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4.

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Carberry registrierte Sir Johns Erscheinen mit einem erleichterten Seitenblick. Endlich war die Krachente wieder da.

Sie hatten einmal einen Schuß gehört, sich aber nicht weiter darum gekümmert, denn sie waren immer noch stark beschäftigt, um die Galeone von der Sandbank zu drücken.

Einmal hatte sie sich auch leicht bewegt, und ein leiser Aufschrei war durch die Reihen der Männer gegangen, aber jetzt schien sie wieder festzuliegen.

„Verdammter Mist!“ schrie Jack Finnegan. „Die Kerle rücken uns so dicht auf den Pelz, daß sie gleich feuern können, und wir haben immer noch nichts erreicht. Zum Kotzen ist das.“

Ribault und von Hutten blickten über die Schultern der heransegelnden, mächtigen Galeone entgegen.

„Gleich fliegen die Fetzen“, prophezeite von Hutten. „Die scheinen völlig aus dem Häuschen zu sein.“

Es war zu erkennen, daß auf den Decks Durcheinander herrschte. Als Grund nahmen Jean und von Hutten an, daß dort alles feuerbereit bemacht wurde. Was Sir John sich da geleistet hatte, wußten sie nicht.

Sekundenlang erwog Jean Ribault, das Schiff zu räumen, damit sich wenigstens die Männer in Sicherheit bringen konnten. Doch er verwarf den Gedanken wieder. Sie würden doch nicht gehen. Vielleicht war es auch schon zu spät dazu.

Der Schweiß lief ihnen über die Gesichter, und sie feuerten sich gegenseitig an.

Und das Unheil rückte immer näher und war schon fast auf Schußweite heran.

Als Ribault wieder über die Schulter blickte, sah er zu seiner Verwunderung, daß die große Galeone den Kurs ein wenig geändert hatte. Sie lief dichter auf die Küste zu. Den Franzosen wunderte das sehr. Die anderen reagierten ebenfalls erstaunt.

„Nun brat mir aber einer ’nen Marabu“, sagte der Profos erstaunt. „Gibt’s das auch, daß man bei vollem Preß den gesamten Besan abtakelt? Ausgerechnet den Besan, der bei einem solchen Kasten das Salz in der Suppe ist! Sind die bescheuert?“

„Das kann ich mir auch nicht erklären“, sagte Ribault. „Das tut nur ein ausgesprochener Idiot. Sie können den gewaltigen Kasten kaum noch auf Kurs halten.“

„Eben, weil sie achtern keine Segel mehr haben“, meinte von Hutten. „Da muß etwas passiert sein.“

„Jedenfalls gewinnen wir dadurch ein paar Minuten Zeit, die wir verdammt nötig haben“, sagte Higgy, der rothaarige Ire, erleichtert.

Durch die „Isabella“ ging ein leichter Ruck.

Der Anführer der Negersklaven, ein Kerl von der Größe wie Batuti, riß die Arme hoch. Sein Körper glänzte wie nasses Ebenholz, und er zeigte seine schneeweißen Zähne.

„Gleich sind wir weg!“ schrie er auf Spanisch. „Wir schaffen es bestimmt noch!“

Für die meisten mutete es wie ein Wunder an, als ein zweiter Ruck durch die Galeone ging. Gleichzeitig krängte sie auch wieder zurück.

Die Sklaven stimmten ein begeistertes Gejohle an und begannen an Deck herumzuhüpfen, als die „Isabella“ sich rührte. Ausgelassen und sorglos, als sei nun alles vorbei, tanzten sie und schrien sich die Kehlen heiser.

Karl von Hutten war mit ein paar mächtigen Sätzen am Ruder. Die anderen trimmten die Segel, und diesmal übertrafen sie sich selbst an Schnelligkeit. Jeder Handgriff saß, und ein paar Augenblicke später zeigte der Bugspriet der „Isabella“ aufs Meer hinaus.

