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Schon von weitem sah Angel die aus groben Stämmen gezimmerte Absperrung, sah auch die vielen Soldaten, die wie eine lebende Mauer zwischen ihm und dem Bezirk standen, in dem sein Haus stand.

»Angel, sei vorsichtig, dort ist Adolfo. Du weißt, wie er ist. Wenn wir jetzt einen Fehler machen, werden wir unsere Lieben nie wiedersehen.« Xavier war sichtlich beunruhigt. Der bedachte Mann hatte mit dem aufbrausenden Adolfo schon seine Erfahrungen gemacht, und es war keine gute dabei.

»Hab keine Angst, ich weiß, was ich tue.« Angel sprang vom Pferd und ging auf Adolfo zu, der ihm mit ausdrucksloser Miene entgegenblickte.

»Adolfo, ich grüße dich. Wir sind vor wenigen Augenblicken gemeinsam mit Don Raul von unserer Handelsreise zurückgekehrt. Nun möchte ich zu meiner Frau und meinem Kind, um zu sehen, wie es ihnen geht, und ob ich etwas tun kann.« Einige Schritte vor Adolfo blieb Angel abwartend stehen.

»Ich bedaure, mein alter Freund, doch du kommst zu spät. Der Bereich wurde wohlüberlegt abgesperrt. Zu viele Kranke, zu viel Ansteckung. Du kannst dort nicht hinein. Wir haben unsere Order und die gilt auch für dich, Angel.« Ein seltsames Lächeln erschien auf Adolfos Gesicht.

Angel war irritiert und blickte den Hauptmann fassungslos an. »Das kann nicht dein Ernst sein. Ihr könnt doch die Menschen, die dort leben, nicht einfach sterben lassen. Das ist teuflisch! Weiß denn der Bischof von dem, was ihr hier tut?«

Mit einem verächtlichen Grinsen wandte sich der Hauptmann ihm zu. »Freundchen, wir tun dies auf Anordnung des Bischofs. Willst du ihm Teufelei unterstellen?« Die Stimme Adolfos wurde ganz sanft.

Xavier griff eilig nach Angels Arm. »Angel, sei lieber still. Du weißt, was sie mit dir machen, wenn das hier so weiter geht.«

In Angel aber überwog die Angst um seine Familie. »Dort im Kloster gibt es Arzneien und Mittel zur Stärkung für die Kranken. Es kann nicht in Christi Willen sein, dass Menschen sterben!«

Der Soldat stand nun direkt vor Angel. Xavier zog sich ängstlich zurück. Sie alle wussten, wie schnell die Inquisition handelte.

»Verschwinde von hier. Du kannst nicht mehr helfen. Dort sind fast alle tot und die, die noch atmen, sind dem Tod näher als dem Leben.« Adolfos Miene war starr und lauernd zugleich.

Angel zitterte vor Zorn und Furcht um seine Familie »Es kann nicht wahr sein, dass unser Bischof den Tod von Menschen befiehlt.«

»Angel, mein Sohn, beruhige dich, komm zu dir. Unser Bischof stellt sich nur schützend vor die Gesunden in dieser Stadt.« Die Stimme gehörte Padre Anselmo. Der kleine Mönch erschien hinter den Soldaten und knetete sorgenvoll seine Finger.

»Ja natürlich, vor die gesunden Menschen in den reichen Teilen dieser Stadt. Wolltet ihr das sagen? Ihr opfert die Armen, um die Reichen zu schonen. Das soll christlich sein?« Angels Zorn wich Fassungslosigkeit.

Ehe einer von ihnen weitersprechen konnte, galoppierte ein Pferd samt Reiter heran. Jesús sprang von seinem Schimmel und lief auf Xavier und Angel zu. Adolfo würdigte er keines Blickes.

»Xavier, deine Frau und deine Tochter sind mitsamt meiner Familie hinaus aufs Land. Sie wohnen seit einigen Wochen schon auf dem kleinen Bauernhof meiner Schwester und meines Schwagers. Es geht ihnen gut, sie leben!« Jesús hieb Xavier voller Freude auf die Schulter. »Nun, sind das gute Nachrichten?«

Xavier starrte Jesús eine Weile an, ohne zu begreifen, nur langsam drang das Gehörte zu ihm vor. Endlich verstand er. »Sie sind außer Gefahr? Oh Gott, ich danke dir. Aber … hast du auch etwas von Angels Familie gehört?«

Jesús schüttelte den Kopf. »Leider nicht, aber ich weiß, dass Benito und Estella in ihrem Haus sind. Sarah ist doch eine kluge Frau. Sicher hat sie beizeiten Zuflucht bei ihren Eltern gesucht.«

»Ja, natürlich, das habe ich nicht bedacht. Warum sollte sie hier bleiben, wenn ihre Eltern das schöne Häuschen haben?« Hoffnung keimte in Angel auf. Er warf einen letzten, wütenden Blick auf Adolfo und den ängstlichen Mönch. »Irgendwann werdet ihr für das hier bezahlen müssen. Solch eine Untat begeht niemand ungestraft. Doch damit müsst ihr leben, nicht ich, und dafür bin ich meinem Schöpfer dankbar.« Angel eilte zu seinem Pferd und schwang sich hinauf.

Xavier saß bereits im Sattel. »Ihr seid mir sicher nicht böse, wenn ich euch jetzt sofort wieder verlasse. Ich muss nach meiner Frau und dem Kind sehen. Wenn ihr wollt, komme ich zurück, sobald ich weiß, wie es ihnen ergangen ist.«

»Unfug! Du bleibst bei deiner Familie. Dort wirst du gebraucht. Wir kommen hier schon zurecht. Wir sehen uns bald wieder, mein Freund.« Angel brachte ein aufmunterndes Lächeln zustande.

Xavier lächelte dankbar zurück. »Gut, dann mache ich mich auf den Weg. Ich wünsche dir alles Glück der Welt, Angel. Gib auf dich acht, keine übereilten oder unbedachten Handlungen. Du kennst Adolfo. Diese hinterhältige Kröte freut sich, wenn sie dir Schaden zufügen kann.«

»Keine Angst, ich kann auf mich aufpassen. Jetzt verschwinde. Es ist ja nicht so, dass wir uns das letzte Mal in unserem Leben sehen, nicht wahr?«

Xavier zog eine Grimasse, drückte seinem Pferd die Hacken in die Flanke und verschwand in großer Hast.

Die Raben Kastiliens

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