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»Raus aus den Federn, mein Hübscher, die Sonne wird bald untergehen. Wir sollten uns langsam fertig machen. Vittorio erwartet uns alle in einer halben Stunde im großen Salon!« Reyna wuschelte dem schlaftrunkenen Angel noch einmal kräftig durch die dunkle Mähne, um dann kichernd das Weite zu suchen.

Sofort war Angel hellwach. Ja, fertig machen klang gut. Er versicherte sich, dass die Frau auch wirklich sein Zimmer verlassen hatte und sprang dann eilig aus dem Bett. Nackt wie er war, ließ er seine Blicke über die Möbel gleiten und erspähte dort die erwähnten Kleidungsstücke. Als er sie in die Hand nahm, wurde ihm schnell klar, was Vittorio gemeint hatte. Nachdem er sich mit kühlem Wasser aus einer großen, irdenen Schüssel gewaschen hatte, kleidete er sich an. Sich im Spiegel betrachtend, musste er wohl oder übel grinsen. Ein schwarzes Hemd, über der Brust zu schnüren, mit ebenfalls geschnürten Ärmeln, zu einer engen schwarzen Lederhose, an deren Nähten silberne Schmuckschnallen glänzten. Dazu ein breiter, beschlagener Gürtel und kniehohe schwarze Lederstiefel. Am Gürtel waren Schlaufen für Waffen eingearbeitet und die passenden Dolche lagen, ordentlich aufgereiht, auf dem dunklen Holztisch in der Mitte des Raums. Reyna hatte gute Arbeit geleistet. Nachdem er sich fertig ausgestattet hatte, konnte er nicht umhin zuzugeben, dass Reyna, wenn auch wahrlich sehr speziell, eine hervorragende Wahl getroffen hatte. Er sah eindrucksvoll aus – vor allem, wenn er lächelte!

Mit großen Schritten eilte er die Treppe hinunter und betrat erwartungsvoll den Salon.

Vier Augenpaare sahen ihm neugierig entgegen. Ein Blick auf Vittorio, Etna und El Cazador zeigte Angel, dass seine Bekleidung durchaus angemessen war. Sie alle trugen schwarz, doch das war das einzig Unauffällige an ihnen. El Cazador und Etna waren bis an die Zähne bewaffnet, was im Fall der beiden Raben Kastiliens als nettes Wortspiel durchzugehen vermochte. El Cazador hatte zwei Schwerter in einer eigens für ihn gefertigten Konstruktion auf den Rücken geschnallt. Angels fragenden Blick bemerkend, zog er in einer kaum wahrnehmbaren Bewegung beide Schwerter gleichzeitig. »Na, hast du es gesehen? Das geht flugs und ich habe, solange ich nach meinen Feinden suche, beide Hände frei.«

Angel war nachhaltig beeindruckt. »Du bist verflixt schnell.«

»Na ja, wenn ich nicht falsch liege, dann bist du mir zumindest ebenbürtig. Da, dein Schwert. Ich habe es dir anständig geschliffen. Liegt es gut in der Hand?«

Angel wog das große, schöne Schwert zuerst mit beiden Händen, dann nur mit der Rechten. »Absolut. Es scheint perfekt zu sein.«

Er tat ein paar kurze Schwünge, um die Waffe zu testen. Alles fiel zu seiner Zufriedenheit aus. Erst als er anschließend seinen Blick über die Anwesenden schweifen ließ, nahm er Reyna wirklich wahr. Die Frau saß in einem wuchtigen Ledersessel und trommelte nervös mit den Fingern auf die Lehne.

Ihr schlanker Körper steckte in einer Montur, die der seinen nicht unähnlich war, nur etwa halb so groß.

»Reyna, willst du denn auch mit?« Angel war etwas verwundert. Kämpfende Frauen waren etwas Neues für ihn.

Reyna musterte ihn verblüfft. »Aber sicher! Was glaubst du denn? Das lasse ich mir doch nicht entgehen. Also wirklich!« Kopfschüttelnd erhob sie sich aus ihrem Sitzmöbel.

»Du musst wissen, dass es ausgerechnet Nunzios Großvater war, der vor so vielen Jahren unsere Kleine hier auf dem Scheiterhaufen festgebunden hat. Das liebenswerte Wesen scheint sich in seiner Familie fortzupflanzen«, mischte sich Vittorio ein und streichelte Reyna liebevoll über das blauschwarz glänzende Haar. »Daher ist es durchaus verständlich, dass sie heute dabei sein will.«

»Scheiterhaufen? Sie wollten dich verbrennen?« Angel rang nach Atem. Allein der Gedanke ließ ihm die Haare zu Berge stehen.

»Falsch! Sie haben mich verbrannt. Zumindest dachten sie das. Aber ich war schon immer sehr, sehr zäh. Vittorio hatte seine liebe Not, mich zu retten. Aber er hat es geschafft!« Reyna stellte sich auf die Zehenspitzen, warf ihre Arme um Vittorios Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

Angel war sprachlos. Etna war es, der ihn aus seiner Verblüffung riss, indem er zum Aufbruch drängte. »Meine Lieben, ich möchte ja nicht ungemütlich sein, aber die Nacht dauert nicht ewig und wir haben einiges vor. Also sollten wir langsam los, nicht wahr?«

»Vollkommen richtig. Habt ihr alle eure Waffen? Gut! Und tut mir einen Gefallen: Wenn ihr könnt, dann nährt euch. Es wird, so glaube ich zumindest, einige Möglichkeiten dafür geben. Auch du, Angel.« Vittorio blickte Angel auffordernd an.

»Wovon sprichst du?«

»Davon, dass du Nahrung zu dir nehmen musst. Du brauchst Blut! Normalerweise nähren wir uns – wie ich dir ja ausführlich erzählt habe – von willigen Blutsklaven. Aber in diesem Fall werden auch Menschen dabei sein, die sowieso sterben müssen, daher …« Vittorio zuckte mit den Schultern.

»Ich verstehe, weiß aber noch nicht, ob ich das kann.« Angel war sich seiner Sache durchaus nicht sicher.

»Du wirst!« Vittorio klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Glaub mir, du wirst!«

Sie verließen den Salon und eilten hinaus in den Burghof, wo El Cazador und andere helfende Hände bereits die Pferde aufgezäumt und fertig gesattelt angebunden hatten.

Angel kniff ungläubig die Augen zusammen. »Mercurio! Mein Guter, wie kommst du denn hierher?« Voller Freude begrüßte er den treuen Hengst, der ihm schnaubend die Nüstern ins Haar steckte.

»Ich hatte so eine Ahnung, dass du ihn gern wieder bei dir haben würdest.« Vittorio schwang sich auf den Rücken seines edlen Apfelschimmels.

»Das war eine wunderbare Idee, danke!« Angel war sehr froh darüber, sein geliebtes Pferd wiederzuhaben.

Als sie in gestrecktem Galopp die Burg verließen, begann sein Blut schneller zu kreisen. Angel konnte die Erregung darüber, dass seine Rache nah war, nunmehr körperlich spüren.

Die Raben Kastiliens

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