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Existenz
Оглавление► Unter Existenz wird in der Existenzanalyse ein sinnvolles, in Freiheit und Verantwortung gestaltetes Leben verstanden, das der Mensch als das Seinige erlebt und worin er sich als Mitgestalter versteht. ◄ Alfried Längle [1]
Freiheit und Verantwortung sind in der Existenzanalyse ganz zentrale Begriffe. Der Mensch ist frei, zu tun und zu lassen, was er will oder nicht will. Gleichzeitig steht er in der Verantwortung, er muss die Folgen für sein Handeln übernehmen. Die Existenz richtet sich nicht nach allgemeingültigen Normen und Werten. Sie richtet sich nicht nach dem, was andere tun und lassen, sondern nach den eigenen Werten. Der Mensch realisiert seine Existenz aufgrund dessen, was ihm persönlich wichtig ist.
Folgerungen für die Praxis
Weiterbildungssituationen haben immer auch Vorbildcharakter für das Leben. Was Lehrpersonen tun oder lassen, hat eine symbolische Dimension. Da wird ein Inhalt vermittelt, der in einem ganz bestimmten Lebensbereich der Lernenden eine Bedeutung haben wird und als Vorbild steht:
►Die Lehrperson selbst hat Vorbildcharakter, indem sie das, was sie lehrt, selbst lebt. Eine hohe Glaubwürdigkeit der Lehrperson hat einen sehr großen Einfluss auf das Lernklima generell.
►Ihre Didaktik und Methodik haben Vorbildcharakter: wie wir im Leben etwas angehen, bearbeiten und bewältigen können.
►Das Miteinander, die Kommunikation untereinander, hat Vorbildcharakter für den Umgang unter Menschen generell.
Es kommt ein Weiteres hinzu: Wie weit können Lernende den Unterricht mitgestalten? Wie viel Freiheit kann den Lernenden zugestanden werden, um die Lernsituation mitzugestalten? Symbolisch steht die Unterrichtsgestaltung auch für andere Bereiche des Lebens. Wenn den Lernenden ein Mitgestaltungsrecht im Unterricht eingeräumt wird, hat das auch eine Wirkung auf andere Lebensaspekte. Wenn Lehrpersonen immer alles vorgeben und mit dem Selbstverständnis von Ich-weiß-wie-die-Welt-funktioniert auftreten, beeinflusst das auch das Verhalten der Lernenden in ihrem Leben. Sie nehmen die Haltung mit, dass schon jemand da sein wird, der hilft. Der Unterricht ist ein Mikrokosmos, in dem ganz viel gelernt werden kann, wenn er entsprechend gestaltet wird. Unterricht ist ein Abbild eines Lebensausschnittes. Im Unterricht können Lernende ihre Existenz im vorhandenen zeitlichen und thematischen Rahmen realisieren:
►Sie können lernen, ihre Bedürfnisse im Hinblick auf Ziele und Inhalte zu formulieren.
►Sie können sich wahrnehmen und erspüren, was für sie wirklich Relevanz hat.
►Sie haben die Freiheit, etwas lernen zu wollen oder nicht. Sie müssen dann aber auch die Verantwortung für die Folgen übernehmen.
►Sie können den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung erlernen. Sie können lernen, ihre Bedürfnisse auszudrücken, sei das bezogen auf das Unterrichtsthema oder in der Beziehung mit anderen Lernenden.
Wenn es einer Lehrperson gelingt, die Lernenden zu Mitgestaltenden im Unterricht zu machen, ist die Wahrscheinlichkeit zu einem sinnvollen Erleben größer. Was hier im Unterricht, in einem kleinen, geschützten Rahmen geübt wird, kann in der Praxis, ja im ganzen Leben der Lernenden eine Wirkung haben. Sie erwerben damit Kompetenzen, die weit über das Unterrichtsthema hinausgehen und etwas zu einer sinnvollen Existenz beitragen können.