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Kurs auf die Bundesliga

Eine Idee vor dem Hintergrund der Zeit

Der Sommer 1962 war entscheidend für meine Fußballbegeisterung. Denn es war die Zeit, in der für mich der Fußball so langsam seinen Schrecken verlor. Bis dahin machte der Ball, wenn er denn mal auf mich zurollte, mit mir, was er wollte. Und meistens wollte er, dass ich umfalle, wenn er gegen mich traf. Ich war damals stattliche drei Jahre alt und hatte es längst aufgegeben, den anderen beim Spielen einfach nur zuzuschauen. Ich wollte dabei sein. Mitten auf der frisch asphaltierten Straße wurden aus irgendwelchen entbehrlichen Kleidungsstücken schnell zwei Torbegrenzungen kreiert, und schon spielte die eine Hälfte der Straße gegen die andere. Jung und Klein gegen Jung und mit mir ganz Klein. Jeden Tag!

Große Fußballer waren mir damals namentlich noch nicht so geläufig. Aber ich erinnere mich als Erstes an die Namen »Seeler« und »Haller«, die einer der Kumpels lauthals rief, während er gerade im Begriff war, ein Tor zu schießen. Überhaupt war man in der Zeit nicht nur hochmotivierter Fußballspieler, sondern immer auch gleichzeitig stimmgewaltiger Sportreporter, denn wie bei den begeisternden Reportagen aus dem Radio kommentierte jeder mit großem Vergnügen die eigenen erfolgreichen Aktionen deutlich vernehmbar, um die Gegner gleich noch ein wenig mehr zu provozieren. Ich hatte damals allerdings nicht viel zu kommentieren, da der Ball noch lange nicht mein Freund war. Aber das tat meinem Ehrgeiz keinen Abbruch. Und so versuchte ich es Tag für Tag wieder, wie so viele andere in allen möglichen Straßen oder auf allen nur denkbaren Plätzen überall in der Stadt.

Sport im Allgemeinen, vor allem Fußball, Handball und Leichtathletik, hatten damals einen hohen Stellenwert. Und nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 genoss der Fußball selbst bei nicht sonderlich sportinteressierten Menschen ein besonders hohes Ansehen. Man kannte die besten Spieler der regionalen Vereine und manchmal noch den einen oder anderen Nationalspieler, der irgendwo in der Nähe von Schleswig-Holstein aktiv war – oder eben Uwe Seeler im etwa 100 Kilometer, damals gefühlt noch sehr weit entfernten Hamburg.

Im Sommer 1962 hatte die DFB-Auswahl bei der Weltmeisterschaft in Chile nicht einmal das Halbfinale erreicht. Für uns »Dreikäsehochs« war das kein Problem, für die Entwicklung des deutschen Fußballs schon. Kein Geringerer als Bundestrainer Sepp Herberger meldete sich danach offensiv in der Öffentlichkeit zu Wort und bemängelte die fehlende Qualität hinsichtlich des Nachwuchses für die Nationalmannschaft. Er war einer der prominenten Fürsprecher für die Idee einer einheitlichen Liga auf Bundesebene. In Spanien, Italien und vor allem England, wo die erste Profiliga bereits 1885 eingeführt worden war, hatte man diese leistungsorientierte nationale Liga längst etabliert. Sogar in der damaligen DDR gab es bereits seit 1949 eine einheitliche Liga. Nur im Westen Deutschlands blieb man schön unter sich in der jeweiligen Region. Ein Anachronismus – mit spürbaren Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit. Aber vor allem passte diese fußballerische »Kleinstaaterei« nicht in die Entwicklungsphase einer immer weiter aufstrebenden Republik, in der es so viele Knackpunkte gab, dass eigentlich tagtäglich das Konservative, Althergebrachte massiv hinterfragt und oft überrannt wurde.

50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte

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