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Das Leinentuch des Dienens
und das Gewand des Herrschens

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Tut dir die Verantwortung gut?

Das erkennst du dann, wenn du gelegentlich

in das Gewand des Dieners schlüpfst.

Georg Sporschill

Jesus stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab

und umgürtete sich mit einem Leinentuch.

JOHANNES 13,4

Wir haben wichtigen Besuch im neuen Sozialprojekt in Hosman. Eine Gruppe von Managern aus Österreich ist nach Siebenbürgen gekommen und will sich jetzt auch unsere Anfänge ansehen. Die Tage vor ihrer Ankunft waren stressig, wir haben mit unseren Volontären aus sechs Nationen ein Programm vorbereitet und für die große Gruppe gekocht. Nachdem wir sie bewirtet haben und Kaffee serviert worden ist, entwickelt sich ein spannendes Gespräch. Die Gäste fragen: Was ist eure Vision? Wo wollt ihr in fünf Jahren stehen? Wir bekommen professionellen Rat. Einer der Manager bleibt nicht sitzen, sondern geht in die Küche, nimmt sich ein Handtuch und hilft den Jugendlichen beim Abtrocknen des Geschirrs. Sie kommen ins Gespräch über ihre Aufgaben, über ihre Heimat und ihre Erlebnisse hier. Auch er erzählt von seinen Kindern; im Nu ist die wegen des Respekts vor den Gästen angespannte Stimmung verflogen und Nähe entstanden. Es wird gelacht, man verabschiedet sich herzlich. Ohne ihn näher zu kennen, weiß ich, dass dieser Mann einen hoch schätzenden Umgang mit seinen Mitarbeitern pflegen muss.

Die Aufmerksamkeit des Managers bringt mich zu Jesus, der vom Mahl aufsteht, um seinen Schülern die Füße zu waschen. Als Erstes legt er die Oberkleider ab, die Gewänder des Lehrers und Meisters. Dann umgürtet er sich mit einem Leinentuch. Das Leinentuch ist das Gewand des Sklaven in der Antike, auch schon zur Zeit Abrahams. In einer jüdischen Auslegung der Genesis-Stelle, in der Abraham seine Magd Hagar, die Mutter seines Sohnes Ismael, mit einem Scheidebrief entlässt, heißt es: »Er nahm den Überwurf und gürtete ihn um ihre Lenden, damit man wisse, dass sie eine Sklavin sei.« Erkennbar am Leinentuch, soll sie die Chance haben, einen neuen Herrn zu finden. Dasselbe Kleidungsstück hat Kaiser Caligula seinen Senatoren, die höchste Ehrenstellen bekleideten und sonst die Toga trugen, aufgezwungen. Sie mussten »zu seinen Füßen wie Sklaven im Leinenschurz aufwarten«, berichtet der römische Schriftsteller Sueton. Abraham gibt Hagar mit dem Kleid der Sklavin eine neue Chance, Caligula hingegen verwendet dasselbe Gewand, um in seinem Größenwahn andere zu demütigen. Jesus umgürtet sich selbst mit dem Leinentuch des Dieners, um seine Schüler ihre Größe spüren zu lassen. Der Meister überrascht sie mit einem Rollenwechsel, indem er ihnen beim Letzten Abendmahl wie ein Sklave die Füße wäscht. Die Kleinen groß zu machen, das ist sein Vermächtnis.

Zwei verschiedene Gewänder – das Leinentuch des Dienens und das Gewand des Herrschens. Unterschiedliche Gewänder tragen auch der Meister und der Schüler, die Eltern und die Kinder, der Vorgesetzte und seine Untergebenen.

Das Gewand eines Managers ist schwer zu tragen, die Verantwortung lastet auf ihm. Ob dir das Gewand des Meisters steht und du es tragen kannst, erkennst du, wenn du in das Gewand des Dieners schlüpfst. Es lohnt sich, gelegentlich die Kleider zu wechseln.

Elijah & seine Raben

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