Dogon sprang ebenfalls in langen Sätzen aufs Achterdeck und zeigte von Hutten jene Stellen, die er ausgezeichnet kannte, die man aber wegen der gleißenden Wasserfläche nicht sehen konnte. Dort gab es überall Untiefen.

Sie segelten aus der Bucht. Hinter ihnen war die „Casco de la Cruz“ bereits zu einem mächtigen Gebirge angewachsen. Sie hielt jetzt direkten Kurs auf die „Isabella“.

„Gleich werden sie feuern“, sagte Ribault. „Es kann sich nur noch um Augenblicke handeln. Hoffentlich kriegen wir noch den erforderlichen Abstand.“

Sie segelten dem Teufel wahrhaftig ein Ohr ab und mußten der Kriegsgaleone beim Verlassen der Bucht ihre empfindliche Breitseite zeigen, aber zum Glück nur für wenige bange Augenblicke, bevor sie auf Nordkurs gehen konnten.

Geschrei war von der Riesengaleone zu hören, Befehle. Sie schickten sich jetzt an, ihre Breitseiten einzusetzen und drehten ein wenig nach Backbord ab, um ein besseres Schußfeld zu haben.

Den Männern von Ribault brannten die Planken unter den Stiefeln. Auch ihnen selbst war sehr heiß zumute.

Don Julio de Vilches traf fast der Schlag, als er die Galeone näher in Augenschein nahm. Er traute seinen Augen nicht mehr, als sie aus der Bucht segelte.

An Deck tanzten ein paar Dutzend Schwarze herum. Sie sangen dazu und riefen etwas, das er nicht verstand. Aber der wilde Freudengesang war deutlich zu hören.

Seine Augen blickten bösartig und flackernd. Kalte Wut lag in ihnen. Seine Mundwinkel zitterten wieder, was bei ihm ein Zeichen äußerster Erregung war. Die Schultern waren noch mehr nach vorn gefallen. Gebeugt wie ein uralter Mann stand er an Deck. Dann öffnete sich zitternd sein Mund, als er sich an Pergoza wandte.

„Erkennen Sie den Namen des Schiffes?“ fragte er brüchig.

„Die ‚Isabella‘, Don Julio. Es ist dasselbe Schiff, das in Santa Cruz lag und von dem die beiden schwarzhaarigen Kerle stammten, die sich als Montserrat und Mallorca ausgaben.“

„Jetzt sind da Neger an Bord“, sagte der Kommandant fassungslos. „Ich verstehe die Welt nicht mehr – Neger, verdammte Neger“, setzte er abfällig hinzu, „und sie tanzen wahrhaftig. Nein, das verstehe ich wirklich nicht mehr. Es überfordert meinen Verstand. Oder ist es etwa doch nicht dasselbe Schiff?“

„Es ist dasselbe Schiff“, bestätigte der Erste verblüfft. „Es gibt keinen Zweifel daran, und es ist unverkennbar durch seine eigenwillige Bauweise mit den überlangen Masten und den vielen Kanonen, die für einen Handelsfahrer sehr ungewöhnlich sind.“

„Was tun die Neger dort?“ fragte der Kommandant. Er fühlte sich wieder mal um Jahre gealtert und verfluchte sich selbst, weil er keine Zusammenhänge mehr begriff.

„Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Es sieht – äh – fast so aus, als hätten die schwarzen Bastarde das Schiff in ihre Gewalt gebracht. Wenn Sie gestatten, Don Julio …“

Er nahm dem reglos und wie eine Marionette dastehenden Kommandanten das Spektiv aus der Hand. Don Julio ließ das willenlos geschehen, was ihn sonst sehr erbost hätte. Er reagierte überhaupt nicht und schien an Leib und Seele gebrochen.

„Nein, sie haben das Schiff nicht in ihre Gewalt gebracht“, sagte er fast flüsternd. „Ich kann mir das auch nicht erklären, es sind auch ganz andere Leute auf dem Schiff als in Santa Cruz.“

Don Julio ähnelte jetzt einem Geier, der sich an einem übergroßen Brocken Aas verschluckt hat. Er würgte und würgte und begann schließlich laut zu husten.

