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Wovon bittere Kräuter
und vier Becher Wein erzählen

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Was unterscheidet ein Essen vom Mahl? Wenn die

Freiheit mit allen Sinnen verkostet wird.

Georg Sporschill

Es fand ein Mahl statt.

JOHANNES 13,2

Das Geburtstagskind, Kathi aus Vorarlberg, strahlt inmitten der neuen Gemeinschaft, die sich nach zwei Monaten im siebenbürgischen Dorf Hosman/Holzmengen nun schon in unserem Hof versammelt hat. Unsere rumänischen Mitarbeiter sind trotz Fastenzeit gekommen, um zu gratulieren. Zwischen Schutt und Baumaterial haben wir Tische aufgestellt und mit Frühlingsblumen geschmückt. Zum Essen kommen ein paar rumänische Jugendliche aus dem Dorf, zwei unserer Schützlinge aus Bukarest, eine junge Familie und Freiwillige aus Österreich, Deutschland, Lettland. Endlich kommt auch Ruth von der Arbeit. Nun sitzen alle am Tisch. Welche Sprache werden wir sprechen? Was gibt es zu reden? Danciu mit dem schwarzen Hut und Ica im prächtigen Faltenrock und mit roten Bändern in den langen Zöpfen werden zu Lehrern und erzählen Geheimnisse aus ihrer kleinen Volksgruppe, den Cortorari, den Zeltzigeunern.

Es gibt Wein und Wasser aus unserem Ziehbrunnen. Wir alle lernen die ersten Worte Romanes. Die Jugendlichen bauen eine Brücke zwischen getrennten Welten, den Besuchern aus Westeuropa, den rumänischen Nachbarn, den Roma unten im Dorf und den echten Zigeunern, die stolz auf ihre Kultur sind. Alle singen für Kathi ein rumänisches Volkslied, Moise trommelt, Kinder toben um den Tisch. Ica springt auf und tanzt, ihr roter Rock zieht einen großen Kreis. Jeder ist willkommen, jeder hat mitgeholfen, im Grunde sprechen alle eine gemeinsame Sprache. Was für ein buntes Fest!

Was macht ein Essen zum Mahl? Ablesen können wir es am Seder-Mahl, dem jährlichen Ostermahl, das Jesus mit Israel feiert, wie alle Juden bis zum heutigen Tag. Dieses Mahl ist der Höhepunkt der Tischkultur. Wochenlang wird es vorbereitet, der alte Sauerteig wird aus dem Haus entfernt, das Haus bis in die letzte Ecke gesäubert. Ein besonderes Geschirr kommt auf den Tisch. Alle Speisen haben einen tieferen Sinn: Die bitteren Kräuter erinnern an schwere Tage, rotes Gemüse an die Fronarbeit mit Ziegeln. Der Jüngste am Tisch stellt Fragen zum Sinn des Festes, der Hausvater antwortet mit Geschichten aus der Bibel und aus der Familie. Zehn Tropfen Wein werden auf das Tischtuch gegeben, sie erinnern an die zehn Plagen, die über den Pharao kommen mussten, bis er das Volk in die Freiheit ziehen ließ. Die Speisenabfolge wird von Gesängen begleitet. Vier Becher Wein werden mit Freude getrunken und Gott mit dem Halleluja gepriesen. Bei diesem Essen – es ist die Nacht der Befreiung – stiftet Jesus das Abendmahl, damit wir, die Vielen, zu Dienern der Freude für alle werden.

Beim Mahl mit Freunden am Familientisch und in der heiligen Messe erleben wir Zusammengehörigkeit, Dankbarkeit über das erfahrene Glück und verspüren die Kraft, den Weg der Freiheit weiterzugehen und für die Befreiung zu kämpfen. Welche Tischgenossen braucht es dazu? Welche Themen kommen auf den Tisch? Was gibt es zu essen und welche Worte sind vorbereitet − Gebete, Dank, Erinnerungen, Zukunftspläne? Wann wird aus dem Essen ein Mahl, bei dem wir die Freiheit mit allen Sinnen erleben?

Elijah & seine Raben

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