Читать книгу Elijah & seine Raben - Georg Sporschill - Страница 18
Auch die Langsamen bekommen
eine Chance
ОглавлениеManchmal bin ich schwer von Begriff.
Wo habe ich länger gebraucht, etwas zu verstehen?
Josef Steiner
Jesus antwortete ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht;
doch später wirst du es begreifen.
JOHANNES 13,7
In Nikolsburg in Mähren wurde ein neuer Rabbi eingesetzt. Es war dort Sitte, dass der neu Berufene beim Antritt seines Dienstes in die Gemeindechronik eine Verordnung eintrug, die ab jetzt zu befolgen sei. So forderte man auch ihn auf, das zu tun. Aber der Rabbi verschob es von Tag zu Tag. Er sah sich die Leute an und zögerte die Eintragung hinaus. Immer bedächtiger und genauer beobachtete er sie. Schließlich wurden die Leute von Nikolsburg ungeduldig und gaben ihm zu verstehen, er dürfe nun nicht länger säumen. Da ging er hin und trug die Zehn Gebote in die Chronik ein. Sein Blick auf die Gemeinde hatte ihm gezeigt, was wirklich nötig war. Er brauchte lange, um das zu verstehen.
»Habt ihr das alles verstanden?«, fragt Jesus seine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nachdem er ihnen in Bildern und Vergleichen aus der Natur vom Reich Gottes erzählt hat, das wie ein Same, klein und unscheinbar ausgesät, groß wird und wächst. Er hat größtes Interesse, sie mitzunehmen in sein neues Werk, in sein Denken, in seine Vorstellungen. Als einfühlsamer und geduldiger Pädagoge weiß er aber auch, wie schwer von Begriff manchmal seine Elite ist. Bei einem Tagesausflug auf dem See haben sie die Brotzeit vergessen und machen sich darüber Gedanken. Jesus hält ihnen entgegen, ob sie denn immer noch nicht begriffen haben, dass sie in seiner Gegenwart nie des täglichen Brotes entbehren müssen; sie sollen das Wunder der Brotvermehrung nie vergessen. Auf dem Weg in das politische und religiöse Zentrum der Macht in Jerusalem erzählt er ihnen von den damit verbundenen Strapazen und Konflikten. Er akzeptiert ihre Überforderung und ihr Unverständnis, er versteht, dass eine solche Vorstellung der Zukunft schwer in ihre Köpfe geht. Bei einem Konfliktgespräch mit den Verantwortlichen über den Tempel provoziert Jesus mit den Worten: »Reißt ihn nieder, ich baue ihn in drei Tagen wieder auf.« Seine Jünger brauchen lange, um dieses Wort in das Werk Jesu einordnen zu können. Und als er beim Abschiedsmahl mit den Seinen Petrus die Füße waschen und damit das Geheimnis der Liebe zeigen will, antwortet er auf dessen Einwand: »Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen.« Jesus gibt den Seinen Zeit zum Lernen, auch die Langsamen bekommen bei ihm eine Chance.
»Das verstehst du jetzt noch nicht!« Wie oft hören das Kinder von Eltern, Schüler von Lehrerinnen und Lehrern, Jugendliche von Erwachsenen. Gesprochen aus Sorge und in Liebe ist es ein mutiges Wort; gesprochen aus Denkfaulheit und mangelnder Zeit füreinander wird es zur feigen Ausrede. Gert Steinbäckers »Großvater, kannst du net owakommen auf an schnell’n Kaffee, Großvater, i möcht dir so viel sogn, was i erst jetzt versteh« zeugt von einer gesunden Einsicht des Erwachsenen. Der Rabbi hat sich Zeit gelassen, um zu verstehen, eine Zeit, wie sie Jesus auch seinen Jüngern gab.
Manchmal bin ich schwer von Begriff. Wo habe ich länger gebraucht etwas zu verstehen?