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1 Mobbing 1.1 Gestern – heute - morgen

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Was ist menschlich? Es ist, was es ist. Es genügt dem Menschen aber nicht, so zu sein. Er gibt ein Versprechen, legt einen Eid, ein Gelübde, einen Schwur ab auf die Verfassung, auf seinen Gott, auf Äskulap und auf seine Treue. Er verspricht, sein Versprechen einzuhalten. Er möchte ein besserer Mensch als der Mensch sein. Da scheint eine Sehnsucht uns nicht zu verlassen. Aber auch ein Gespür, es allein nicht zu schaffen, daher das Gelübde, das uns mit dem Höheren verbindet und Ermutigung gibt. Es gibt zwei Möglichkeiten, von denen ausgiebig Gebrauch gemacht wird. Der Mensch bemüht sich, ein ehrlicher Mensch zu sein. Was schon genügen würde, um über den Menschen, den man den sündigen Adam nennt, hinauszukommen. So das Thema in Theologie und Philosophie und Literatur (tras-umanar, Dante Alighieri, Divina Comedia, den Menschen übersteigen). Der Mensch, der unvollkommen ist und es nicht bleiben will, nicht bleiben soll. Er muss sich bemühen, und dann, heißt es in Goethes Faust, kann er schon erlöst werden.

Und dann gibt es noch den Menschen, der sich für die Krone der Schöpfung hält. Dem Tier fühlt er sich überlegen, aber auch seinem Artgenossen gegenüber nimmt er gerne die Position der Superiorität ein. Das geht nur, indem er auf eine allgemein gültige menschliche Moral verzichtet und für sein Verhalten Regeln entwickelt, die nur für ihn und seine Gruppe Gültigkeit besitzen. Mobbing und jede mafiose Räuberbande operieren nach diesem Schema, das sich sogar jedes Individuum zurecht legen kann. Mobbing, das ist auch die Macht des feigen Mannes, des Heckenschützen, der von ehrlicher Auseinandersetzung auch im zivilen Bereich nichts hält.

Egal, ob der Mensch eine pessimistische oder eine optimistische Meinung von sich hat, seine Anthropologie, seine allgemeine Menschenkunde, wird immer feststellen, dass es invariante Züge sind, die des Menschen Evolution mitbestimmen und aus dem Geschichtsverlauf nicht wegzudenken sind.

Invariant bedeutet, dass es im Wesen des Menschen Züge gibt, die sich immer gleich bleiben wie etwa Selbstbehauptung und Fortpflanzung und Nestpflege. Zur Selbstbehauptung gehört die Bereitschaft zur Aggressivität, das war schon immer so und wird voraussichtlich so bleiben. Insofern invariant, aber deswegen liegt noch lange nicht eine Determination vor, bei der keine Alternative zugelassen ist. Von ihr spricht man, wenn ganz tief angelegt die Erbstruktur, also die DNS, die Eigenschaften des Menschen bestimmt und nur im Rahmen von Jahrhunderttausenden offen für Mutationen ist. Es lässt sich denken, dass konstantes Verhalten sich so gut durch die Zeit durchhält, weil es vorteilhaft ist, das nennt man auch ökonomisch. Wenn es nicht immer neu erfunden werden muss. Aber ausgeschlossen sind Verhaltensänderungen nicht. Einmal erzieht man die Kinder im häuslichen Nest, dann in der Kita. Mit ganz anderen Ergebnissen. Daraus leitet man den Optimismus ab, dass sich der Mensch in einem gradualistischen Prozess moralisch verbessern könnte. Mobbing und Aggressivität, auch wenn sie einen erheblichen natürlichen Anteil haben, also neurophysiologisch nachweisbar sind, könnte der Mensch als eine Herausforderung an seine Kultur ansehen, die das Denken in Alternativen, auch moralischen, stimuliert. Wenn die Kinder nur partiell die Verhaltensregeln der Eltern übernehmen, verursacht das einen höheren Aufwand an Energie, aber der ist gerade typisch auch für Prozesse der Erneuerung, der Kreativität. Zum Nulltarif ist das Leben nicht zu haben, wir müssen immer mit seinem „Widerstanstandskoeffizienten“ (Jean-Paul Sartre) rechnen, prinzipiell, und dann noch mit zusätzlichen unerwünschten Ereignissen. Vielleicht ist ja eine gewisse Indolenz, eine anerzogene Schmerzunempfindlichkeit gegen unser Anspruchsdenken bzw. daraus folgende Frustrationen sinnvoll. Das bedeutet, dass wir überlegen mit unserer Bedürfnispyramide umzugehen bereit sind. Was ist dann menschlich? Nicht historisch sich ergebende Verhaltensschemata wären es, sondern die Kunst, bei der Autopoiesis, der Selbstgestaltung ein immer glücklicheres Händchen zu entwickeln. Die Verfolgung von Glück, The pursuit of happiness, als Leistung des Einzelnen dorthin, müsste bei allen Bremsklötzen zu realisieren sein. Wenn nicht, wäre unser Optimismus töricht, blind und eine hoffnungslose Selbsttäuschung. Beim Mobbing könnte man ja anfangen. Darauf könnte man doch hoffentlich leichter verzichten als auf Giftmord und sexuelle Nötigung. Aber bei unserer jetzigen condition humaine kombinieren wir auch noch beides, die Heimtücke und dann das Strafgesetzbuch.