„Was geht hier vor?“ rief er wild. „Ich verlange sofortige Aufklärung, auf der Stelle!“

Die Aufklärung konnte ihm niemand geben, weil die Offiziere genauso verblüfft und verdattert waren wie er selbst. So wartete er vergebens auf eine Antwort.

Dann glaubte Don Julio die Lösung des Rätsels gefunden zu haben.

„Piraten“, sagte er, „es sind Piraten. Können Sie die beiden Schwarzhaarigen irgendwo an Deck erkennen?“

„Nein, Don Julio, sie befinden sich zumindest nicht an Deck. Es sind völlig andere Kerle.“

„Dann ist mir einiges klar. Diese ‚Isabella‘ hat Boa Vista nie erreicht“, sagte er sehr bestimmt. „Sie fiel Piratengesindel in die Hände. Man hat die Männer umgebracht. Auch der Alte mit dem wettergegerbten Gesicht und der großen Halskrause ist nicht zu sehen. Es ist unwahrscheinlich, daß ausgerechnet diese Männer unter Deck sind, wenn das Schiff aus einer Bucht ausläuft. Es sei denn, man hat sie gefangengesetzt, aber auch das glaube ich nicht. Man wird sie umgebracht haben.“ In derartigen Situationen war es am besten, wenn man dem Alten nicht widersprach, auch wenn der ungereimtes Zeug von sich gab.

Er war zwar ein scharfer Denker, aber durch die Ereignisse der letzten Zeit hatte sein Gedächtnis ein wenig gelitten. Er blickte nicht mehr richtig durch und reimte sich seinen Teil zusammen.

„In welchem Zusammenhang stehen dann die Neger an Bord?“ fragte Pergoza und gab sich den Anschein, als ließe er sich gern belehren.

„Die haben sich mit dem Gesindel verbündet, sonst würden sie keine Freudentänze aufführen.“

„Das ist möglich“, gab Pergoza zu, obwohl er kein Wort glaubte. Eine bessere Erklärung hatte er jedoch auch nicht.

„Wenn das alles stimmt, Don Julio“, sagte er nachdenklich. „Wie reimt sich das dann zusammen, daß der Konvoi nicht in Boa Vista eingetroffen ist? Wenn die Portugiesen ihn wirklich nicht vereinnahmt haben, und das dürfte wohl außer Zweifel stehen, hätte es Spuren geben müssen. Aber wir haben, kein einziges Schiff gesehen.“

„Eine Verschwörung“, sagte der Kommandant mit dumpfer Stimme. „Hier ist eine weltweite Verschwörung gegen Spanien im Gange. Ihre Annahme, daß sich die Kapitäne untereinander abgesprochen haben, halte ich immer noch für durchaus möglich. Und trotzdem stimmt bei der ganzen Sache etwas nicht. Irgendwo hat sich ein Fehler eingeschlichen, der sich nicht ergründen läßt. Die Zusammenhänge gehen nicht richtig auf. Das Ganze erscheint mir wie ein unlösbares Rätsel.“

„Die Bastarde fliehen jedenfalls vor uns“, sagte Pergoza. „Das beweist nur zu deutlich, daß sie ein schlechtes Gewissen haben. Sie haben uns offensichtlich erkannt, sonst hätten sie ja nichts zu befürchten. Als logische Schlußfolgerung muß es demnach ein paar Männer auf dieser Galeone geben, die schon vorher an Bord waren.“

Der Alte dachte scharf nach, wobei er den Ersten ebenso scharf musterte. Aber er gelangte zu keinem Ergebnis und schüttelte immer wieder wie fassungslos den Kopf.

„Wenn ich nur wüßte, was dahintersteckt“, sagte er mehr zu sich selbst. „Ich würde eine Monatssumme von meinem Gehalt dafür geben und sogar noch mehr.“

Bei seiner bekannten Knickrigkeit und seinem schon fast sprichwörtlichen Geiz ist das immerhin eine ganze Menge, dachte der Erste.

