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2.6 Das Zweistromland und früher Diebstahl

Was im Zweistromland zivilisatorisch in die Augen springt, hat tatsächlich noch eine Vorgeschichte, die es erlaubt, von einem Start in der biologischen Evolution zu sprechen. Wenn der Ethologe, also Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt, von einem moral-analogen Verhalten bei Tieren spricht, dann meint er fünf Regeln, die sich in den zehn christlichen Geboten wiederfinden. Sie haben, wie alle Regulierungen, die unangenehme Schattenseite, opportunistisch durch Verrat, durch Nichtbeachten, durch Mobbing ausgebeutet und variantenreich umspielt werden zu können. Noch einmal der Hinweis auf das Räubermilieu. Wenn die Dinge so herumliegen und jeder kann sie nehmen wie bei dem früheren Gemeindeeigentum, zum Beispiel dem Gras auf der Allmende, gibt es Diebstahl überhaupt nicht, weil es ihn logischerweise nicht geben kann. Wenn es heißt, wer eine Runkelrübe vom Acker mitnimmt, ist ein Dieb und wird gehenkt (England 17. Jahrhundert), liegt eben ein Gesetz vor und das Drumherum ist eine Grauzone. Ein Dutzend Radieschen müssten da gerade noch völlig in Ordnung sein, aber auch da könnte es bald ein Gesetz geben. Der Vormensch sitzt mit seiner Keule am Wasserloch und denkt, alles sei reguliert. Wer aber alles klug reguliert hat, braucht keine Keule. Mobbing gibt es, weil die Regularien, auch wenn sie noch so gut gemeint und konzipiert sind, nicht alle Möglichkeiten abdecken.

Die Methoden des Mobbings sind also grenzenlos.. Es setzt voraus, dass der Lebensspielraum für das Opfer begrenzt ist oder zu sein scheint. Dass das Opfer glaubt, sich nicht entziehen zu können, also mit dem Rücken zur Wand zu stehen glaubt. Daher ist das soziale und berufliche Umfeld von größter Wichtigkeit, ebenso die individuelle und gruppenorientierte Psychologie der handelnden Personen. Das ergibt eine unendliche Komplexität, so dass man gut fährt, auf eine Kasuistik zurückzugreifen, wie Psychologie und Jurisprudenz sie einsetzen. Nämlich von Einzelfällen mit ihren wesentlichen Erkenntnissen müsste es gelingen, Aufklärung zu erzielen, weil das Exemplarische das wesentliche Wissen vermittelt. Da es jeweils um ein fest umrissenes Thema geht, ist der didaktische Wert sehr hoch. Am Beispiel lernt man am besten. Wer das Methodenarsenal eines möglichen Gegners kennt, besser noch, seine Psychologie, die sich in seinen Methoden äußert, erhöht seine Chancen, sich vor allem emotional zu wappnen. Wer drei Intelligenztestbücher anschaut, erwirbt eine Testerfahrenheit, die ihm bei einer Bewerbung einmal helfen könnte. Wer Mobbing in seinen Mechanismen und historischem Werdegang kennt, kann im Ernstfall seine Ängstigung klein halten und die übliche Panik vermeiden. Weniger Angst erlaubt besseres Nachdenken, wer die Ruhe bewahrt, kommt vielleicht auf den rettenden Gedanken.

