Читать книгу 50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte - Gerhard Delling - Страница 8
ОглавлениеVorwort
50 Jahre Fußball Bundesliga – das sind 50 Jahre, die mir keiner mehr nehmen kann. Denn ich war dabei. Fast mein ganzes Leben hat mich die höchste deutsche Spielklasse begleitet, und genauso lange habe ich die Bundesliga aufmerksam und fast durchweg mit Begeisterung verfolgt.
Ich bin ein Kind der Liga! Das ist mir spätestens in dem Moment aufgegangen, in dem ich über dieses halbe Jahrhundert Fußball nachgedacht und den Entschluss gefasst habe, darüber dieses Buch zu schreiben. Selbstverständlich sind darin viele Geschichten und Entwicklungen enthalten, die man gar nicht neu erzählen kann. Die gehören einfach in eine informative, unterhaltsame Niederschrift hinein. Aber ich hoffe, Sie – liebe Leserinnen und liebe Leser – finden vor allem auch an den vielen Impressionen und Begebenheiten Gefallen, die ich selbst erlebt und festgehalten habe. Viele davon haben in erster Linie mit sehr persönlichen Begegnungen zu tun. Das ist die große Faszination, die dieser Sport für mich immer ausgemacht hat: dass im Fußball die unterschiedlichsten Menschen und Charaktere aus den verschiedensten sozialen Umfeldern aufeinandertreffen, um gemeinsam diesem einen verbindenden, runden Medium hinterherzulaufen.
Ich habe auf diese Weise unzählige interessante Menschen tiefgründig kennengelernt und verlässliche Freunde gefunden. Ich weiß, wie es ist, wenn eine Mannschaft ein großes Ziel erreicht oder verpasst – ich habe es selbst miterlebt. Und ich weiß, welch wichtige Rolle die großen Stars und berühmten Persönlichkeiten des Fußballs für die Zuschauer, Fans und die Gesellschaft insgesamt spielen. Nicht alle sind ihrer Vorbildfunktion gerecht geworden. Und nicht alle haben wirklich verdient, was sie als Profis bekommen haben.
Aber gerade in den ersten zwei Jahrzehnten der Bundesliga haben auch nur die wenigsten Berufskicker das bekommen, was sie eigentlich verdient gehabt hätten. Wie zum Beispiel Uwe Seeler, der das große Geld ausschlug, um ein echter Hamburger Jung und bei seinen Kumpels zu bleiben. Es gibt so viele, die durch diesen Beruf nicht reich geworden sind und auch immer wussten, dass das nicht passieren würde. Und es gibt eine ganze Reihe von Spielern, die hätten sich ein so komfortables Leben ohne den Fußball nie ermöglichen können. Diejenigen, die diesen Sport in erster Linie aus ökonomischen Gründen ausgeübt haben, sind allerdings fast ausnahmslos gescheitert. Entweder fehlte ihnen dieses Fünkchen Besessenheit, das in entscheidenden Phasen der ganz wichtigen Spiele den Unterschied macht – oder sie haben den Hals nicht voll kriegen können und auf illegale Weise versucht, sich zu bereichern.
Der Bundesligaskandal sollte da eigentlich Abschreckung genug gewesen sein. Damals ging es um verhältnismäßig geringe Summen. Mittlerweile kann eine einzige Partie Millionen und Abermillionen Euro auslösen. Das weckt neue Begehrlichkeiten und macht die Entwicklung so gefährlich, wie der letzte Wettskandal gezeigt hat. Gerade dadurch wird deutlich, wie wichtig es ist, ein halbwegs vernünftiges Maß einzuhalten und dafür zu sorgen, dass beim Fußballspiel andere Dinge wichtiger bleiben, als nur die materiellen Möglichkeiten zu maximieren: Leidenschaft, Bewegung und Begegnung mit anderen Menschen, Identifikation und ein fairer Umgang miteinander. Auch deshalb sind Sportvereine nicht so einfach mit Wirtschaftsunternehmen gleichzusetzen.