„Suchen Sie noch einmal alle Decks des Schiffes genau ab“, befahl er. „Nehmen Sie sich jeden einzelnen Kerl genau vor, und mustern Sie ihn ausgiebig. Wir haben ein paar ja in Santa Cruz aus unmittelbarer Nähe gesehen. Vielleicht fällt Ihnen etwas auf. Die verdammten Neger brauchen Sie natürlich nicht zu beachten.“

Don Julio rieb sich die dürren, welken Hände und erging sich weiterhin in Mißmut und Ärger. Sein Gesicht war verkniffen auf den Ersten gerichtet, der durch den Kieker blickte. Hin und wieder preßte der Alte die Lippen noch schmaler und sah der „Isabella“ nach, die ihnen jetzt das Heck zeigte.

Das Schiff wurde gut und hervorragend gesegelt, das mußte er neidlos anerkennen. Der Kerl am Ruder verstand etwas davon. Aber sie hatten noch nicht ihre volle Geschwindigkeit erreicht. Im Augenblick segelte die „Casco de la Cruz“ trotz fehlender Besanbesegelung noch etwas schneller. Sie würde noch ein Stück aufholen, gerade so viel, daß sie die Kerle unter Feuer nehmen konnten.

Er nahm sich vor, das Schiff so zu zertrümmern, daß es noch schwimmfähig blieb. Dann konnte man die Kerle einzeln aus dem Wasser fischen und später nach allen Regeln der Kunst verhören.

Das Geheimnis würde dann kein Geheimnis mehr sein, und er würde auch, dessen war er sich ganz sicher, eine Spur des verdammten Konvois finden.

„Na, was ist?“ blaffte er ungeduldig, als der Erste immer noch damit beschäftigt war, die Gesichter auf dem Schiff zu mustern. Jetzt, als ihnen das Schiff das Heck zeigte, wurde das immer schwieriger.

„Da ist einer“, sagte der Erste erregt, „ein Klotz von einem Kerl. Ich glaube, den habe ich in Santa Cruz an Bord gesehen. Er fiel mir auf, weil er ungewöhnlich groß und breit ist. Aber ein unverkennbares Merkmal an ihm war sein gewaltiges Kinn. Das sah fast wie ein Amboß aus.“

„Ist er es nun, oder ist er es nicht?“

„Ja, er ist es, Don Julio, ich bin mir ganz sicher. Er steht mit einem großen Neger dicht am Ruder. Vom Profil her müßte er das sein.“

„Na also. Das ist ja wenigstens etwas. Wir sind gleich dran. Sorgen Sie dafür, daß sofort gefeuert wird. Alle Rohre werden eingesetzt, und zwar die auf der Steuerbordseite. Wir drehen nach Backbord. Bereiten Sie die entsprechenden Manöver vor und sorgen Sie dafür, daß alle Mann auf ihrem Posten sind. Ich erwarte, daß keine neuerlichen Fehler begangen werden und werde jeden unbarmherzig zur Rechenschaft ziehen, der etwas verschlampt.“

Pergoza bestätigte und gab seine Anweisungen und Befehle augenblicklich an die entsprechenden Chargen weiter.

Das große Schiff holte zum tödlichen Schlag gegen eine kleine Galeone aus, die gegen den Riesen so viele Chancen hatte wie eine Maus gegen ein Panzernashorn.

Die Galeone lief jetzt immer schneller. Schon bald würde sie einen Vorsprung erreichen, der nicht mehr aufzuholen war. Dann hatten sie das Nachsehen.

„Zuerst die Vierzig-Pfünder!“ rief Don Julio. „Sie tragen nicht so weit, aber wir könnten eventuell einen Treffer erreichen, der das Schiff sofort außer Gefecht setzt. Fünf- und Zehnpfünder feuern dann gleichzeitig.“

Es war soweit. Sie waren fast auf Schußweite heran. Don Julio mußte es jetzt riskieren, sonst war die Chance vertan, und die Bastarde würden hohnlachend weitersegeln.