2.6.1 Wie sich die Bilder gleichen

Schon in dem Ausdruck „Wie sich die Bilder gleichen“ soll eine einfache Erkenntnis angedeutet werden, nämlich, in dem einen findet sich das andere wieder, Peter ist ganz der Opa. Sagt die Sozio-Biologie, wenn der Mensch ein Haus baut und seinen Nachwuchs versorgt, dann finde man dieses Verhalten schon als invariantes Merkmal in der Tierwelt, wo es eben ein Nest ist und die Aufzucht der Kleinen. Wenn da nun Identität behauptet wird, dann besteht sie nur auf einer höheren Ebene abstrakten Denkens. Man darf nicht übersehen, dass es auf der konkreten, realen und entscheidenden Ebene ganz erhebliche Differenzen gibt. Selbst der Klon besitzt nicht alle Qualitäten seiner DNS-Mutter. Gleich bedeutet nicht identisch oder isomorph, sondern es besteht eine Analogie mit Abweichungen. Wenn der Wissenschaftler aber glaubt, diesen Delta-Aspekt (einen minimalen Aspekt) ausklammern zu dürfen, will er auf einen Determinismus hinaus, wie eben drei Äpfel der Zahl nach mit drei Birnen identisch sind. Bei Zahlen geht das, da sie einen platonischen Status haben. Er bewegt sich auf der Metaebene und das ist die geistige. Auf ihr führt die Abstraktion zur Vereinheitlichung, von den Birnen und Äpfeln bleibt „Früchte“ und die Anzahl „drei“. Nimmt der Wissenschaftler die Tatsache, dass wir es mit voneinander abweichenden Phänomenen in der konkreten Welt zu tun haben, ernst, gibt er dem Begriff der Kultur eine Chance. Kultur betont die Differenzen, Hauptcharakteristikum all dessen, was individuell ist und nicht das Einerlei. Der so zentrale Begriff der Aggressivität spielt in der Natur eine entscheidende Rolle. Als Invariante der menschlichen Natur taucht sie „natürlich“ in seiner Kultur wieder auf, auch als ambivalentes agonales Prinzip, das der Kultur förderlich ist. Für den Logiker gibt es ganz fundamental A und non A. Was von A abweicht, ist die bunte Welt, zu der auch das phantasievolle Mobbing gehört. Rechnet man es zum agonalen Prinzip, findet man diese Facette in Sport und Wirtschaft, im gesellschaftlichen Leben und verdeckt im Strafgesetzbuch als Bedrohung des Einzelnen durch die Gemeinschaft. Die Differenz zwischen Natur und Geist wird hier von den Begriffen Aggression und Welt der Agonisten, der Wettkämpfer und der Wettkampfkunde markiert. Mobbing ist Bedrohung, Aggression und hat sich in der Kultur erhalten, ohne vom Strafgesetzbuch unter Kontrolle gebracht worden zu sein. Einseitige Konfliktlösung durch Schädigung, die sofort eindeutige Machtverhältnisse sichtbar macht oder erst schafft. Es sind irreguläre Methoden, sich durchzusetzen, wie das Fischen mit unerlaubt feinmaschigen Netzen eine Methode ist, einen Extragewinn einzustreichen. Wo Mobbing ist, müsste es aber den Kompromiss geben. Dieser hat doch seine Moral und ihr gehört der Optimismus zu. Aber oft gewinnt der Igel, Grund zum Pessimismus. Die Spurtstärke des Hasen wird nur zu gern neutralisiert, weil der Mensch ein Wesen ist, das aus seinen Gegensätzen nicht herauskommt.

Sie sind nicht abgedeckt durch einen Comment, ein eingespieltes Gewohnheitsverhalten oder -recht, irgendwelche Gesetzbücher, moralische Gebote, denen eine Gesellschaft Respekt zollt. Ein Mensch und eine Gesellschaft, die nicht wie eine durch-determinierte Maschine funktionieren, perfekt geregelt durch Regeln und Gesetz, lässt immer Freiräume des Handelns offen. Und da liegt das Dilemma. Das Individuum kann sie opportunistisch-egoistisch für sich nutzen und landet schnell in der Welt der Unmoral mit reichen Belohnungen. Oder er kann die Freiräume im Sinne der Kultur und das heißt zum Vorteil aller ausgestalten. Kultur, die sich entwickelt. Dem Menschen aber die Lust zum Mobben zu nehmen, dieses selbstzentrierte, haptische An-Sich-Reißen, ohne dafür bestraft zu werden, dürfte also schwer sein. Es ist ein Teil seiner Kultur, ihre Schattenseite. Ohne sie hätten wir die fast lupenreine Utopie. Die Freiräume des Verhaltens aus der Phantasie heraus wären dem Menschen allerdings zugesperrt, mit dem Schlechten werden auch die positiven Seiten liquidiert. Was der Philologe ein Narrativ nennt, einen Text, der seinen Charme aus seinen Möglichkeiten schöpft, Spielwiese der Phantasie, all dies würde in der Tat wegfallen, wenn wir uns entschließen würden, anständige Menschen zu werden. Das richtige, so Aristoteles, geschieht auf einerlei Weise.

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