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Existenzielle Situation und Dialog

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Die existenzielle Situation des Menschen ist mit der Tatsache geschaffen, dass wir in dieser Welt sind. Damit sind wir in einer unaufhebbaren Beziehung mit der Welt. Es ist nicht möglich, nicht in Beziehung mit der Welt zu sein. »Zum Wesen des Menschen gehört das Bezogensein auf anderes, das nicht wieder er selbst ist. Menschsein heißt daher, ein Gegenüber zu haben« (Längle, 2005, S. 29). Für ein erfüllendes Leben braucht es mich – aber ich alleine reiche dazu nicht aus. Es braucht auch ein Du. Darin zeigt sich eine der philosophischen Wurzeln der Existenzanalyse. Von Martin Buber stammt der Satz: »Der Mensch wird am Du zum Ich.«

Dieses Bezogensein bezieht sich auf drei Dimensionen:

1.physisch: Wir sind immer an einem Ort, mit Boden und Luft, wir haben unseren Körper.

2.psychisch: Wir sind mit anderen Menschen und mit Objekten emotional verbunden.

3.geistig: Wir beschäftigen uns mit dieser Welt, setzen uns mit Teilen von ihr auseinander und sind mit anderen Menschen verbunden, ohne die wir nicht überleben könnten. (Längle, 2005, S. 29.)

Existieren ist nur im Dialog möglich. Der Mensch steht in ständigem Austausch mit sich und der Welt. Offenheit und Gesprächsbereitschaft fördern eine gelingende Existenz, wogegen Verschlossenheit, Unzugänglichkeit und Isolation der Existenz ihre Grundlage entziehen (Längle, 2013a).


Das grundlegende Kriterium für erfüllende Existenz: Zustimmung zum eigenen Handeln auf der Grundlage dialogischen Austausches mit dem anderen. Alfried Längle [2]

Der innere Dialog – das innere Gespräch[3]

Bisher haben wir vor allem vom Dialog nach außen gesprochen. In der Existenzanalyse ist indessen der innere Dialog genauso wichtig. Der Ansatz dazu ist die Person, die in uns spricht (zum Person-Verständnis der Existenzanalyse vgl. den entsprechenden Abschnitt, hier). Darum soll das, was in uns spricht, aus uns herausgeholt werden.

In uns zeigen sich durch den Tag viele Gedanken und Gefühle. Fast ständig meldet sich in uns etwas. Etliches davon kommt aus unserem innersten Wesen – aus der Person (anderes kommt aus dem Ich und dem Über-Ich). Aus diesem innersten Wesen kommen ganz wesentliche Impulse, die für ein existenziell erfülltes Leben grundlegend wichtig sind. Darum werde ich zu einem Gegenüber von mir selbst. Ich bin mir selbst ein guter Freund, der das in Empfang nimmt, was da aus meinem Innersten kommt. Was erlebe ich gerade? Wie geht es mir dabei? Wie möchte ich darauf reagieren?

Dazu habe ich eine grundsätzlich wertschätzende Haltung mir gegenüber. Denn das, was sich aus mir heraus zeigen kann, kann auch widersprüchlich sein, kann mich in innere Konflikte geraten lassen. Da ist ein Impuls, der in diese Richtung zieht, aber etwas anderes in mir zeigt in die entgegengesetzte Richtung. Mit dem inneren Dialog bringe ich diese beiden Teile ins Gespräch miteinander. Ganz wichtig dabei ist das Bewusstsein, dass alles, was sich in mir meldet, seine Gründe hat. Dazu ist eben die Wertschätzung und Respekt mir gegenüber wichtig. Es mag Dinge geben, die sich da melden, die ich zuerst nicht verstehe. Denn mein innerstes Wesen kann mir überraschende, fremde, ungewohnte Dinge mitteilen. Mit dem inneren Gespräch kann ich mir selbst auf die Spur kommen.

Folgerungen für die Praxis

Jede Lernsituation ist für die Lernenden eine existenzielle Situation, in der sie aufgefordert sind, eine Antwort zu geben, zu reagieren. Dabei ist es von großer Bedeutung, mit innerer Zustimmung reagieren zu können und nicht als Getriebene aufgrund von äußerem Druck.

Die Grundlage für die Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden ist der Dialog und nicht etwa das Fachwissen oder das Expertentum. Lehrpersonen suchen aktiv den Dialog mit den Lernenden.

Es sollen solche Lernformen gewählt und Lerngefäße zur Verfügung gestellt werden, mit denen die Lernenden regelmäßig untereinander in einen Dialog kommen, in denen sie sich miteinander austauschen können. Ein mögliches Lerngefäß sind Transfergruppen. Damit erhalten die Lernenden Gelegenheit, die Inhalte und Themen auf Praxistauglichkeit hin zu untersuchen und in ihr Umfeld zu adaptieren.

Mit Anregungen zur Reflexion soll der innere Dialog der Lernenden gefördert werden. Die Überlegung, welche Inhalte welche persönliche oder transferorientierte Bedeutung haben, ist eine Grundvoraussetzung, damit sich überhaupt eine emotionale Beziehung zu den Lerninhalten entwickeln kann. Dabei können die Lernenden erkennen, was für sie wichtig ist.

Was bringt mir das?

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