Er hob die Hand und gab den Feuerbefehl.

Im unteren Deck wo die Vierzig-Pfünder standen blitzte es grell auf.

Durch die schwimmende Festung lief ein Zittern und Beben, als sei ein Vulkan grollend erwacht.

Vier Doppelcolubrinen feuerten als Salventakt.

Das gesamte untere Batteriedeck wurde von brüllenden Feuerzungen beleckt. Durch die offenen Stückpforten wurden wütende und schmetternde Blitze nach draußen geschleudert.

Als die schweren Geschütze ihre Ladungen ausgespien hatten, zuckten sie wie wildgewordene Ungeheuer zurück und strapazierten die Brooktaue, die das Gewicht der Kanonen auf ihren Lafetten abfangen mußten. Gleichzeitig spie das Batteriedeck eine üble Qualmwolke aus. Der Qualm war fast schwarz und fett, und er wehte nur träge davon.

Der Feuerkacker hüllte sich in dichten Rauch, der bis auf die oberen Decks zog und dort das Atmen zur Qual werden ließ.

Immer noch rumpelte und rumorte es tief im Leib des Riesenschiffes. Spanten zitterten, in den Verbänden knackte es, und selbst die dicken Eichenbalken knackten bedrohlich, als würden sie bersten.

Der Lärm war ohrenbetäubend und pflanzte sich von vorn nach achtern fort, wo er heftige Resonanzen erzeugte.

In der See brüllte es ebenfalls noch einmal auf, als die großen Steinkugeln einschlugen. Eine Säule schoß aus dem Wasser, eine zweite, dritte und eine vierte. Die schweren Geschosse wühlten das Meer auf wie Ungeheuer, die aus der Tiefe plötzlich nach oben schossen.

Die Säulen wurden riesiggroß und erreichten die Höhe der achteren Bordwand. Sie glitzerten wie farbige Obeliske, als sich das Sonnenlicht in ihnen spiegelte.

Don Julio spähte angestrengt durch das Spektiv. Er sah, daß ein großer Vorhang aus gischtendem Wasser das Achterschiff der Galeone einhüllte. Eine Wand aus Wasser war es, die kaskadenartig zusammenbrach.

„Zehn- und Fünf-Pfünder!“ schrie er.

Der Lärm wurde ohrenbetäubend. In den einzelnen Decks brüllten sich die Stückmeister die Kehlen heiser. Aufgescheuchte Dons in Kürbishosen, Brustpanzern und blinkenden Helmen hasteten wie Ameisen durcheinander.

Aus den Decks drang Rauch, als habe der Riesenkasten Feuer gefangen.

Jedes weitere Wort verbot sich von selbst. Der, Feuerkacker demonstrierte jetzt seine Stärke.

Die halben Colubrinen begannen zu feuern. Das große Schiff wurde geschüttelt. Der Lärm wurde zum wilden Tosen. Überall blitzte es auf, zuckten Flammen aus den Stücken, quoll Rauch auf, rumpelte es, als die Lafetten dröhnend über die Planken zurückfuhren.

In das wilde Brüllen mischten sich die etwas helleren Geräusche der Achtelschlange mit ihren Fünf-Pfündern. Sie zuckten wie giftige kleine Nattern zurück und rauchten lange nach, als sie ihre Steinkugeln ausspien.

Von der „Casco de la Cruz“ war nur noch ein in dichten Qualm gehüllter Schatten zu erkennen. Aus diesem Schatten fuhren wildflammende Blitze. Ein Geschütz nach dem anderen, das sein Rohr durch die Stückpforten gesteckt hatte, verschwand grollend, sobald die Zündung erfolgt war.

Es fuhr wie ein böser Blitz zurück und verschwand im Riesenleib des großen Schiffes. Dort blieb es rauchend und schnaubend stehen. Aber nicht lange, dann wurde ausgewischt und nachgeladen. Gleich darauf rumpelte es wieder nach vorn.

