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1.2.2 Mobbing und die Nähe zum Mord
ОглавлениеNoch heute ist es in bestimmten Weltgegenden wie dem Vorderen Orient möglich, dem Nachbarn, auch einer anderen Population, das Wasser abzugraben. Mit Folgen, die dessen Leben bedrohen und seine Aggressivität stimulieren. Vor 5000 Jahren, als Schlamm und Wasser zwischen Euphrat und Tigris, im Zweistromland, kostbar für den Getreideanbau waren, muss es häufig vorgekommen sein, dass Wasser gestohlen wurde und der Bestohlene verhungern musste. Das hat den Herrscher Hammurapi veranlasst, diese chaotischen Verhältnisse unter Kontrolle zu bringen. Wasserdiebstahl und vieles andere wurde als Mord definiert, auf ihm stand die Todesstrafe. Damit niemand sagen konnte, er habe von nichts gewusst, ließ er dieses und einige andere Gesetze in Keilschrift in Stein hauen und auf dem Marktplatz in der Form einer Stele aufstellen. Was nicht dabei vermerkt war, gehörte aber doch dazu: Da ist Heimtücke am Werk, wenn der Getreidebauer zum Verbrecher wird. Es gibt einen egoistischen, niedrigen Beweggrund und das Opfer ist arglos, wenn es passiert. Er hätte die bessere Lösung suchen müssen, und das wär die Verhandlung mit den Nachbarn gewesen und der Aufbau entsprechender sozialer Binnenstrukturen. Eindeutig erkennbar musste aber sein, dass es mit Vorsatz geschah, wenn auf Mobbing mit Todesfolge erkannt werden sollte. Auch Mobbing geschieht nicht aus Versehen.
Wie könnte also der Kernsatz lauten? Mit einer vorsätzlichen Handlung zu meinen Gunsten verschaffe ich mir einen Nutzen, der mir nicht zusteht und einem anderen schadet. Führt die Handlung zum Tod eines anderen, vorsätzlich und mit Folgehandlungen im Sinne eines Komplotts, handelt es sich um Mord. Ist es noch kein Mord, könnte es aber immer noch Mobbing sein; denn die weiteren Merkmale von Mord sind auch die von Mobbing. Heimtücke, das heißt das Opfer ist arglos und auch wehrlos. Wer ermordet wird, erwartet in der Regel keinen Angriff, so auch nicht der Gemobbte. Wer gemobbt wird, ist ebenfalls in der Regel wehrlos wie das junge Mädchen abends auf dem Nachhauseweg.
Mit ihrer operationalen Definition, wie funktioniert Mord und wie Mobbing, das heißt, welche Merkmale müssen zusammentreffen, um von Mobbing oder Mord sprechen zu können, liegen beide dicht beieinander. Aber auch mit ihren weiteren Wesensbestimmungen. In einem Merkmal unterscheiden sie sich ganz eindeutig. Der Mörder setzt eine Mordwaffe ein oder wird grob körperlich aktiv. Der Mobber benutzt auch dann, wenn er morden will, die psychologischen und psychosozialen Instrumente. Als am Hof Wilhelm II vor dem ersten Weltkrieg das Gerücht nicht mehr unterdrückt werden konnte und das auch noch nachdrücklich am Leben gehalten wurde, der Minister Philipp Graf Eulenburg sei homosexuell und damit die ganze Entourage des kaiserlichen Hofes diskreditiert, sah sich dieser zwar gesellschaftlich erledigt, widerstand aber dem Mobbingdruck, der sich aufgebaut hatte. Gesellschaftliche Isolation hatte in vielen Fällen und vielen Gesellschaften Selbstmord zur Folge. Es war die kollektive Ächtung, die als Mobbing funktioniert, aber auch der vehemente Druck, wenn einzelne Personen aus dem diplomatischen Bekanntenkreis an das Opfer herantraten, um auch noch schriftlich in ausführlichen Briefen die Notwendigkeit darlegten, Konsequenzen müssten gezogen werden. Wohl dem, der die Alternative eines Rückzugs hat und schließlich den Preis, sein Milieu oder seine Umgebung aufzugeben, zu zahlen bereit ist. Innere Unabhängigkeit ist dann lebensrettend, wenn, wie in diesem wie in vielen anderen Fällen, ein alternativer Lebensraum gegeben ist. Flucht scheint bei Mobbing sehr oft die letzte Rettung zu sein.