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7.

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Stunde um Stunde, verging. Drei Stunden nach Sonnenaufgang erlosch das grelle Licht der Wintersonne wieder. Dicke, graue und schwarze Wolken, aus denen an der Kimm breite Regenbänder niederrauschten, trieben tief über den Atlantik. Der Wind drehte, wehte böig aus Süd und später aus Südost, aus der Biscaya. Aber er wurde nicht schwächer und trieb die drei Karavellen und mit wenig Abstand die „Aragon“ auf das letzte Schiff des Konvois zu.

Die Formation hatte sich geändert. Hasard und seine Freunde segelten querab der letzten Schatzgaleone, der „Concordia“.

„Noch eine Stunde, schätze ich“, meinte Dan O’Flynn halblaut. „Und sie kommen nicht in friedlicher Absicht.“

„Ich weiß“, sagte der Seewolf grimmig.

Ununterbrochen hatten sie alle die schnellen, schnittigen Karavellen beobachtet. Während an Bord der Schebecke und der „Isabella“ die Vorbereitungen für einen Kampf ruhig und besonnen vor sich gingen, hasteten auf den Decks der Verfolgerschiffe die Seeleute und Seesoldaten herum. Die Geschütze waren allesamt ausgerannt worden. Die Spanier schienen keineswegs lange Verhandlungen zu beabsichtigen.

Sie wollten die Schebecke!

Hasard fragte sich, wie stark die Überzeugungskraft des Mönches sein mochte – oder die Furcht der Kapitäne vor der mächtigen Inquisition, wenn ein Befehl des Tribunals nicht befolgt wurde. Was sie auch bewegen mochte, die Dons, sie segelten in breiter Linie auf die Schebecke zu und waren feuerbereit.

Die Crew war bereit und peilte gespannt zur nächsten Karavelle hinüber. Überall standen Pützen voller Wasser und nassem Sand. Die Lunten steckten unangezündet in den Behältern, in denen die kleinen Laternen brannten. Al Conroy hantierte mit Richtscheit und Keilen und versuchte, seine Rohre zuverlässig auszurichten. Pete Ballie, der Gefechtsrudergänger, hatte seinen Vorgänger vor einer halben Stunde abgelöst und hielt die Pinne gepackt.

Al Conroy hatte zwei seiner Brandsätze an Deck gebracht und bewegte unruhig Kopf und Schultern. Noch war die Entfernung zu groß für gutgezielte Schüsse.

„Wir warten auf den ersten Schuß der Dons!“ rief Hasard zum zweitenmal. „Don Ricardo und seine Freunde müssen sehen, daß wir uns verteidigen. Es wird ihn überzeugen, daß diese Spanier die falschen Spanier sind, nämlich Kaperer.“

„Aye, aye, Sir.“

Fast alle Seewölfe saßen oder standen an Deck. Zwar befürchtete keiner einen Versuch der Dons, die Schebecke zu entern, aber die Waffen waren bereit. Niemand redete laut, mühsam unterdrückte Spannung hatte sich ausgebreitet. Selbst Plymmie und der Schimpanse hatten sich unter Deck in ihre Ecken verkrochen und spürten die Unruhe.

Matt Davies sagte halb anerkennend, halb zuversichtlich: „Die Dons versuchen das gleiche wie wir, Sir.“

Eine Karavelle war um zwei, drei Kabellängen zurückgefallen. Die beiden anderen holten an Backbord und Steuerbord auf. Sie wollten die Schebecke von beiden Seiten unter Feuer nehmen. Jean Ribault, der an Steuerbord voraus segelte, lehnte mit beiden Armen auf dem Schanzkleid und beobachtete das Manöver mit bloßem Auge. Hasard verließ sich auf ihn, aber seine Spannung wurde nicht geringer.

Pete Ballie rief Hasard an. „Zuerst die Karavelle an Backbord, Sir?“

„Ich denke, so ist es besser“, stimmte ihm Hasard zu. „Auf der anderen Seite sind wir gedeckt.“

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Karavellen nahe genug heran waren. Ihre Geschütze konnten nur geringfügig auf den Lafetten bewegt werden. Sie konnten nur Breitseiten im rechten Winkel abfeuern, vielleicht einen Strich mehr oder weniger schräg indem sie die schweren Brocken herumwuchteten.

Al Conroy zündete seine Lunte an. Seine kleine Crew duckte sich hinter dem Schanzkleid. Die Arwenacks an den Schoten warteten ebenso auf Hasards Befehl wie der Rudergänger.