Don Julio hustete unterdrückt, als ihm Pulverdampf in Mund und Nase drang. Er kannte diese Melodie des Todes zur Genüge, aber den dichten und fetten Qualm hatte er noch nie gut vertragen. Er nahm ihm die Sicht und ließ das Atmen zur Qual werden. Außerdem überzog er alles mit dicken grauen Schlieren, wenn der Wind nicht kräftig genug wehte und die Qualmwolken gleich vertrieb.

Der Harmattan schaffte es jedenfalls nicht, und so wurde die Galeone von einer übelriechenden Wolke nach der anderen überzogen.

Er sah jetzt auch nichts mehr. Das Achterkastell der „Isabella“ war wie unter einem Wasserfall verschwunden. In der See hing ein Vorhang aus kleinen und großen Wassertropfen.

Er wischte sich über die Augen und hörte die gebrüllten Anweisungen durch den Lärm, den mehr als dreihundert Leute verursachten. Es war ein kleines Inferno.

Erneut brüllten die Rohre auf, und dann gab es einen so donnernden Schlag, als sei die Galeone selbst von einer Breitseite getroffen worden.

Ein Läufer erschien auf dem Achterdeck und meldete, daß das Rohr einer Sacre krepiert sei und zwei Leute zerrissen habe. Es war beim Feuern in einem Splitterregen auseinandergeflogen.

Es war nicht das erste Mal, daß so etwas passierte. Bei den zweiundneunzig Stücken und zahlreichen Drehbassen passierten immer wieder mal Unfälle, wurden Leute zerfetzt, schwer verwundet oder von den zurückrumpelnden Geschützen erdrückt. Er hörte das gellende Schreien einiger Männer, die offenbar von den Splittern getroffen worden waren.

Die Feldscher würden sich darum kümmern.

„Haben wir den Bastard getroffen?“ schrie er.

Pergoza und der trommelbäuchige Dritte Offizier, die sich ebenfalls auf dem Achterdeck befanden, konnten nicht viel mehr sehen als er selbst.

Die Antwort, die Pergoza gab, ging wiederum im wilden Aufbrüllen der Fünf-Pfünder unter. Er verstand kein einziges Wort.

„Treffer!“ schrie jemand vom Quarterdeck gellend, der einen besseren Überblick hatte. „Zwei oder drei Treffer, Don Julio!“

„Weiterfeuern!“

Vor der mauretanischen Küste tat sich die Hölle auf.

Den Dons lief der Schweiß über die Gesichter. Sie erstickten fast in ihren Panzern, und sie sahen genausowenig wie Don Julio selbst, zumal der Rauch in den Batteriedecks nur schlecht abzog.

Männer husteten und stöhnten.

Nach dem, was die „Casco de la Cruz“ in den letzten Minuten verschossen hatte, durften von der fremden Galeone nur noch Fetzen übrig sein. Fast pausenlos hatte das Schiff auf den Flüchtling eingehämmert.

Don Julio befand sich jetzt wie in einem Rausch. Es war ein Hochgefühl, wie er es jedesmal hatte, wenn eine Schlacht begann. Dann strafften sich seine Schultern, und er fühlte sich mit seiner schwimmenden Festung jedem Gegner haushoch überlegen. Das Brüllen war Musik für seine Ohren, nur der schreckliche Qualm störte ihn bis zur Übelkeit.

Aber er sah deutlich die Fetzen fliegen, hörte das angstvolle Brüllen der Flüchtlinge und sah sie in Panik durcheinanderrennen.

Backbord voraus, da war sie, nur mehr zwei Kabellängen entfernt.

Er zog seinen Degen und schwang ihn über dem Kopf.

„Jeder Schuß ein Treffer, Männer!“ schrie er wild. „Haltet euch gut!“

Der Abstand schrumpfte jetzt noch mehr.

Erneut hämmerten schwere Vierzig-Pfünder in den Bastard hinein.

