Читать книгу Seewölfe Paket 33 - Fred McMason - Страница 39

6.

Оглавление

Als das Heck der „Concordia“ die Schebecke passierte, beugte sich Hasard über das Schanzkleid und rief zu Ben und seinen Mannen hinunter: „Ihr bleibt in unserem Kielwasser, bis wir bei den Inseln sind. Wir kommen an Bord, so bald es geht. Klar?“

„Verstanden, Capitán.“ Der Erste winkte vom Grätingsdeck.

Auf der Schebecke wurden die Segel gesetzt. Don Juan und Hasard drehten sich um und sahen die Personen im Hafen kleiner werden, sahen die Häuser vorbeiziehen und schließlich das Castillo zurückbleiben. Gleichzeitig atmeten sie tief durch.

Der Mönch gestikulierte noch immer wie wild herum, er schien sich jetzt mit dem Gouverneur zu streiten. In einer langen Linie segelten die Galeonen, und hinter ihnen die Schebecke. Nicht ein Schuß war gefallen, und es gab genug Proviant.

„Das war’s, Juan“, flüsterte Hasard. „Wieder einmal haben wir den Dons die lange Nase gezeigt. Irgendwann werden sie erfahren, welche Schiffe sie wirklich verproviantiert haben.“

„Wir sollten es ihnen sagen“, meinte Don Juan. „Vielleicht, wenn wir in Santander sind, eh?“

Sie lachten und sahen zu, wie auf den Galeonen sämtliche Segel getrimmt wurden. Auch die Dreieckssegel der Schebecke entfalteten sich. Überall arbeiteten die Seeleute. An Deck standen oder lagen, sorgfältig festgezurrt, die gefüllten Wasserfässer. Einige Minuten lang genossen Don Juan und der Seewolf die Ruhe und ihren Erfolg. Die Übergabe des Proviants würde sie auf hoher See noch einige Stunden aufhalten, aber dann stand nichts mehr der Reise nach England im Weg.

Die „Salvador“ erreichte die Sperre der Inselchen vor der Ria und rammte ihren Bug in die anrollenden Atlantikwellen. Ein Fischerboot wurde an Backbord in die Richtung des Hafens gepullt. Die Fischer winkten und riefen unverständliche Worte zu den Spaniern hinauf.

„Was wollen sie uns sagen?“ fragte der Seewolf, ging zum Backbordschanzkleid und beobachtete das sich nähernde Boot. Die Fischer wirkten sehr aufgeregt.

Jetzt verstand Hasard, wenn auch nur undeutlich, was die Fischer aus Vigo schrien.

„Eine Galeone! Voller Geschütze! Eine spanische Kriegsgaleone!“

„Das hat uns gerade noch gefehlt“, flüsterte Hasard und fühlte eine kalte Schwäche in den Knien. Auch Don Juan hatte die Worte verstanden und schaute ihm in die Augen.

„Zur Schebecke“, stieß er hervor.

„Sofort.“

Sie waren mit ein paar Sätzen wieder am Steuerbordschanzkleid. Die Schebecke segelte eineinhalb Kabellängen hinter ihnen. Sie hielt sich weiterhin an Steuerbord des Fahrwassers.

Dan O’Flynn stand auf der Back und blickte zur Heckgalerie der Galeone hinauf.

„Señor Danilo!“ schrie Hasard. „Segelt heran! Näher! Wir müssen an Bord!“

„Verstanden, Capitán!“

Hasard und Don Juan packten zwei Taue und lösten die Belegknoten. Der Erste trat auf sie zu und verstand, was sie vorhatten.