„Achtung!“ rief Hasard. „Abfallen, Pete! Die Segel …“

Pete Ballie legte das Ruder Backbord. Die Schoten erhielten Lose, während sich die Schebecke nach Steuerbord überlegte. Als die Masten wieder annähernd senkrecht standen, handelte der Spanier. Ein Schrei tönte über das Wasser, dann zuckten zwei lange Feuerzungen fast gleichzeitig aus den Mündungen der Geschütze. Rauch wallte auf, zwei scharfe Explosionen und das Heulen der Geschosse erschütterten die Luft.

Wenige Fuß vor der Bordwand stieg eine weiße Fontäne höher als der Großmast in den Himmel. Das zweite Geschoß kreischte in Mannshöhe über Deck und schlug zwischen der Schebecke und der „Isabella“ ins Meer.

Der Stückmeister berührte mit der rauchenden, funkensprühenden Lunte die Zündlöcher. Er hastete von einer Culverine zur nächsten, vom Heck in die Richtung zum Bug.

Das erste Geschütz spie seine Ladung mit ohrenbetäubendem Schmettern zum Gegner hinüber.

Der graue Pulverdampf schwächte die zweite Detonation nicht ab. Eine spitze Flammenzunge fuhr aus dem langen Bronzerohr. Noch während sich die Arwenacks duckten, zündete Al Conroy das dritte Geschütz.

Auch Pete Ballie schaute hinüber zur Karavelle.

Ein, zwei Herzschläge nach dem Geschützdonner erschienen im Schanzkleid, in den Planken, im Rigg und den Masten die Wirkungen der Einschläge. Das vierte Geschoß aus Al Conroys Culverinen schlug so dicht an der Bordwand ins Wasser, daß jeder glauben mußte, die Planken unterhalb der Wasserlinie müßten aufgerissen sein. Träge trieben die gewaltigen Rauchwolken zum Bug und nach Norden, dorthin, wohin sich der Bugspriet nach dem nächsten Manöver ausrichtete.

„Gut so! Zurück auf den alten Kurs!“ schrie Hasard.

Das Beiboot der Karavelle flog in Trümmern und Splittern auseinander. Zehn Fuß des Schanzkleides waren verschwunden. Der Großmast zitterte und schwankte, knallend brach Tauwerk.

An der Stelle, an der der Heckaufbau in das Mitteldeck überging, waren die Planken eingedrückt und zeigten weiße Splitter. Das Rohr eines Geschützes zeigte schräg in den Himmel. Jetzt kippte der Großmast mit dem Dreieckssegel nach Backbord, und fast augenblicklich zeigte sich am Bug der Karavelle keine schäumende Bugwelle mehr.

Al Conroy sprang mit drei Sätzen zum Besanmast der Schebecke, zündete die Lunte der schweren Drehbasse und jagte, ehe die Distanz zu groß wurde, eine Ladung hinüber auf das Deck der Karavelle, das plötzlich leergefegt schien.

An drei Stellen züngelten kleine Brände, in einem killenden Segel vergrößerten sich die Löcher an den Rändern, und der Wind wirbelte knisternde Funken durch die Luft.

Die Schebecke nahm binnen weniger Atemzüge wieder Fahrt auf. Gerade als Al Conroy und die Zwillinge auf die Steuerbordseite hinüberliefen und sich unter Tauwerk und Segel duckten, ertönte von der Backbordseite ein gewaltiger Donnerschlag.

Fast gleichzeitig krachte das erste Geschütz der Steuerbord-Karavelle.

Al Conroy blieb starr stehen und vergaß, seine Lunte herunterzunehmen.

Die Fünfundzwanzigpfünder der „Isabella“, dachte Hasard.

Fast im Ruder, offensichtlich nur ein paar Handbreiten daneben, schlug das Geschoß der Karavelle ein. Die Pinne wurde aus Pete Ballies Fäusten geprellt, aber er sprang nach Backbord und fing sie fluchend wieder ein. Im Lärm sah Hasard nur, wie Pete die Lippen bewegte.

Jean Ribaults Fünfundzwanzigpfünder traf die Karavelle mittschiffs. Die Arwenacks sahen das riesige Loch nicht, aber sie waren fast enttäuscht, daß sie nicht mehr zu feuern brauchten. Großmast und Besanmast kippten, die Rahruten brachen, das Segel faltete sich langsam zusammen. Das Schiff schien seitwärts zu hüpfen, schüttelte sich, schwankte nach Backbord und Steuerbord und kippte, sich schwer überlegend, nach Steuerbord.

Aus der Wand von Pulverdampf und Rauch schob sich die „Isabella“ hervor und segelte gleichauf mit der Schebecke.

Die dritte Karavelle blieb im Kielwasser der Schebecke, und in ihrem Kielwasser stampfte unverändert drohend die waffenstarrende Galeone.

