Читать книгу Die Raben Kastiliens - Gabriele Ketterl - Страница 9

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Prolog

SEIN VERSTAND WAR KAUM MEHR in der Lage zu erfassen, was mit ihm geschah. Blut lief in seine Augen und nur langsam begriff er, dass der letzte Schwertstreich Adolfos ihm eine tiefe Kopfwunde beschert hatte. Er versuchte, sein Schwert erneut anzuheben, doch es entglitt seinen kraftlosen Fingern.

Adolfos siegessicher grinsendes Gesicht verschwamm vor seinen Augen und seine Beine versagten ihm den Dienst. Kraftlos sank Angel zu Boden. Das letzte, was er fühlte, war, wie sie ihn grob unter den Armen packten und fortzerrten. Wie aus weiter Ferne nahm er das Knarzen des kleinen Stadttores wahr, dann umfing ihn tiefe Dunkelheit.

B

Als Angel wieder zu sich kam, schossen unbeschreibliche Schmerzen durch seinen Körper. Bestialischer Gestank stieg ihm in die Nase. Es war der faulige Geruch des Todes. Sein Versuch, Arme und Beine zu bewegen, scheiterte kläglich. Mühsam öffnete er die Augen. Das Bild, das sich ihm bot, hätte er lieber nicht gesehen. Er lag zwischen bewegungslosen, starren Körpern. Man hatte ihn sterbend zu den Pesttoten vor die Mauern der Stadt geworfen. Noch vor Ende der Nacht würde er mit ihnen brennen.

Wut kochte in ihm hoch. Noch nie in seinem ganzen Leben war Angel so zornig gewesen.

Jetzt zu sterben war so sinnlos. Sein Kampf mit den Schutztruppen des Bischofs war viel zu kurz ausgefallen. Allein gegen eine ganze Einheit, was hatte er erwartet? Es war blanker Wahnsinn gewesen. Genauso wie es Wahnsinn war, die Unschuldigen, die Bewohner des Armenviertels der von der Pest heimgesuchten Stadt einfach krepieren zu lassen.

Was aber hatte sein persönlicher Rachefeldzug gebracht? Eine Handvoll toter Soldaten. Diejenigen, die er tatsächlich hatte treffen wollen, waren noch immer in Sicherheit, versteckt hinter den hohen Mauern ihrer Paläste. Sicher vor dem Hauch des Todes, den die Seuche über die Stadt sandte.

Wirr schossen Gedankenfetzen durch seinen Kopf. Angel schloss die Augen. Sich gegen den Tod zu wehren schien zwecklos. Wahrscheinlich wäre es klug gewesen, ihn klaglos anzunehmen. Nur so würde er seinen Lieben wieder nah sein können. Sie wieder in die Arme zu schließen, erschien im erstrebenswerter als alles andere und doch brannte da noch etwas in ihm.

Ein Funke, der sich beharrlich weigerte zu erlöschen:

Der verzweifelte Wunsch weiterzuleben.

Ein Wunsch, der ihm wohl nicht mehr erfüllt werden würde, denn er fühlte die Dunkelheit kommen. Mit sanften und doch fordernden Fingern griff sie nach ihm und endlich glaubte er sich bereit dazu, sein Leben loszulassen. Es würde gut sein, diese grauenvollen Schmerzen nicht mehr ertragen zu müssen, dem goldenen Schein inmitten der samtenen Schwärze näherzukommen.

Angel hieß den unausweichlichen Tod willkommen.

Die warme, tiefe Stimme drang nur noch wie aus der Ferne zu ihm durch, erreichte mit Mühe seinen Geist:

»Nein, mein Sohn. Du wirst uns nicht wegsterben. Schon gar nicht hier und heute. Bleib bei uns. Ja, bleib bei uns, auf lange, lange Zeit.«

Die Raben Kastiliens

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