Hasard schüttelte seine Hand und rief: „Muchas gracias! Adios!“

Die Schebecke schob sich Fuß um Fuß näher. Ihr Bugspriet tanzte langsam auf und ab, Dan und Philip junior bereiteten sich darauf vor, die Tauenden aufzunehmen. Noch waren die Bordwände mehr als fünfzehn Fuß voneinander entfernt. Hasard und Don Juan hielten sich mit beiden Händen am Tau fest und schwangen sich auf den Handlauf des Schanzkleides. Sie warteten ungeduldig und sahen von ihrem schwankenden Standort, daß das Fischerboot weit hinter der Schebecke weiterpullte. „Los. Wir entern auf die Back ab.“

„In Ordnung, Ha… Capitán.“

Hasard winkte. Der Rudergänger legte das Ruder hart nach Backbord, und der Bug der Schebecke glitt, auf und nieder schwankend, auf die Höhe der Rüsten des Besanmastes.

„Abentern.“

Sie schwangen sich nach außenbords, stemmten ihre Sohlen gegen die Planken, hangelten sich am Tau abwärts und landeten nach einem pendelnden Sprung auf der Back. Sie schleuderten die Enden des Taues zum Schiff hinauf und sprangen auf die Kuhl.

„Da kommt eine spanische Kriegsgaleone durch die Ria“, sagte Hasard drängend. „Es kann sein, daß sie nur Wasser braucht oder auf Besuch einläuft oder sonstwas. Aber wir wissen es nicht. Vielleicht suchen sie uns.“

„Dann würden wir jetzt schon etwas davon bemerken“, erklärte Dan O’Flynn. „Wir sehen sie jedenfalls nicht.“

Die lange Reihe der Galeonen, die an Steuerbord des Fahrwassers nach Südwesten segelten, verdeckte die Aussicht auf die Kimm und die Inseln. Von der Schebecke und dem letzten Schiff aus konnte man nur die beiden Ufer erkennen, die sich öffneten wie auseinandergespreizte Finger. Der Wind wehte mit der bisherigen Stärke, und noch immer trieben Wolken vom Land seewärts.

Al Conroy schob sich am Schanzkleid näher und sagte kurz: „Alles bereit, Sir. Soll ich ausrennen lassen?“

„Nein. Warte. Wahrscheinlich ist das eine harmlose Begegnung. Woher sollte jemand wissen, daß wir in Vigo Proviant aufgenommen haben?“

„Wir wissen nicht, was auf See, bei dem Konvoi, geschehen ist.“

Hasard nickte Ben zu. Ihm war derselbe Gedanke eingefallen.

„Wissen wir nicht, stimmt. Gleich wissen wir es.“

Zwischen den Galeonen öffnete sich jetzt, als die „Salvador“ und die „Honestidad“ nach Steuerbord segelten, größere Abstände. Die Inselchen und das südliche Kap waren zu sehen. Zwischen der „Patricia“ und der „Santa Helena“ zeichnete sich deutlich eine dreimastige Galeone ab, ein mittelgroßes Schiff, reichlich mitgenommen von Wind, Wetter und Wasser. Mindestens zwei Dutzend Culverinen reckten ihre Rohre durch die weit geöffneten Stückpforten. Wimpel und Flaggen bewiesen, daß es ein spanisches Schiff war.

Längst hatten Ben, Dan und Hasard die Spektive hochgenommen und musterten das Schiff.

An Deck und auch hinter den Geschützen bewegten sich, ohne Aufregung, spanischen Seesoldaten. Sie schienen nicht in Gefechtsbereitschaft zu sein.

„Harmlos – bis jetzt“, sagte Hasard.

Die Seeleute aller Schiffe winkten der einlaufenden Galeone freundlich zu. Die Spanier auf dem Kriegsschiff winkten zurück und riefen Scherzworte und Fragen. Hasard ließ entspannt seine Schultern nach vorn sinken.

„Jedenfalls jagen sie nicht uns“, meinte Ben Brighton.