Pete Ballie massierte seine Handgelenke.

„Das war knapp!“ schrie er.

Hasard und die Arwenacks nahmen die Hände von den Ohren.

„Knapp, aber wirkungsvoll. Gut gezielt, Al!“ schrie Hasard durch die aufgeregten Schreie und das befreite Lachen der Arwenacks.

„Und besser getroffen. Aber der schwere Brocken von Jean Ribault – er hat es ihnen gegeben, den Dons.“

Sowohl die Karavelle als auch die „Aragon“ führten einen Schlag nach Backbord durch, nach Nordwesten. Sie wollten Zeit gewinnen und sich eine andere Taktik überlegen. Oder halfen sie vielleicht den Männern in den wracken Karavellen?

Ben Brighton stand plötzlich neben Hasard. Sie peilten durch die Spektive zu den Karavellen hinüber. Keins der Schiffe lief noch Fahrt durchs Wasser. Nur noch die Segel der achterlichen Masten flatterten killend im Wind. Rauchwolken brodelten von beiden Decks in die Höhe.

Die Karavelle, die den schweren Treffer des Fünfundzwanzigpfünders erhalten hatte, schien langsam vollzulaufen. Ihr Rumpf lag bereits tiefer im Wasser als vor wenigen Minuten.

„Eins ist sicher“, sagte Ben und nickte, „heute segeln die keine weiten Strecken mehr.“

„Ich sage, daß sie weder heute noch morgen mehr als eine Kabellänge zurücklegen. Die einen werden sich ins Beiboot retten und hinüberpullen.“

„Die sind wir los!“ rief Batuti von der Kuhl her. „Für immer.“

Al Conroy, die Zwillinge und Don Juan de Alcazar wuchteten die Lafetten der leergeschossenen Culverinen zurück. Rohrputzer und Auswischer klapperten, grauer Rauch trieb aus den Mündungen.

„Unsere Silberschiffe?“ fragte sich der Seewolf laut.

„Sehen zu, wie wir ihr Geschäft erledigen“, erwiderte Ben Brighton.

Ob auch auf den Galeonen die Geschütze feuerbereit waren, konnte aus dieser Entfernung nicht erkannt werden. Aber unverändert bewegten sich die Schiffe in einer Linie weiter, als ginge das, was am achterlichen Ende des Konvois passierte, die Señores nichts an.

„Seltsam, überaus seltsam“, meinte Dan O’Flynn und zuckte ratlos mit den Schultern.

Die Galeone und die Karavelle waren nach Backbord abgefallen und kämpften sich nach Nordwesten, um in Luv der verfolgten Schiffe zu gelangen. Die Entfernung vergrößerte sich und war zu weit für ein Gefecht.

Vom Grätingsdeck aus sahen Ben und Hasard, wie auf dem wrack geschossenen Schiff ein Boot abgefiert wurde, wie die Seeleute in größter Eile das Beiboot bemannten und dann abstießen, um zu dem anderen Havaristen hinüberzupullen.

„Sie geben ihr Schiff auf“, murmelte Hasard und bemerkte, wie sich eine größere Rauchwolke auszubreiten begann. Der Wind drückte sie zunächst auf die Wellen hinunter, dann wirbelte sie, dünner werdend, in die Höhe.

„Eine verlustreiche Verfolgung für die Dons!“ rief Old Donegal triumphierend auf der Kuhl.

„Das hätte ich ihnen schon vor einem Tag sagen können“, polterte der Profos. „Vernagelte Rübenschweine, spanische.“

„Aber auf dich hört ja mal wieder niemand, wie?“ warf Bob Grey lachend ein.

„Genauso ist es“, knurrte Carberry. „Und was jetzt? Feierabend für heute, Sir?“

Hasard lachte laut und herzhaft, dann erwiderte er, für jedermann an Deck deutlich zu verstehen: „Nicht, bevor sich unsere beiden Freunde achtern nicht gegenseitig selbst versenkt haben, Ed.“

Al Conroy hob die leergeschossene Drehbasse aus der Gabelung, trug sie wie ein Kind in beiden Armen hinunter auf die Kuhl und hockte sich auf die Stufe des Niederganges. Dann fing er an, den Lauf zu putzen und das kleine Geschütz neu zu laden. Er verwendete wie immer äußerste Sorgfalt auf diese Arbeit. Er sagte sich, daß er genug Zeit dazu hatte.

Die „Wappen“ und die „Isabella“ blieben an Steuerbord der schnellen Schebecke und passierten gerade den Raum zwischen der letzten und vorletzten Galeone.

Länger als sechs Stunden würde es nicht mehr dauern, bis wieder die Nacht begann. Vermutlich rechneten sich die Spanier für die Dunkelheit mehr Erfolg aus.

