sicher, nicht nur Zeuge, sondern auch Beteiligter an einem staatswichtigen Unternehmen zu sein.

„Das ist leicht zu schaffen“, versprach er begeistert. „Sehen Sie nur. Schon gehen die Fischer aufs Boot.“

Inzwischen kriegten die Geitaue der „Salvator“ Lose. Seeleute rutschten über die Rahen. Die Festmacher wurden gelockert. Der Umstand, daß die „Salvador“, das Flaggschiff des Konvois, zum Auslaufen bereit war, trieb die Decks- und Segelmannschaften der anderen Galeonen zu größerer Eile an.

Hasard ging das alles noch immer viel zu langsam. Als er den Kopf drehte, sah er zwei unterschiedliche Vorgänge.

Jeder davon erschreckte ihn. Wieder stieg seine Unruhe.

Inmitten von etwa zwanzig bewaffneten Wachen in den königlichen Kleidungsstücken, mit Degen und Pistolen ausgerüstet, schritten der Stadtgeistliche und der Mönch auf die Schebecke zu.

Während in blitzschnellen Manövern die Schebecke ablegte und die langen Riemen stehend von Deck aus eingesetzt wurden, während man die Festmacher an Bord holte, schwang sich Don Juan de Alcazar mit einem weiten Satz auf den Steg.

Schon befanden sich drei Fußbreit Wasser zwischen Steuerbordplanken und Steg. Die Schebecke legte ab.

Auch Vigo war mehrmals von englischen Piraten heimgesucht worden. Gleichermaßen, so hatte Don Jaime La Roda erzählt, suchten Schiffe von den fernen Inseln des seltsamen Landes America bisweilen diesen Hafen auf. Die Straßen bis zur ehemaligen Grenze Portugals und in den Norden waren gut. Aus diesen und anderen Gründen unterhielt Vigo eine kleine Garnison, deren Kanonen jedoch noch keine heldenhaften Gefechte hinter sich hatten.

Aber es gingen Ängste um an Spaniens Küsten, und nicht nur vor den Engländern. Man munkelte, daß Spione an Land setzten und versuchten, die Stärke der Schiffe und deren Anzahl zu melden, und wären es nur angeworbene Söldner, die mit den Wassergeusen in Verbindung standen.

Für jeden Spion waren sechs schwerbeladene Schiffe in geheimem Auftrag, die ausgerechnet Vigo anliefen, eine Herausforderung.

Darüber hinaus waren alle Seeleute gottlos und eine Schande für die Kirche – etwa diese Gedanken wirbelten durch den Kopf des Hernando Ferrer, des einunddreißigjährigen Priesters der Inquisition.

Er bildete sich viel auf seinen scharfen Blick ein, geschult in den Bibliotheken, in deren Büchern man viel zwischen den Zeilen lesen konnte. Das Schiff voller Spanier, die helle Augen und Langschädel hatten, war sein erklärtes Ziel. Irgend etwas stimmte nicht.

Was es war, konnte er sich nicht vorstellen. Aber sein geschliffener Verstand arbeitete mit der Intuition eines Mannes, der Abweichler vom Glauben jagte und ein scharfes Auge für ein seltsames Benehmen hatte.

Er hatte hartes Brot gegessen, den Wein mit Wasser verdünnt und in stillem Nachdenken gewartet, bis er nicht mehr vor Kälte schlotterte und sich in die zweite, trockene Kutte hüllen konnte. Dann suchte er den Pfarrer auf und zielte mit seinem langen Zeigefinger auf dessen Brust.

„Bruder im Amt“, sagte er kühl und selbstsicher, „jetzt mußt du mir helfen.“

Don Ginestra nickte schweigend.

„Ich hörte fremdländische Worte auf dem Schiff. Wenn ich nicht irre …“

„… und du hast noch nie geirrt, Bruder“, unterbrach der Geistliche.

Hernando nickte kurz und legte die Fingerspitzen beider Hände gegeneinander. Er sprach weiter: „Wenn ich nicht irre, dann hörte ich das verabscheuungswürdige Idiom der Engländer. Und überdies: wer hätte in unserer stolzen Flotte jemals ein solches Schiff gesehen? Piraten im Mittelmeer benutzen es, aber nicht wir, die Spanier.“

„Was kann ich tun, um aus Verdacht Gewißheit werden zu lassen?“ erkundigte sich Don Ginestra.

„Ich muß dieses Schiff durchsuchen. Ich weiß, daß unheilige Dinge dort versteckt sind. Ich habe diese Männer gesehen und gehört. Sie sind verabscheuungswürdige Schauspieler.“

„Beweise, Bruder?“ fragte Don Ginestra.

„Ich bringe sie, wenn ich das seltsame Schiff und seine Leute genau untersucht habe“, versicherte der Mönch. „Schicke einen Boten zum Castillo, Bruder.“

„Du brauchst Soldaten?“

„Die Macht des Gesetzes“, sagte Hernando und hob den Finger. „Sie lassen mich nicht an Bord, da es angeblich ein spanisches Schiff ist. Also muß ich den Zutritt erzwingen.“

Don Ginestra seufzte und klingelte dem Pfarrdiener. Er erteilte ihm den Auftrag, so schnell wie möglich den Hauptmann der Schloßwache aufzusuchen. Hernando Ferrer würde sich mit den Bewaffneten vor dem Schiff treffen.

„Es eilt!“ rief Don Ginestra dem Diener hinterher. „Trödle nicht wieder herum.“

Bisher war die Provinz Pontevedra, in der Vigo lag, von größeren Schicksalsschlägen durch Piraten und fremde Schiffe verschont geblieben. Und so sollte es nach Meinung des Gouverneurs, der Handelsherren und der Granden auch bleiben. Daß man keine eigenen Schiffe einsetzen konnte, um an der Küste einen Wachdienst auszurüsten, lag daran, daß die Staatskassen leer waren wie ein Flußtal im Hochsommer.

„Ich halte es für bedenklich“, fing der Geistliche wieder an, als er sich in seinen Mantel gewickelt und die Kopfbedeckung aufgesetzt hatte, „den Kapitän zu ärgern, der von der allerhöchsten Majestät einen geheimen Auftrag erhielt und ihn erfüllen muß. Fürchtest du nicht, Bruder, daß dein Vorgehen vielleicht ein Ärgernis bei Hofe hervorruft?“

„Die heilige Inquisition steht über dem weltlichen Gesetz“, sagte Hernando in einem Tonfall, der jeden Widerspruch ausschloß. Er folgte dem Geistlichen zur Tür.

„Sehen wir also nach“, murmelte Don Ginestra schicksalsergeben und voller Unwillen, „was die Inquisition auf diesem spanischen Schiff findet, das angeblich kein Spanier ist und von den Abgesandten des Bösen bemannt ist.“

Es hatte zu regnen aufgehört. Während Hernando Ferrer mit aufgeregten Schritten über das nasse Pflaster eilte, folgte ihm der ältere Geistliche ohne Eile. Er ahnte, daß es sich nicht so verhielt, wie sich das der übereifrige Vertreter des wahren Glaubens in seinem ausschließlichen Eifer vorstellte.

Seewölfe Paket 33

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