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»Angel! Angel!! Hörst du mich?« Erst nach einer Weile drang Xaviers Stimme zu ihm durch.

»Ja, verzeih. Aber ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich fühle nur noch Angst.« Angel schüttelte sich, als könne er die schwarzen Schatten, die sich um ihn wanden, auf diese Weise loswerden.

»Wer weiß, vielleicht ist es nicht so schlimm, wie wir jetzt fürchten. Wahrscheinlich haben sich unsere Frauen rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Schließlich sind sie klug und umsichtig. Kopf hoch, es wird schon alles gut werden.« Xavier ritt nah an Angel heran und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

»Ich hoffe, du hast recht, ich hoffe es sehr.« Angel gelang ein kleines, zögerndes Lächeln.

Sie ließen Don Raul mit seinem Gespann voranfahren und reihten sich hinter ihrem Herrn ein. So hatte er die Möglichkeit, unmittelbar mit den Wachen zu sprechen. Mittlerweile waren sie so nah, dass sie die Tore erkennen konnten. Kaum jemand war zu sehen, einer der beiden großen Flügel des Tores war geschlossen, das Fallgitter war ein Stück nach unten gelassen. Alles erweckte den Eindruck, als wolle man im Notfall schnell reagieren können.

Don Raul erreichte das Tor und brachte seinen Planwagen zum Stehen. Höflich wandte er sich an die Wachposten, die nur widerwillig aus den Schatten der Mauern traten. »Señores, wir kommen von einer wahrlich weiten Reise zurück und haben von Reisenden mit Schrecken vernommen, was hier geschehen sein soll. Ist es denn wahr? Ist es tatsächlich so ernst?« Er beschirmte seine Augen mit der linken Hand und hielt die Zügel fest in seiner Rechten.

Der Wächter trat auf Don Raul zu und nickte kurz. »Ja, Ihr habt richtig verstanden, mein Herr.« Der Mann sah ihn nachdenklich an und dann huschte ein kurzes Lächeln über sein Gesicht. »Don Raul, jetzt erkenne ich Euch! Ich bin es, Isidro!«

»Natürlich! Junge, wohin bist du denn in den wenigen Monaten gewachsen? Ist dein Vater wohlauf? Wie geht es Carlos?« Don Raul entspannte sich und die anderen Wächter am Tor gaben die bedrohliche Haltung auf.

»Danke der Nachfrage, Don Raul, meinen Eltern geht es sehr gut. Sie sind zu meinem Bruder ans Meer gefahren. Sie haben die Stadt frühzeitig verlassen. Mutter wollte mich dabei haben, doch ich kann nicht so einfach hier weg.« Man konnte in Isidros Gesicht lesen, dass er viel lieber anderswo gewesen wäre.

Langsam näherte sich ein schlanker, hochgewachsener Mann, der bis zu diesem Zeitpunkt seinen Posten am Tor nicht verlassen hatte. Er sah an Don Raul vorbei und ließ seinen Blick über die Reiter schweifen. »Angel, Xavier? Seid ihr das? Gütiger Gott, ich hatte so sehr gehofft, ihr und eure Familien hättet der Stadt ebenfalls den Rücken gekehrt.«

Angel sprang von seinem Pferd und eilte auf den Mann zu. »Himmel, Jaime! Es tut gut, dich zu sehen. Was weißt du von den Zuständen da drin?« Angel packte den Freund aus Kindertagen an den Schultern und hätte ihn wohl am liebsten geschüttelt, um ihn schneller zum Sprechen zu bewegen.

»Angel, es tut mir sehr leid, aber ich habe keine guten Nachrichten für dich. Die Pest ist schon vor Wochen ausgebrochen. Zuerst nur vereinzelt, doch dann hat sie sich immer schneller ausgebreitet. Sarahs Eltern und einige der Mutigen unter den Bewohnern haben versucht zu helfen, so gut sie konnten. Leider hat es wenig genützt. Wer klug war, hat die Stadt beizeiten verlassen. Zuerst sind die Alten an der Krankheit gestorben, dann die kleinen Kinder. Sie starben am Fieber, es ist zu viel für sie. Wie ich schon sagte, da ich dich so lange nicht sah, dachte ich, ihr hättet die Stadt auch verlassen. Es ist viele Tage her, dass ich Sarah das letzte Mal gesehen habe …« Jaime schwieg bedrückt. Anscheinend ahnte er, was der letzte Satz in Angel auslösen musste.

»Jaime, ich muss zu meiner Familie!« Angel schrie, und jeder, der ihn hörte, sah betreten zu Boden.

Jaime wand sich verzweifelt. »Angel, du kannst hier rein. Ihr wart wohl schon vor Ausbruch der Krankheit fort, also könnt ihr sie nicht haben. Aber ich muss dir sagen, dass du an den Absperrungen zu eurem Bezirk nicht mehr weiter vorgelassen werden wirst. Niemand darf in die unter quarantaine stehenden Viertel hinein, geschweige denn heraus.«

»So lasst ihn doch erst mal rein. Dann werden wir weitersehen«, mischte sich Don Raul vermittelnd ein. »Sicher wird sich eine Lösung finden.« Der Don wuchtete sich schnaufend vom Kutschbock und umrundete sein Gefährt. Er holte eine seiner Geldtruhen unter der Plane hervor und öffnete sie. »Angel, Xavier, kommt zu mir. Hier habt ihr eure Bezahlung für diese Reise. Reitet weiter. Seht, was ihr erreicht. Wenn ich euch irgendwie helfen kann, zögert nicht, zu mir zu kommen, verstanden?«

Angel und Xavier nahmen ihren Sold entgegen.

»Danke, Don Raul, das werden wir tun. Doch jetzt sehen wir erst einmal zu, dass wir zu unseren Familien vordringen.«

Die Raben Kastiliens

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