Dan O’Flynn hob die Hand und sagte: „Sie werden in Vigo anlegen. Dann sucht sie dieser fanatische Mönch auf und beschwört sie, uns zu verfolgen. Früher oder später segeln sie hinter uns her.“

Hasard nickte nach einigen Atemzügen und antwortete: „Damit kannst du, leider, verdammt recht haben. Damit müssen wir rechnen. Aber erst mal sind wir in Sicherheit. Mag sein, daß die ‚Aragon‘ auch unseren Konvoi getroffen hat.“

Die großen Lettern waren nur durch die Linsen der Kieker zu lesen gewesen. Die „Aragon“ passierte den felsigen Vorsprung zwischen den Stränden und entfernte sich in Richtung des trichterförmig zulaufenden Buchtendes. Von Vigos Häusern waren jetzt nur noch die Rauchsäulen, der Kirchturm und das Castillo zu sehen.

„Sehr viel würden sie dann aber nicht erfahren haben“, sagte Ben Brighton.

„Also, meine Freunde“, erklärte der Seewolf und grinste breit. „Unser Trick ist gelungen. Wir haben, was wir brauchten, und bis Irland wird der Proviant jetzt für alle reichen. Wenn wir auf See auch noch die anderen Schiffe versorgt haben, ist der Weg zunächst frei.“

„Der Konvoi segelte weiter“, bemerkte Ben Brighton. „Als wäre nichts geschehen.“

„So ungefähr stelle ich es mir vor“, sagte Hasard und nickte. „Wir müssen nur darauf achten, daß uns die ‚Aragon‘ nicht einen dicken Strich durch unsere feine Rechnung zieht.“

„Wenn sie es nicht ist, dann sind es andere Schiffe. Zwischen Vigo und England kann noch verdammt viel passieren“, sagte Dan O’Flynn.

Die Schiffe hatten den freien Atlantik erreicht. Es änderte sich außer der Höhe der Wellen nichts. Die beiden kleinen Kaps der Einfahrt wurden kleiner, die Kimm war leer. Mit der „Salvador“ an der Spitze und der Schebecke in Luv bildeten die Galeonen eine nicht sehr auseinandergezogene Linie. Der Kurs war vorgegeben: klar Nord.

Hasard ging unter Deck und legte sich für ein paar Stunden in seine Koje. Er war weit davon entfernt, dem Frieden und der Ruhe zu trauen. Er ahnte künftige Schwierigkeiten und hoffte, daß sie klein waren und er und seine Freunde sie besiegen konnten.

An Steuerbord versanken die Küstenlinien von Muros, Cabo Finisterre und Corcubien hinter der Kimm. Der kräftige Wind, der hin und wieder noch mehr aufbriste, trieb das halbe Dutzend schwer beladener Schiffe schnell nach Norden. Noch vor der Abenddämmerung näherten sich die Schebecke und die Galeonen dem kleinen Verband.

Die Galeonen im Gefolge der „Salvador“ holten schnell auf. Das Flaggschiff versuchte, an der „Santos los Reyes Mayos“ längsseits heranzusegeln. Die „Honestidad“ näherte sich der „Reputación“. Von der Schebecke wurden Signale an die „Wappen“ und an die „Isabella“ gegeben. Die langen Dünungswellen des Atlantiks ließen die Schiffe ihre Manöver meist einwandfrei ausführen.

Vor der Dämmerung legte sich der Starkwind vorübergehend. Das Umladen der Wasserfässer war der schwierigere Teil der Arbeit, denn die Säcke, Ballen, Körbe und Kisten pendelten am Geschirr der Rahen weit von Bord zu Bord.

Hasard beendete sein Essen und sagte, satt und zufrieden: „Es hat sich also auch für uns gelohnt, ein paar Nahrungsmittel zu kaufen. Gut gekocht, Kutscher.“

Don Juan starrte in seinen leeren Becher und hielt ihn wortlos in die Richtung Mac Pellews.

