Читать книгу Die Raben Kastiliens - Gabriele Ketterl - Страница 42

12.
Malaga, Februar 1937

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»ZU SPÄT, WIR SIND ZU SPÄT GEKOMMEN! Verdammt! Warum?« Voller Zorn trat Sergej gegen die Wand des von Fliegerbomben zerstörten Hauses, hinter dem sie sich vor fremden Blicken verbargen.

»Beruhige dich, wir haben getan, was wir konnten. Es gibt immer wieder Situationen, in denen auch wir machtlos sind.« Angel fiel es schwer, besänftigend auf den riesigen blonden Hüter einzuwirken. Angesichts der Verwüstung, die von den Bomben verursacht worden war, war auch er fassungslos. Sie hatten unzählige Tote gesehen, viele davon Kinder, auf der Flucht umgekommen. Was für ein Grauen, welch ein sinnloses Töten.

Sergej lud seine Waffe durch. »Wo steckt denn Luca eigentlich?«

»Keine Ahnung. Er sollte gleich hier sein. Aber dem passiert nichts.«

»Schon, darum geht es nicht. Ich will einfach nur weiter. Ich weiß, dass ungefähr zwanzig Kilometer entfernt eine Einheit der Legion Condor untergebracht ist, zusammen mit Teilen einer spanischen Eliteeinheit. Nachdem sie offenbar keine Probleme damit haben, vor dem Bürgerkrieg flüchtende Frauen und Kinder zu bombardieren, würde ich ihnen gern einen Höflichkeitsbesuch abstatten.« Wer Sergej bei diesen Worten ins Gesicht sah, wünschte sich mit Sicherheit nur eines: weit, sehr weit entfernt von ebenjenem Truppenlager zu sein.

»Na endlich. Da kommt er ja.« Sergej stützte sich auf sein Gewehr und sah dem Neuankömmling erwartungsvoll entgegen.

Luca de Marco, der mit versteinertem Gesicht auf die beiden zukam, war im Vergleich zu Angel nicht minder eindrucksvoll. Seine langen dunklen Haare hatte er zu einem strengen Zopf geflochten, seine schwarze Kampfmontur starrte vor Dreck und seine edlen maurischen Züge waren zu Eis erstarrt. »Welch ein Wahnsinn! Ich werde niemals so alt werden können, dass ich die Menschen verstehe.«

»Erzähl mir was Neues! Sag schon, sind unsere Leute in Sicherheit? Dir dürfte bewusst sein, dass Bomben für uns ein, sagen wir einmal, kleines Problem darstellen?« Sergej musterte Lucas Mienenspiel fragend.

Der atmete schließlich tief ein und entspannte sich etwas. »Lauter Irrsinnige! Aber ja, alle Familien sind in Sicherheit. Wir haben sie teils in die Wüstenresidenzen der arabischen Fürsten gebracht, teils zu Juri in die Taiga verfrachtet. Auch Craigh hat einige der Unseren in diversen Burgen und Schlössern in den schottischen Hochebenen einquartiert. Eine Sorge weniger.«

»Sehr gut. Dann können wir uns den Herrschaften im Stützpunkt widmen? Nachdem ich dies hier gesehen habe, brenne ich darauf, einigen von ihnen die Hand zu schütteln.« Sergej lud sich sein Gewehr auf die Schultern, warf seine blonde Mähne zurück und zeigte ein eher beunruhigendes Lächeln.

»Und wie willst du dort hinkommen? Auf Granatenbeschuss habe ich so gar keine Lust.« Angel war sich in dieser Sache noch nicht so sicher.

»Kommt einfach mal mit. Ich denke, ich hab da was. Mir ist vorhin ein Wagen der SS über die Füße gefahren.«

»Oha, wie sieht der Wagen jetzt aus?« Luca gelang immerhin ein schiefes Grinsen.

Sergej hob lässig die Schultern. »Der Wagen sieht noch sehr gut aus, was man von seinen Insassen nicht mehr behaupten kann. Immerhin, sie waren nahrhaft. Aber zur Sache. Ich habe einen Plan.« Der hünenhafte Wikinger drehte sich um und stapfte aus der Häuserruine hinaus in die Nacht.

Ungesehen gelangten sie durch den von den Bomben zerstörten Vorort.

Schließlich bog Sergej in eine schmale Gasse ein und schob einen umgestürzten Baum beiseite. »Bitte, meine Herren, unser neues Gefährt, samt passender Verkleidung. Nicht, dass es notwendig wäre, aber wir sollten zumindest ein wenig den Schein wahren.«

»Du hast recht. Raffaele hat klar und deutlich gesagt, wir können machen, was wir wollen, solange wir nicht auffallen. Daher sollten wir zumindest versuchen, vorsichtig sein.« Luca hatte offenbar keine Lust, sich Raffaeles Zorn zuzuziehen.

»Das bekommen wir allemal hin. Los, zieht euch die Uniformen an. Sie sollten einigermaßen passen. Die passende Statur haben sie ja, die Herren dieser sogenannten Eliteeinheit.« Sergej hatte schon damit begonnen, sich in die Uniform zu zwängen. »Hm, etwas eng, aber es wird schon gehen. Mann, warum kann keiner eine vernünftige Größe haben?«

Angel lachte leise in sich hinein. »Himmel, Sergej, der Kerl war mindestens einen Meter neunzig. Das ist nicht klein!«

»Für mich schon. Was ist, wieso siehst du mich so an?«

Luca musterte Sergej halb bewundernd, halb erschrocken. »Sieh dich doch an. Ich denke nur gerade mit Schaudern daran, welchen Schrecken du verbreiten könntest, stündest du auf der falschen Seite.«

Sergej blickte an sich hinunter. Die Uniform eines Generals der Waffen-SS saß ziemlich gut, der Ledermantel knirschte, sobald er sich bewegte. Er sah wahrlich eindrucksvoll und ein wenig beängstigend aus. Achselzuckend raffte er seine lange, fast weißblonde Mähne zusammen und verstaute die Haarflut unter der Kappe. »Bin ich aber nicht, zum Leidwesen derer, die sonst in dieser Aufmachung stecken. Wobei es mir vollkommen egal ist, wer welche Montur trägt. Brutales, sinnloses Morden ist für mich immer ein Anlass, höflich nachzufragen, was der andere sich dabei denkt. Egal, ob das die Deutschen, die Spanier, die Italiener, die Russen, die Franzosen, die Briten oder sonst wer sind.«

»Nur gut, dass du dabei stets höflich bist.« Angel grinste den Hünen breit an. »Sonst könnte noch jemand Angst bekommen.«

»Ja, und jetzt ab durch die Mitte. Ich blicke mit Schaudern gen Himmel, meine Herren.« Sergej zeigte auf den Stand des Mondes.

»Korrekt, also los. Verhindern wir mal ein paar weitere Tote auf der Seite der Unschuldigen.« Luca zog sich seine Uniformjacke zurecht, was gar nicht einfach war, da er größenmäßig beinahe an Sergej heranreichte und seine Uniform ebenfalls etwas eng saß. Auch er hatte seinen Zopf unter die Mütze gezwängt. Langhaarige Offiziere hätten wohl etwas zu viel Aufmerksamkeit erregt.

Sie stiegen in den großen Mercedes und Angel startete den Motor.

»Hm.«

»Was hm?«

»So leid es mir tut, aber auf ihre Autos stehe ich schon.«

Die Raben Kastiliens

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