Sie gaben nicht auf, diese Verrückten, obwohl sie mitangesehen hatten, wie treffsicher sich der Gegner wehrte.

Auch wenn es sich tatsächlich um englische Spione oder gar Piraten handeln sollte, als Spanier verkleidet.

Hasard junior beugte sich hinüber zu seinem Vater, stocherte mit einem Holzspan zwischen den Zähnen und sagte: „Daß wir Weihnachten zu Hause sein werden, das war wohl einer deiner gefürchteten Scherze, Dad?“

Hasard lächelte, packte seinen Sohn um die Schulter und zog ihn an sich.

„Ja, ein Scherz. Andererseits“, er ließ eine Pause eintreten und lehnte sich gegen das Schanzkleid, „wer weiß, was noch alles passiert. Was oder wer uns aufhält. Der Nordatlantik und die See zwischen England und den Niederlanden sind voller Schiffe. Es sollen auch böse Piraten darunter sein. Ich denke, daß wir allerhöchstens in einem Monat in London sind.“

„Nicht früher?“ fragte der Sohn.

Sie trugen mittlerweile ihre gewohnten Jacken über der spanischen Verkleidung. Der Wind hatte wieder aufgefrischt. Das Meer war von unzähligen weiß schäumenden Köpfen auf den Wellenkämmen übersät. Gurgelnd und heulend brach sich der Südost im Rigg. Die Leinwand stand prall und hart. Hasard hatte die Segel vom vordersten und hintersten Pfahlmast wegnehmen und die Rahruten abfieren lassen. Das Großsegel reichte. Jetzt waren sie so schnell wie die Galeonen – oder so langsam.

Die Karavelle und die Galeone hatten alles gesetzt, was an Leinwand an Bord war. Sie arbeiteten sich an Backbord, schwer stampfend, aber schnell, weiter nach Luv. Spätestens in der Abenddämmerung würden sie einen Punkt erreicht haben, von dem aus sie in bester Angriffsposition waren.

„Vielleicht auch früher“, erwiderte der Seewolf. „Du wirst sagen, ich weiche aus. Mag sein. Ich möchte nichts versprechen, was ich nicht halten kann. In ein paar Tagen fängt der Dezember an.“

„Reichen wir mit dem Essen? Das Wasser?“ bohrte der Zwilling weiter.

„Der Koch sagt, es reicht. Am Schluß trinken wir Wein und Rum statt Wasser.“

„Und die Spanier?“

„Für die Dons gilt das gleiche“, erwiderte der Seewolf hart. „Sie haben keine andere Wahl.“

Hasard junior versprach in durchaus glaubwürdigem Ton: „Ab sofort wasche ich mich nicht mehr. Nur mit Salzwasser. Dann haben wir eine wirkliche Chance, unterwegs nicht zu verdursten.“

„Mit genau diesem Versprechen habe ich gerechnet. In London müssen wir die Schebecke ausräuchern und die spanischen Fetzen verbrennen. Wir werden mehr stinken als eine Londoner Themseratte.“

Hasard junior nickte.

„Aber wir werden reich sein und noch lange nicht verdurstet.“

„Das hängt davon ab, wie viele der Silbergaleonen diese abenteuerliche Fahrt überstehen“, schloß der Seewolf halblaut. „Es kann noch viel passieren. Und es wird viel passieren, das weiß ich.“

Wieder verging eine Stunde, und die nächste verstrich ebenso ereignislos. Der Wind schien an Stärke noch zuzunehmen. Stürme im Atlantik zu dieser Zeit waren häufig. Jeder an Bord hatte längst damit gerechnet. Ob sie nun vom offenen Atlantik kamen oder aus der Biscaya, spielte eine untergeordnete Rolle. Wie die Schebecke mußten auch die Galeonen mit Wetter und See fertig werden. Sie schossen nicht gerade wie Schweinsfische durch die Wellen, aber auch die schwerfälligen, tief im Wasser liegenden Schiffe mit ihren runden Bäuchen legten gute Etmale zurück.

Leider auch die beiden Verfolger, sagte sich Hasard.

Aber er fürchtete sie nicht mehr. Er war sicher, daß sie im Schutz der Dunkelheit angreifen würden. Er versuchte sich vorzustellen, was Hernando Ferrer, der fanatische Mönch, sich dachte, nachdem er die Folgen des kurzen Seegefechts miterlebt hatte.

Hasard fand wenig Eingang in die Welt der Vorstellungen eines solchen Mannes der Inquisition. Das lag sicher daran, daß er alles andere als ein Fanatiker war.

Seewölfe Paket 33

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