„Dieser irre Mönch geht mir nicht aus dem Sinn“, sagte der Spanier. „Ich bin sicher, daß er sich für die Demütigung rächen wird.“

„Was kann er tun, Dad?“ fragte Hasard junior. „Die Galeone, nicht wahr?“

„Natürlich, nichts anderes. Er wird ihnen erzählen, daß sich Spione der Engländer oder was weiß ich auf unserem Schiff verstecken“, brummte Ben Brighton. „Außerdem gibt’s reitende Boten.“

Ed Carberry hob die breiten Schultern.

„Ob uns die Affenärsche die Landung in Santander glauben?“ fragte er in die Runde.

„Wer weiß?“ antwortete der Seewolf. „Ich denke, er glaubt es uns. Schon jetzt sind Boten nach Santander unterwegs, das wette ich.“

Seltsamerweise hatte sich das Mißtrauen des Inquisitionsmönches nur auf die Schebecke gerichtet. An den fünf Galeonen schien er nichts Bemerkenswertes gefunden zu haben. Jetzt hatten sie genügend Zeit und Ruhe, über die vergangenen Stunden seit der Morgendämmerung nachzudenken.

Vor der Inquisition hatten die Spanier, jung und alt, eine furchtbare Angst, denn jede unbedachte Äußerung, jede Kleinigkeit konnte als Abfall vom wahren Glauben gelten, wenn es jemanden gab, der die Frau oder den Mann anzeigte. Dadurch erhielt selbst ein einfacher Mönch eine Macht, die gemessen an seinem Rang, immens war.

Daß jedes spanische Schiff ein englisches jagen würde, das so frech gewesen war, in Vigos Hafen einzulaufen, das war allen Seewölfen klar.

Auf ihrer Insel hätten die Schiffe der königlichen Flotte nicht anders handeln können.

„Vergessen wir Santander“, meinte Dan O’Flynn nach einer Weile. „Erstens liegt es weit im Osten, zweitens braucht der Bote dorthin eine längere Zeit, und drittens sind wir bei diesem herrlichen Wind längst querab von Brest, wenn sich ein Schiff aus Santander mit halbem Wind herausgekämpft haben sollte. Von einer Flotte in Santander droht uns keine Gefahr.“

„Also vergessen wir Santander“, sagte Philip junior.

„Aber nicht die Kriegsgaleone. Ich wette, der Kerl sitzt schon in der Kapitänskammer und jammert dem Kapitän vor, welche Beute ihm entgeht. Ich sage dir, die sind hinter uns her, Söhnchen.“

Old Donegal klopfte auf sein Holzbein und hob immer wieder den Kopf über das Schanzkleid der Kuhl. Erst zwei Schiffe hatten das Lademanöver beendet. Offensichtlich ohne Ramming oder größere Schäden, denn die „Salvador“ segelte sich aus dem Pulk frei und folgte Arne von Manteuffels Schiff.

„Sollen sie ruhig antanzen“, sagte der Seewolf. „Eine einzelne Galeone fürchten wir nicht.“

„Aber wir sollten nicht glauben“, warnte Dan, „daß außer dieser Galeone, der ‚Aragon‘, kein anderes Schiff vor der Küste kreuzt. Und damit meine ich nicht die Fischerboote.“

„Glaube ich auch nicht“, erwiderte Hasard. „Wenn sie da sind, werden wir sie sehen.“

Die Freiwache leerte ihre Becher und verholte unter Deck. Pete Ballie zündete den Docht der Hecklaterne an. Die Schebecke legte leicht nach Steuerbord über, stampfte in den Wellen, und Wasser gischtete an Deck. Auch die Spanier hatten Lichter gesetzt und segelten vor der Kulisse dunkler Wolken nach Norden. Nicht ein einziges Mal hatte sich an diesem Nachmittag die Sonne blicken lassen.

Von der Back und vom Grätingsdeck aus suchten Hasard und Dan O’Flynn die Kimm ringsum ab.