Die Phantasie, sich im geistigen Möglichkeitsraum zu bewegen, wird aktiviert und widerspricht einem Verhalten, das von Determinanten festgelegt wäre. Das heißt, der Mensch wird nicht immer oder ausschließlich von seinen Bedingungen bestimmt, wie der Zugvogel von seinem Programm, immer nach Südafrika fliegen zu müssen. Er kann in einem bestimmten Rahmen bewerten und entscheiden. Insofern kann man bei ihm von Autonomie sprechen, von Freiheit. Der Fußballer Rechtsaußen wird zum königlich-kaiserlichen Vorbild für die Jugend ernannt. Die Umstände, wie er erfolgreich Fußball spielt und wie er smart vor einem begeisterten Publikum auftritt, legen ihn aber nicht fest. Sie sind zwar seine Herausforderung, diese Rolle hoch zu bewerten und auszufüllen, über Jahrzehnte. Ein Verhaltenschema kann aber geändert werden. Der Versuchung kann der Rechtsaußen und jeder andere aber erliegen, es anders, auch unmoralisch zu machen. Hätten wir einen Determinismus, der uns, als seien wir eine Maschine oder Marionette, immer festlegt, die zehn Gebote einzuhalten, würden wir die Gebote gar nicht brauchen und auch nicht kennen. Jedes Gebot, jede moralische Regel ist eine Erinnerung daran, dass wir sie bitter nötig haben.

Die Handlungen des Menschen bewerten wir. Sind sie verwerflich oder können wir sie rechtfertigen. Eine Kultur, in der das nicht verlangt wird, können wir utopisch nennen. In ihr handelt der Mensch immer richtig. Das könnten wir uns auch jetzt schon wünschen und müssten dann die Frage beantworten, wie werden wir Aggressivität und Mobbing los. Wie den Opportunismus, diesen Egoismus, den wir nicht selten bis zum äußersten zu verfolgen bereit sind. Wenn wir darauf eine Antwort finden könnten, müssten wir nicht die 2700 Utopien lesen, die der Mensch seit der Antike zu diesem Thema geschrieben hat. Die Handlungen, die Techniken und Methoden, mit denen wir dem Nächsten das Leben schwer machen, sind dagegen nicht besonders kompliziert und wohl leicht zu lernen. Erschreckend leicht zu lernen, so dass jeder Flachkopf sie beherrscht. Auch die Gründe, aus denen heraus geschnitten und verleumdet wird, sind durchschaubar. Keinesfalls aber sind die Folgen abzusehen, die mit solchen Aktionen angerichtet werden. Man kann die Gründe für einen Amoklauf benennen. Man kann ihn aber nicht voraussehen. Man kann einen Mitmenschen bis zur Verzweiflung und zum Selbstmord treiben. Wie er schließlich reagiert, liegt aber bei ihm.

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