Читать книгу Die Raben Kastiliens - Gabriele Ketterl - Страница 40

Оглавление

11.

Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als Angel eine Stunde nach Sonnenuntergang am Waldrand wartete. Aufgeregt spähte er immer wieder in Richtung der Stadt. Der Tod von Nunzio und seinen Helfern hatte sich herumgesprochen wie ein Lauffeuer. Seither kamen stündlich neue Schandtaten des Bischofs ans Tageslicht. Isaia würde es übernehmen, wieder etwas Ordnung herzustellen, doch jetzt würde er zuerst versuchen, Benito und Estella schonend beizubringen, was geschehen war. Angel bezweifelte, dass sie kommen würden. Doch er sollte sich täuschen.

Kurz vor zehn Uhr holperte ein kleiner Karren durch das südliche Stadttor und rollte langsam auf Angel zu. Er erkannte Isaia auf dem Kutschbock und neben ihm saß niemand anderes als Benito. Als sie näher kamen, sah er auch Estella, die neugierig an Isaia vorbeispähte. Kaum waren sie bei Angel angelangt, kletterte sie mit ungeahnter Geschicklichkeit aus dem Gefährt. Etwas zaghaft ging die kleine Frau, die seit den letzten Ereignissen um Jahre gealtert zu sein schien, in Angels Richtung. Der machte einen vorsichtigen Schritt auf sie zu.

»Angel, mein Junge, bist du es wirklich?« Als er daraufhin gänzlich aus dem Dunkel der Bäume trat, erkannte sie ihn. »Du bist es! Du lebst! Oh Angel, du glaubst nicht, wie wundervoll das ist.« Sie eilte auf ihn zu und schlang ihre Arme um seine Mitte.

»Estella, hat Isaia dir gesagt, was geschehen ist? Was mit mir geschehen ist?« Er hielt die vor Freude weinende Frau fest im Arm, während Benito hinzukam.

»Ja, Angel, wir wissen es. Isaia hat uns alles erzählt. Und wir sind sehr glücklich darüber, dass du noch einmal zu uns gekommen bist, dass wir dich nochmals sehen dürfen. Jetzt wissen wir auch, dass unser Kind in einem schönen Grab liegt, wir wissen, wohin wir gehen können, wenn wir sie und Juanito besuchen möchten. Endlich können wir von unserer Tochter in Würde Abschied nehmen. Das hast du vollbracht, Angel. Wir danken dir dafür von ganzem Herzen.«

»Fürchtet ihr euch denn nicht vor mir?« Angel wagte kaum zu glauben, dass dem nicht so war.

»Aber nein. Natürlich war es zuerst ein wenig beängstigend, doch Isaia hat uns beruhigt und nun sehen wir, dass du kein Monster bist. Du bist noch immer unser Sohn. Und du wirst es immer bleiben. Angel, wir lieben dich. Egal, was oder wie du bist.«

B

Es fiel ihm schwer, sich nach einer Weile endgültig von den beiden geliebten Menschen zu verabschieden, ihnen wahrscheinlich auf ewig Lebewohl zu sagen. Aber es war auch ein gutes Gefühl. Als das Fuhrwerk mit Benito und Estella zurück nach Toledo ruckelte, wusste Angel, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Er sah ihnen nach, bis sie unter dem Torbogen verschwunden waren und ging dann langsam und nachdenklich zu der Lichtung, an der Vittorio schon auf ihn wartete.

»Und, wie geht es dir?«

»Gut! Sehr gut. Du hattest recht, es war richtig, ihnen Lebewohl zu sagen. Indem ich mich von ihnen verabschiedet habe, konnte ich auch ein wenig Abschied von Sarah und meinem Jungen nehmen. Wobei ich nicht zu sagen vermag, wann diese Trauer versiegen wird.«

»Das ist schön für dich und hab Vertrauen, ganz wird die Trauer nie vergehen, doch es wird irgendwann sein wie ein Windhauch der Vergangenheit. Eine Sache wäre da noch, Angel. Wenn jemand ein neues Leben anfängt, zum Kind der Dunkelheit wird, dann tut er das meist auch unter einem neuen Namen. Wie ist das bei dir? Möchtest du dein altes Ich hinter dir lassen und neu beginnen?«

Angel stieg auf sein Pferd und dachte lange nach. Schließlich hatte er seine Entscheidung getroffen.

»Nein, Vittorio, ich werde Angel Cruz Trujillo bleiben. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann war es ein gutes Leben. Ich habe viel Glück und Liebe erfahren, ich habe mein Leben gemocht. Der Schmerz und die Trauer um Sarah und meinen kleinen Sohn werden immer bleiben, doch auch das gehört zu mir. Es ist gut so, wie es ist.«

»Du bist ein starker Mann. Ich gebe zu, ich bewundere dich und ich bin stolz, dass ich es war, der dich zu einem von uns gemacht hat. Natürlich respektiere ich deine Entscheidung, Angel.« Vittorio richtete sich im Sattel auf. »Gut, dann werden wir jetzt zusehen, dass wir so schnell wie möglich nach Valencia kommen. Wann hast du das letzte Mal das Meer gesehen?«

»Das ist lange her und ich freue mich schon sehr darauf. Deshalb sollten wir nicht länger herumtrödeln. Ich will keine Sekunde meines neuen Lebens vergeuden.« Lachend drückte Angel Mercurio die Fersen in die Flanken und galoppierte davon.

Vittorio sah ihm ebenso verblüfft wie amüsiert hinterher. »Das dürfte ja noch sehr interessant werden.«

Die Raben Kastiliens

Подняться наверх