Читать книгу Die Raben Kastiliens - Gabriele Ketterl - Страница 30

5.

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Drei Stunden nach Mitternacht brach er auf. Langsam und wohlwissend, dass dies der letzte Weg in seinem Leben sein würde, schritt er auf die hell erleuchteten Barrikaden am Osttor zu. Obwohl er sich nicht bemühte, leise zu sein, bemerkten sie ihn erst, als er schon beinahe bei ihnen angekommen war.

»Halt! Wer ist da? Verschwinde zurück in dein Haus, wer auch immer du bist! Du hast hier nichts verloren. Keiner kommt hinaus.«

Der Wachhabende hatte sein Schwert gezogen und starrte Angel, verärgert darüber, dass jemand seinen Halbschlaf zu stören wagte, entgegen.

»Ich will doch gar nicht hinaus. Nur ihr seid es, zu denen ich will. Ihr und euer herz- und seelenloser Anführer.« Angels Stimme war leise und doch bedrohlich.

Jeder, der nur annähernd Verstand besaß, vermochte den Zorn, der in ihm schwelte, aus dieser gefährlich ruhigen Stimme zu vernehmen.

»Adolfo, wo bist du? Zeig dich, du feiger Mörder!« Angel sprach jetzt lauter und die Männer wurden unsicher. Wer war so lebensmüde, sich einer ganzen Wachmannschaft entgegenzustellen?

»Ein letztes Mal! Bleib stehen, wo du bist, und verschwinde wieder, sonst machen wir kurzen Prozess mit dir. Hau ab!« Einer der Soldaten fuchtelte drohend mit seinem Schwert in Angels Richtung.

Der aber trat mit einem letzten großen Schritt in den Lichtschein des Feuers. Mit seinen beinahe zwei Metern Größe, der schwarzen Kleidung und dem blitzenden Schwert in den Händen war er eine mehr als bedrohliche Erscheinung. Dennoch, auch wenn die Stimme etwas unsicherer klang, forderte ihn der ihm am nächsten stehende Soldat erneut auf, sich sofort zurückzuziehen.

»Bist du lebensmüde? Los, verschwinde, noch einmal sage ich dir das nicht! Hast du verstanden?«

»Nur zu gut! Ja, ich bin lebensmüde. Alles, wofür ich gelebt habe, ist letzte Nacht für immer von mir gegangen. Schickt mir euren Anführer und wenn ihr euer Leben liebt, dann geht mir aus dem Weg!« Angel war nun so nahe, dass er in die Augen seines Gegenübers blicken konnte und er sah die Angst darin. Er wiederholte seine Worte langsam und deutlich. »Geht mir aus dem Weg!«

Mittlerweile waren alle, die an der Absperrung des Stadtteiles Wache hielten, herangetreten. »Du scherzt, nicht wahr? Oder die Pest hat dir das Hirn zersetzt. Glaubst du armer Irrer wirklich, du könntest uns alle besiegen? Komm, geh zurück. Leck deine Wunden, wir sind nicht schuld, wenn du Verwandte verloren hast. Ein allerletztes Mal: Geh!« Der vorderste Wachmann stupste ihm mit der Spitze des Schwertes vor die Brust.

Ein Fehler, der ihn binnen Sekunden das Leben kostete. Er lag tot im Staub, noch ehe er begriffen hatte, was tatsächlich geschehen war. Angel hielt mit zornsprühendem Blick sein blutbesudeltes Schwert in der rechten Hand. Mit der Linken winkte er nachlässig den vollkommen überraschten Soldaten zu. »Kommt, kommt und holt mich!«

Angels Waffe richtete ein Blutbad an. Er kämpfte mit der Kraft, der Verbissenheit und dem Mut dessen, der den Tod nicht fürchtet.

Vier Soldaten der Wachmannschaft hatte er bereits besiegt, als er die verhasste Stimme hinter sich hörte.

»Sieh einer an. Der Rächer der Armen. Angel, ich hätte dir mehr Verstand zugetraut.« Adolfo war aus einem der kleinen Häuser getreten und hatte sein Schwert schon zum ersten Streich erhoben.

»Meinem Verstand geht es prächtig. Es ist deine Menschlichkeit, die ich vermisse, mein alter Freund. Dank dir und deinem Herrn, der sich Christ nennt und doch der Teufel ist, habe ich nichts mehr zu verlieren. Du hingegen schon. Dein dreckiges Leben!« Angel stürzte sich mit vor Hass sprühendem Blick auf den einstigen Freund. Sein Schwert brachte ihm in unfassbarer Schnelligkeit zahlreiche Wunden bei, die heftig bluteten. Aber Adolfo wusste sich zu wehren und so war es ein fast ausgeglichener Kampf. Fast! Der Hauptmann musste erkennen, dass er dem lodernden Zorn Angels auf Dauer nicht allzu viel entgegenzusetzen hatte. Selbst als einer seiner Leute sich von hinten an Angel herantastete, kostete ihn dies das Leben, denn während Angel mit der rechten Hand das Schwert führte, zog er mit der Linken geschickt und schnell seinen Dolch. Der heimtückische Angreifer hatte die scharfe Klinge zwischen den Rippen, ehe er erkannte, was Angel tat.

Leider war das Glück ein treuloser Freund und so war es Adolfo, der den nächsten Moment nutzte, um seine Position zu verbessern. Während er Angel mit raschen, gezielten Schwerthieben ablenkte, schlichen sich fünf seiner Männer gleichzeitig von hinten an die verbissen fechtenden Gegner heran. Eine Übermacht, die selbst Angels unglaubliche Reaktionsfähigkeit nicht mehr abzuwehren vermochte. Zwar lag der Erste in seinem Blut, noch ehe er zum Hieb ausholen konnte, doch gleich drei Schwerter bohrten sich von hinten durch Angels Brust und zwangen ihn in die Knie. Ein letztes Mal hob er sein Schwert, stieß es mit unerwarteter Kraft hinter sich und mit lautem Röcheln brach ein weiterer Soldat zusammen. Als Angel mühsam den Kopf hob, sah er gerade noch, wie Adolfo grinsend seine Klinge hochriss und sie auf ihn hinabsausen ließ. Er hörte auch die Worte, die Adolfo seinem tödlichen Hieb mit auf den Weg gab.

»Bestell deinem wundervollen Weib meine besten Grüße, wenn du sie in der Hölle wiedersiehst!«

Die Raben Kastiliens

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