Das Bersten der Explosionen übertrug sich mit heftigen Schwingungen der Decksplanken bis zu seinen Füßen. Das Deck wirkte wie ein riesiger Resonanzboden.

Auf der „Isabella“ brachen die Wanten, und dunkle Holzsplitter wirbelten in einem wilden Regen durch die Luft. Ein Segel zerfetzte und trieb davon. Eins der festgezurrten Beiboote löste sich im grellen Blitz einer Explosion in seine Bestandteile auf und flog auseinander.

Schuß um Schuß folgte, und jeder Schuß war ein Treffer. Das Achterkastell wurde von einem Einschlag zerfetzt. Die Bleiglasfenster barsten mit donnerndem Knall, und gleich darauf rasierte eine schwere Kugel den Besan dicht über dem Achterdeck weg. Er schlug der vollen Länge nach aufs Deck und zertrümmerte alles mit seinem Gewicht.

Zwei weitere Treffer zerfetzten das stehende und laufende Gut des Großmastes. Der Mast knickte im oberen Drittel weg. Segel und Tauwerk hingen traurig herunter.

An Deck schrien die Kerle und brachten sich vor den fallenden Brocken in Sicherheit. Einige von ihnen hantierten an Kanonen, waren aber nicht in der Lage, auch nur einen Schuß abzufeuern, denn pausenlos hämmerten jetzt die Kugeln in den Rumpf des Schiffes, der von vorn bis achtern aufriß. Ein Wasserschwall ergoß sich in das Innere der Galeone.

Dann erwischte es auch noch den Fockmast. Er wurde gespalten, kippte nach Steuerbord weg und trieb in der See. Die Galeone drehte sich hilflos im Kreis. Das Ruder war ebenfalls stark beschädigt.

Damit war die „Isabella“ entmastet und erledigt.

„Klar zum Entern!“ schrie Don Julio. Er schwang wieder seinen Degen, und seine müden Augen blitzten angriffslustig.

„Sie sind weg, Don Julio“, hörte er eine Stimme wie aus meilenweiter Entfernung.

Don Julio de Vilches erwachte aus seinen Wunschvorstellungen. Völlig verständnislos blickte er in das Gesicht des Ersten Offiziers, der ihn etwas mitleidig anzublicken schien.

„Was – was ist denn los?“ fragte er, als habe er gerade einen fürchterlichen Traum gehabt.

„Die Kerle sind schneller als wir, Don Julio. Einen oder zwei Treffer haben sie eingesteckt, dann waren sie außer Schußweite.“

„So – so, außer Schußweite“, murmelte der Kommandant unsicher.

Der Qualm hatte sich verzogen, die Geschütze schwiegen. Don Julio steckte mit zitternden Händen seinen Degen in die Scheide zurück. In seinem Gesicht malte sich Enttäuschung, nachdem er so jäh aus seinem Tagtraum gerissen worden war.

Weit an Backbord voraus segelte der Bastard, als sei nichts geschehen. Er war jetzt wesentlich schneller.

„Ist Ihnen nicht gut, Don Julio?“ hörte er den Ersten fragen. Er schien mehr als tausend Meilen weit weg zu sein.

Der Kommandant holte tief Luft.

„Das war vorauszusehen“, sagte er frostig. „Das Schiff ist schneller, leichter und wendiger.“

„Ihre Befehle, Don Julio?“

De Vilches sah wieder klarer. Er hatte diese eigenartigen Vorstellungen öfter. Im Geiste sah er dann die zerstörten Schiffe, die er auf den Grund der See geschickt hatte, hörte das Krachen und Splittern von Holz und sah sie untergehen. Oftmals gelang es ihm dann nicht, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Meist waren es nur kurze Augenblicke, aber in letzter Zeit passierte das immer häufiger.

