Читать книгу Die Raben Kastiliens - Gabriele Ketterl - Страница 31

6.

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»Sei vorsichtig, mach schnell!«

»Reyna, bitte tu mir einen Gefallen und schweig einfach. Hab Vertrauen, ich weiß, was ich tue.«

Sanfte Hände hoben Angel hoch. Der große Mann trug ihn behutsam zu einer im Dunkel des Waldes wartenden Kutsche und legte ihn auf weiche Polster.

»Nun mach schon, er verblutet uns.«

Seine Antwort war deutlich und doch freundlich, so als sei sein Gegenüber liebenswert, jedoch etwas schwer von Begriff. »Es ist gut! Reyna, mir ist bewusst, dass du ihn retten willst. Das will ich auch! Wahrlich! Aber wenn du ein klein wenig Ruhe bewahren und dich auf deine Fähigkeiten besinnen würdest, dann könnte es sein, dass sogar dir ungestümem Wesen etwas auffällt.«

»Was sollte das sein?« Die Frau warf, nun, da sie von etwaigen Blicken aus der Stadt geschützt zwischen den Bäumen stand, die Kapuze ihres langen schwarzen Umhangs zurück.

»Kind, riechst du es denn nicht? Na komm, enttäusche mich nicht. Hab ich dir denn so wenig beigebracht?«

Reyna trat an Angel heran und ließ ihren Blick über ihn gleiten. »Hm, er blutet, um nicht zu sagen, er blutet ausgesprochen heftig. Aber sonst?« Sie schloss die Augen und trat schnuppernd näher. Als ihre hübsche, schmale Nase über Angels Gesicht schwebte, zuckte sie plötzlich zurück. »Mierda! Bei allen Heiligen und Unheiligen, er hat sich angesteckt. Kann das sein? Der hübsche Junge hat … die Pest?« Enttäuschung schwang in ihrer Stimme mit.

»Na also. Habe ich bei deiner Erziehung also doch nicht komplett versagt! Ja, leider, er hat eindeutig die Pest. Noch nicht lange, die Krankheit hat noch keinen Besitz von seinem Körper ergriffen, wohl aber von seinem Blut. Es ist verseucht.« Die Stimme des Mannes war leise und nachdenklich.

»Schon, aber wir, oder vielmehr du kannst ihn doch heilen? Das kannst du doch?« Die Zuversicht der hübschen Schwarzhaarigen schien zu schwinden.

Ein leises Lachen, das sie umgehend wieder beruhigte, antwortete ihr. »Ich kann! Allerdings nützt es nichts, ihm nur Blut zu geben. Er hat von seinem eigenen Blut kaum mehr etwas in den Adern und das verbliebene ist verseucht.«

»Dann mach ihn gefälligst zu einem von uns!«

»Reyna!«

»Verzeih. Ich wollte nicht respektlos sein, aber sieh ihn dir an. So einen Mann lässt man doch nicht einfach … verrotten!« Ratlos, ja fast hilfesuchend, eilte ihr Blick zu den vom Schatten der Kutsche verdunkelten Zügen ihres Gegenübers.

Erneut erklang dieses leise, warme Lachen. »Was denkst du eigentlich von mir? Aber du weißt auch, dass wir es nur tun sollten, wenn der andere auch wirklich leben will.«

»Das will er, ganz sicher!«

»Oh Reyna, was mache ich nur mit dir? Aber ja, ich denke auch, dass er das will. Und ich spüre noch etwas anderes, doch dessen bin ich mir wahrlich nicht sicher. Nun aber rasch, er stirbt. Lass uns beginnen.« Der Mann erhob sich zu seiner ganzen beeindruckenden Größe und sah sich suchend um. Ohne dass er auch nur ein Wort gesprochen oder jemanden gerufen hätte, trat unvermittelt ein weiterer, kräftiger Mann zwischen den Bäumen hervor. Er war in ein helles Leinenhemd, ein dunkelbraunes Lederwams und braune Hosen gekleidet. Seine kurzgeschnittenen, blonden Haare standen ihm widerspenstig vom Kopf ab. Langsam trat er näher und verbeugte sich leicht. »Vittorio, du hast mich gerufen?«

»Ja, Etna, danke, dass du so schnell hier warst, ich brauche deine Hilfe.«

Etna warf einen fragenden Blick ins Innere der Kutsche. »Ich sehe schon, das ist ja ein Prachtexemplar.« Sein Gesicht nahm einen zweifelnden Ausdruck an. »Aber du solltest dich beeilen. Viel Leben ist nicht mehr in diesem ausgesprochen eindrucksvollen Körper.«

»Eben, darum wird Reyna uns jetzt zu unserem Zuhause fahren und wir beide kümmern uns um unser neues Familienmitglied.« Vittorio wollte gerade in die Kutsche klettern, als ihn die verärgerte Stimme der Frau zurückhielt.

»Aber ich wollte ihn doch auch retten. Wieso soll ich jetzt nur die Kutsche fahren?«

»Weil ich es sage! Wirst du einmal einfach nur das tun, worum ich dich bitte? Fahr los, jetzt sofort.« Ein kurzer Seitenblick auf Reyna zeigte ihm, dass sie durchaus nicht überzeugt war. »Ich will nichts mehr hören! Du fährst uns jetzt zur Burg.«

Etna saß bereits im Wagen und hatte Angels Beine quer über die seinen gelegt. Vittorio hatte es ob seiner Größe etwas schwerer, seinen Platz einzunehmen. Er bettete Angels Kopf auf seinen Schoß, entledigte sich seines Umhangs und schob die langen Ärmel seines Hemdes zurück.

Vom Kutschbock erklang eine leise Stimme. »Ich will nichts mehr hören. Du fährst uns jetzt. Aber sicher!« Reyna klang höchst verärgert.

Ein Lächeln zog über Vittorios Gesicht. »Über hundert Jahre alt und doch noch immer das ungestüme, wilde Kind, das sie schon vor achtzig Jahren gewesen war. Ich sollte sie eine Weile zu Juri in die Taiga schicken. Dort könnte sie ihr Temperament vielleicht etwas abkühlen.«

»Das habe ich gehört!«

»Das solltest du auch! Und nun konzentrierst du dich auf den Weg. Und mach sachte, unsere kostbare Fracht soll doch heil in ihrem neuen Zuhause ankommen, nicht wahr?«

Vom Kutschbock kam nur noch ein undefinierbares Grummeln. Selbst Reyna wusste, wann sie besser den Mund hielt. Im Inneren der Kutsche hob Vittorio sein Handgelenk an den Mund. Blitzende weiße Eckzähne senkten sich in seine Pulsader und dann drehte er Angels Gesicht zu sich. Das Blut tropfte in stetigem Fluss in dessen leicht geöffneten Mund. Ein einziger Blick zeigte ihm, dass Angel zu schlucken begann. Vittorio wandte sich Etna zu. »Gut, er ist soweit. Saug ihm sein verdorbenes Blut aus, aber schluck nicht zu viel. Es ist bedauerlicherweise nicht mehr das Beste.«

Die Raben Kastiliens

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