Sie sahen die Galeonen in Kiellinie, die beiden anderen Schiffe, aber nirgendwo zeigten sich die Segel der Galeone oder anderer Fahrzeuge. Dan hatte ausgerechnet, daß der Schiffsverband querab von La Coruña segelte, wahrscheinlich bereits die Höhe von Cabo Ortegal erreicht hatte. An Steuerbord breitete sich das Mar Cantabrico aus, der Golf von Biscaya mit seinen gefürchteten Wetterumschwüngen.

Im letzten Dämmerlicht des Tages verschmolzen die treibenden Wolken mit der Fläche des Meeres. Nur die Schaumkronen leuchteten schwach durch die Dunkelheit, bildeten sich neu und vergingen wieder. Der Wind heulte durchs Rigg.

Die Seewölfe hockten, in ihre dicken Segeltuchjacken von Will Thorne gehüllt, im Windschatten. Der Bug der Schebecke hob sich, setzte mit einem vertrauten dumpfen Krachen wieder ein, und Jan Ranse an der Pinne stemmte sich gegen das geschwungene Holz.

Die Nacht, länger als zehn Stunden, fing an. Die pechschwarze Finsternis über dem Meer wurde nur von den winzigen Pünktchen der brennenden Hecklaternen unterbrochen.

Die Seewölfe träumten von der gewaltigen Aufregung, die sich ausbreiten würde, wenn sie endlich mit ihren unersetzlichen Schatzschiffen die Themse aufwärts segelten.

Philip Hasard Killigrew und Ben Brighton waren schon beim ersten Zwielicht der Morgendämmerung auf den Beinen.

Die ganze Nacht über hatte die Stärke des Windes angehalten. Alle Schiffe waren in den vergangenen Stunden sehr gute Fahrt gelaufen. Der Konvoi segelte noch immer in Kiellinie, und die drei Schiffe des Bundes der Korsaren eskortierten die Galeonen in Luv.

An der östlichen Kimm riß unterhalb der treibenden Wolken ein schmaler Streifen auf. Dort, wo sich in wenigen Augenblicken die ersten Sonnenstrahlen Bahn brechen würden, sollte eigentlich Land sichtbar sein. Aber auch durch die Spektive gab es nichts zu sehen. Weiter südlich verdeckte ein Regenschleier den Horizont.

Recht voraus, an der nördlichen Kimm, gab es weder Regen noch ein fremdes Segel. Langsam bewegten sich die Männer und versuchten, im zunehmenden Licht mehr zu sehen als Wolken und Wellen.

Nach einigen Atemzügen, als waagerecht die ersten Sonnenstrahlen über das endlose Wasser blitzten, rief Ben Brighton: „Sir! Im Süden. Segel!“

Die Bilder tanzten vor den Linsen. Der runde Ausschnitt huschte über die Schaumkronen. Dann sah auch Hasard, was Ben meinte.

Die Rahsegel einer Galeone und die Lateinersegel von drei Karavellen. Sie waren zu weit entfernt, als daß man sie genau erkennen konnte. Aber ohne Zweifel handelte es sich um vier Schiffe, die sich auf die Spur der Galeonen gesetzt hatten.

Hasard sagte: „Das muß die ‚Aragon‘ sein. Unterwegs hat sie die Karavellen getroffen. Vier gegen uns, Ben!“

Für die Schebecke, die „Wappen“ und die „Isabella“ würde es leicht sein, den Verfolgern auf und davon zu segeln. Aber seit dem Aufbruch in der Karibik standen die schnelleren Schiffe vor dem Problem, daß sie ihre Geschwindigkeit nicht ausnutzen konnten. Die alten, schwer beladenen und schwerfälligen Galeonen kamen auch dann, wenn sie jeden Fetzen Tuch setzten, nur weitaus langsamer als die Schebecke voran.

Das bedeutete, daß die Verfolger den Konvoi der neun übriggebliebenen Schatzgaleonen bald eingeholt haben würden.

„Vier Schiffe und ein wütender Mönch, Sir“, antwortete der Erste. „Wir kriegen Arbeit.“

„Erst einmal kriegen wir ein gutes Frühstück vom Kutscher und Mac“, erwiderte der Seewolf und schob, nachdem er die Verfolger noch einmal sehr genau betrachtet hatte, das Spektiv in die Tasche.