„Wir folgen der Galeone“, sagte er. „Wir folgen ihr so lange, bis wir sie aus den Augen verlieren oder endlich zu fassen kriegen. Auf Kurs bleiben, Gefechtsbereitschaft bleibt weiterhin bestehen. Lassen Sie mich in einer halben Stunde an Deck holen, ich habe noch etwas zu tun.“

Bevor Pergoza etwas erwidern konnte, verließ de Vilches das Achterdeck und ging gebeugt und müde in seine Kammer. Aus seinen Augen war jeder Glanz erloschen. Selbst das bösartige Funkeln war nicht mehr zu bemerken.

Als er weg war, holte Antonio Quieras tief Luft und zog seinen unförmigen Bauch ein, was ihm jedoch nicht gelang.

„Haben Sie bemerkt, wie er wieder seinen Degen zog, Pergoza?“ fragte er. „Kaum waren die ersten Schüsse gefallen, da ging eine sonderbare Veränderung mit ihm vor. Mir fiel das in letzter Zeit schon öfter auf. Es hat den Anschein, als sei er gar nicht mehr er selbst. Er wollte entern, obwohl die Galeone unerreichbar weit entfernt war. Was halten Sie davon?“

Der hochnäsige Erste, der schon lange auf einen Posten als Kommandant eines Kriegsschiffes wartete, hob vorsichtig die Schultern und blickte auf die vorstehende Wölbung, über die Quieras nicht mal mehr seine Schuhe sehen konnte.

„Er wird immer eigenartiger“, erwiderte er zurückhaltend. „Das läßt sich nicht leugnen. Ich will damit aber nichts gegen ihn gesagt haben, ganz im Gegenteil – er ist ein hervorragender Kommandant. Ich frage mich nur, was die Admiralität wohl denken mag, wenn das jemals herauskommt. Ich meine, bei allem Respekt und aller Hochachtung, verschweigen sollte man das wohl nicht, schon um – äh – nichts zu gefährden. Er ist ja auch schließlich nicht mehr der Jüngste und in vielen Schlachten verbraucht und ausgelaugt.“

„Ja, das stimmt. Wie alt ist er denn?“

„So alt, daß es wohl langsam an der Zeit wäre, einen neuen Kommandanten einzusetzen. Er hat seinen Ruhestand wohl verdient. Aber nun posaunen Sie das mal nicht gleich aus, mein Lieber, auch wenn seine Handlungsweise mitunter recht merkwürdig ist. Sehen Sie lieber mal nach dem Zweiten Offizier, vielleicht geht es ihm schon etwas besser.“

Der Zweite Offizier hatte seit einigen Tagen hohes Fieber und ließ sich daher nicht mehr an Deck blicken.

Pergoza war sicher, daß der Dritte dem Zweiten alles haarklein berichten würde. Der würde es weitergeben, und so würde schließlich aus dem kleinen Feuer ein Buschbrand werden, der rasend schnell um sich griff. Außerdem hatte de Vilches noch die Sache mit den Portugiesen am Hals, ein Faktor, den man ihm ganz sicher nicht so ohne weiteres nachsehen würde, denn er war mit politischen Konsequenzen verbunden. Sie hatten auf Boa Vista ziemlich übel gehaust, weil das Temperament wieder einmal mit Don Julio durchgegangen war.

Schließlich und endlich hatte auch jeder Kerl vom gemeinen Decksvolk gesehen, wie Don Julio seinen Degen schwang, obwohl dazu nicht der geringste Grund bestanden hatte. Und von Entern konnte schon gar keine Rede sein.

Alles in allem war Pergoza mit dem Lauf der Dinge sehr zufrieden. Ihn störte nur der verschwundene Geleitzug, aber auch der würde schließlich am Alten hängenbleiben. Vielleicht fiel auf ihn selbst nur ein kühler, kleiner Schatten.

Jetzt hatte er für eine halbe Stunde das Kommando an Deck, und damit war unbewußt ebenfalls ein Tagtraum für ihn verbunden.

Er sah sich als Kommandanten der „Casco de la Cruz“. De Vilches war längst im Ruhestand, und so befehligte er jetzt die Kriegsgaleone.

Um seine Lippen stand ein hartes Lächeln.

Seewölfe Paket 33

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