Auch das sind Themenbereiche, die in diesem Buch eine Rolle spielen sollen. Aber in erster Linie geht es um das Erfolgsmodell Fußball-Bundesliga. Denn ein solches ist diese Institution in jedem Fall. Und darum können wir das 50. Jahr des Bestehens mit gutem Grund feiern. Ohne die Bundesliga gäbe es von vielem reichlich weniger: weniger Weltstars, weniger Begeisterung, weniger Arbeitsplätze im Sport, weniger Unterhaltung, weniger Wochenendgestaltung und weniger Gemeinsamkeit. Um dahin zu kommen, war ein steter Prozess nötig, der im besten Fall nie abgeschlossen sein wird. So wird heute nicht mehr in maroden Stadien gespielt, sondern in modernen Event-Arenen. Das lenkt zwar auch ein wenig von dem eigentlichen Spiel ab, sorgt aber zusätzlich für Begeisterung für diesen Sport bei Menschen, die sich früher wohl kaum ein Spiel angeschaut hätten. Und es zieht mehr und mehr ausländische Spitzenkräfte an. Ein die Liga bereichernder Superstar wie der Spanier Raúl hat es während seiner Zeit bei Schalke so auf den Punkt gebracht: »Ich genieße es, in der Bundesliga zu spielen. Egal, wo man hinkommt, sind die Stadien voll, und es herrscht eine tolle Atmosphäre!« Denn hierzulande strömen so viele Fans zu den Spielen wie in keiner anderen Liga Europas – und es werden immer mehr!
Das liegt natürlich an der hervorragenden Infrastruktur, an der verhältnismäßig hohen Sicherheit in den Stadien, am zumeist soliden Wirtschaften der Profivereine, die im Vergleich zu den Klubs in England, Spanien oder Italien deutlich weniger verschuldet sind. Und seit die Nachwuchsarbeit verbessert wurde, kommt eine deutlich attraktivere Spielweise der meisten Mannschaften hinzu, auch die unserer Nationalelf.
Nicht zu vergessen eine sportliche Grundvoraussetzung: die relative Ausgeglichenheit. In der Bundesliga kann es realistischerweise geschehen, dass der Tabellenletzte den Spitzenreiter schlägt. Das ist anderswo keine Selbstverständlichkeit bzw. nahezu unmöglich. So gab es in Italien in diesem Jahrtausend diesen Fall noch nicht ein einziges Mal, während in der Bundesliga die Wahrscheinlichkeit, dass der Letzte gegen den Ersten wenigstens nicht verliert, bei über 26 Prozent liegt. Und der ehemalige Bayern-Trainer van Gaal stellte einmal heraus: »Die Bundesliga ist die schwierigste Liga, weil da die Mannschaften aus dem Mittelfeld stärker sind als in den anderen drei Topligen Europas.« Hierzulande holt der Meister pro Begegnung im Durchschnitt 2,12 Punkte, in Spanien sind es 2,33 Zähler, in England 2,27 und in Italien 2,26.
Dies alles sind Gründe, warum die Bundesliga in der Saison 2011/12 den siebten Umsatzrekord in Folge erzielte, mit mittlerweile etwa zwei Milliarden Euro! Die deutsche Eliteklasse ist mitten in der Gesellschaft unseres Landes verankert. Sie hat einen immens hohen Bekanntheitsgrad und genießt über den Sport hinaus eine große Aufmerksamkeit – auch dank der professionellen und konstanten Berichterstattung in den Medien. Das gilt seit geraumer Zeit für Pay-TV und Online-Angebote, aber schon über Jahrzehnte hinweg für den Printbereich, der dem Fußball mit der Einführung der Bundesliga noch einmal mehr Platz zukommen ließ. Und es gilt natürlich für die allwöchentlichen Live-Reportagen im Hörfunk und insbesondere die regelmäßigen Fernsehformate – allen voran die ARD-Sportschau, die mittlerweile auch schon seit mehr als 50 Jahren auf Sendung ist.
Über 25 Jahre habe ich unter anderem als Journalist in der Sportschau über die Bundesliga berichtet und schon deshalb so ziemlich jeden Entwicklungsschritt miterlebt. Meine ersten Hörfunkreportagen im Fußball datieren vom Anfang der achtziger Jahre, meine erste TV-Fußballreportage führte mich wenige Jahre später ins Badische, als ich die Partie SC Freiburg gegen den Karlsruher SC kommentierte und ein gewisser Joachim Löw in der Offensive der Gastgeber die Fäden zog.
Das ist ein Effekt dieses Buches für mich selbst: Mir sind bei den Recherchen und Überlegungen dazu wieder viele Geschichten und Begebenheiten auch meines beruflichen Werdeganges eingefallen und damit vor allem noch einmal die Motivation, die mich all die Jahre angetrieben hat: die Begeisterung für den Sport und die Menschen, die damit zu tun haben. Auch deswegen habe ich sehr bewusst, liebe Leserinnen und Leser, einige persönliche Begegnungen mit interessanten Charakteren beschrieben. Völlig überraschend gehört auch Günter Netzer dazu – genauso wie Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Stefan Kuntz oder Ernst Happel. Denn es sind diese Typen, die das Spiel so besonders machen. Ich hoffe, für Sie dieses Buch auch.
Gerhard Delling, Juni 2012