Blacky, der jetzt am Ruder stand, sagte grinsend: „Verspricht, ein heißer Tag zu werden, Sir.“

„Warten wir’s ab. Vielleicht hilft uns die ‚Isabella‘ ein bißchen.“

„Das will ich meinen, Sir“, sagte Blacky. „Dieser Mönch, wie? Läßt nicht locker.“

Der Spalt zwischen der Kimm und dem unteren Rand der Wolken vergrößerte sich und verbreitete sich nach Norden und Süden. Der Rand des Tagesgestirns erschien. Sonnenlicht strahlte in den Segeln auf, und die Rümpfe der Schiffe färbten sich hellbraun und goldfarben. Auch die Segel der Verfolger wurden deutlicher.

„Eigentlich war es nicht anders zu erwarten, Blacky“, entgegnete der Seewolf zuversichtlich. „Wir haben schon ganz andere Verfolger abgeschüttelt.“

„So oder so“, meinte Blacky und schaute zu den Culverinen.

Hasard wandte sich an seinen Ersten, deutete mit dem Daumen knapp über die Schulter und sagte: „Die Galeonen sollen ruhig weitersegeln und zusehen, wie wir mit den Verfolgern fertig werden. Die ‚Isabella‘ ist näher, sprechen wir mit Jean Ribault. Drei Strich abfallen, Blacky.“

„Aye, aye, Sir.“

Von der Kochstelle her verbreitete sich dünner Rauch und der Geruch des frischen Tees. Die morgendliche Kälte saß in allen Knochen. Der Wind blieb kalt, aber die Feuchtigkeit schien geringer geworden zu sein. Die Sonne blendete von Osten, vor ihr zeichnete sich die Kette der Schiffe als schwarze Punkte mit halb durchsichtigen, leuchtenden Segeln ab.

Die Schebecke schob sich querab des vorletzten Schiffes an Backbord des Konvois durch die Wellen. Vor ihr segelte Jean Ribault. Die Schebecke ging nach Steuerbord, wurde schneller und schob sich auf das Heck der schmal gebauten Galeone mit den überlangen Masten zu.

Jean Ribaults Crew hatte selbstverständlich die gleichen Beobachtungen hinter sich wie alle anderen Kapitäne.

Pierre Puchan und Grand Couteau lehnten über dem Schanzkleid der Kampanje.

Während sich die Schebecke gischtend, stampfend und schwer überlegend heranschob, trat Jean Ribault hinzu.

Hasard, Ben und Dan O’Flynn enterten auf das Grätingsdeck und stellten sich in den eisigen Wind.

Es dauerte länger als eine Viertelstunde, bis die Schiffe auf Rufweite nebeneinander segelten.

„Brauchst du Hilfe, Capitán?“ schrie Ribault mit breitem Lachen. „Oder schaffst du’s nicht allein?“

„Vier gegen einen, das ist ungerecht!“ brüllte Hasard zurück. „Oder sind deine Geschütze so eingerostet wie deine Crew, Monsieur?“

„Keine Sorge. Du meinst, der dürre Mönch hockt auf der Galeone?“ fragte Ribault.

Die Seewölfe an Deck und die halbe Crew der „Isabella“ winkten und hörten zu, was sich die Kapitäne zu sagen hatten.

„Ich bin ganz sicher!“ rief Hasard. „Wir müssen vermeiden, daß die Galeonen aufgehalten werden.“

„Richtig. Und drei Karavellen hat das Mönchlein auch noch aufgetrieben“, stimmte Ribault zu. „Am Nachmittag haben sie aufgeschlossen, die Schiffe an der Kimm.“

„Das denke ich auch. Was sich die Kapitäne dabei denken, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Spanier gegen Spanier. Das ist neu, auch für mich.“

„Sie werden die Galeonen wahrscheinlich in Ruhe lassen. Deine Schebecke regt sie auf.“

„Und damit sie um noch einige Zeit erhalten bleibt, rechne ich mit eurer Hilfe. Keine langen Gefechte, Jean! Hart zuschlagen und weiter.“

„Das geht, wenn wir die Galeone in die Mitte nehmen. Arne soll sich um die Galeonen kümmern.“

Die sechs Fünfundzwanzigpfünder im schlanken Rümpf der „Isabella“ waren eine der besten Garantien für den Ausgang des Kampfes, wie ihn sich der Seewolf wünschte.

„Das sage ich ihm, wenn wir hier fertig sind“, antwortete der Seewolf. „England liegt nur ein paar Tage weit, genau in Norden.“

„Wissen wir selbst. Wird Zeit, daß die lange Fahrt zu Ende geht.“

Jean Ribault sprach leise mit Puchan und Couteau. Fred Finley mit der schwarzen Klappe über dem rechten Auge hob die Hand und grüßte von der Kuhl hinunter zum Deck der Schebecke.

„Zu Weihnachten haben wir alles hinter uns!“ rief Hasard und hoffte, daß er recht behielt. „Vielleicht schon früher. Wie auch immer – heute zeigen wir es den Dons. Zum letztenmal, wie ich hoffe.“

Auf Jean Ribault konnten sie sich verlassen. Er hob den Arm, ballte die Hand zur Faust und rief: „Wenn die Dons aufkreuzen, lassen wir uns zurückfallen und schießen sie in Trümmer. Einverstanden, Sir?“

„Einverstanden, Jean. Zielt gut, verstanden?“

„Besser als ihr auf alle Fälle.“

Die Schebecke scherte wieder nach Backbord aus. Die „Isabella“ stampfte weiter, und Hasard verließ den zugigen Platz auf dem Grätingsdeck. Als er auf dem Niedergang saß, erschien Al Conroy, der alles mitgehört hatte. Daß er und seine Geschütze gebraucht wurden, war ihm spätestens nach dem Blick auf die Verfolger klar.

„In einer Viertelstunde sind wir feuerbereit, Sir“, sagte er knapp. „Wie gut, daß wir immer für genug Pulver und Kugeln gesorgt haben.“

Hasard sah hinüber zu den Galeonen. Noch immer war der Atlantik von grellen Sonnenstrahlen überflutet.

„Laß dir Zeit, Al“, erwiderte er ruhig. „Wir werden ihren Angriff sehr schnell und kurz abwehren. Wie immer bisher.“

„Aye, Sir“, brummte Al und packte die Leine, mit der die Persenning über das achterliche Geschütz verzurrt war. „Wie immer.“

Hasard stemmte die Fäuste in die Seiten und überlegte, was wohl die spanischen Kapitäne der neun Galeonen dachten, wenn sie die ‚Aragon‘ und ihre drei Begleitschiffe sahen. Hielten sie die Verfolger für eine Gefährdung? Daß Don Ricardo und die Kapitäne seine Geschichte vom Geheimauftrag nicht mehr lange glauben würden, stand für ihn auch fest. In wenigen Tagen, schätzte er, würden sich hier noch größere Schwierigkeiten auftun.

Der nächste Blick auf die friedlich dahinsegelnden Schiffe überzeugte ihn, daß dieser Zeitpunkt noch einige Tage auf sich warten lassen würde. Aber er durfte die Klugheit und vor allem das Mißtrauen der Dons nicht unterschätzen.

Mit dem Anlaufen Vigos hatte er viele zweifelnde Gedanken wegwischen können. Aber nichts war so hartnäckig wie das Mißtrauen. Und es würde wachsen, je weiter nördlich der Konvoi segelte.

Die Schebecke schob sich auf die „Wappen von Kolberg“ zu, und Hasard rief Arne von Manteuffel an, um ihn zu informieren.

Seewölfe Paket 33

Подняться наверх