Читать книгу Verschenktes Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane - Glenn Stirling - Страница 16
9
ОглавлениеNina saß am Fenster ihres Zimmers und schaute in den Garten hinaus. Paul stand unten und winkte mit den Armen.
»Kommen Sie!«, rief er.
Sie lächelte. Nun war sie schon fünf Tage hier und hatte sich in diese Gemeinschaft eingefügt. Es machte ihr schon gar nichts mehr aus, offen ihre Hände zu zeigen. Paul nahm sie überallhin mit; sie suchten Kräuter und pflückten Brennnesseln und Brombeeren. Die Damen stöhnten über diese zusätzliche Arbeit, aber Paul tat, als sähe er das gar nicht.
»Ich komme!«, rief Nina ihm zu.
Jeder mit einem Korb bestückt, so zogen sie los. Am Waldrand blieb Paul stehen, und sie setzten sich auf eine Bank. Paul zeigte Nina sein Bein.
»Da, schauen Sie mal!«
»Es ist ja fast gesund!« staunte sie.
»Ja, leider«, bestätigte Paul in bedauerndem Tonfall.
»Aber, freuen Sie sich denn nicht?«
»Wenn der Doktor es merkt, muss ich fort. Und - es gefällt mir hier so gut.«
Nina lächelte.
»Aber Sie können doch nicht ewig hierbleiben.«
»Warum eigentlich nicht? Ich bin doch Rentner.«
»Aber ...«
»Hier lebt man wirklich, Nina.«
Sie lachte ihn an. Ein wenig freier war sie ebenfalls schon geworden.
»Und Sie?«, fragte er.
Sie zeigte ihre Hände.
»Immer noch nichts?«
»Ich habe es auch gar nicht erwartet«, meinte sie ruhig. »Mir hilft nichts. Aber eines habe ich hier gelernt: mich nicht mehr darüber aufzuregen.«
»Oje, das ist schlimm.«
»Was?«
»Dass es so nicht besser wird. Dann wird er anders vorgehen.«
»Meinen Sie Dr. Bernstein?«
»Ja. Man wird nur als geheilt entlassen.«
Es zuckte um ihre Lippen.
»Darauf kann ich leider nicht warten. So lange reichen meine finanziellen Mittel nicht.«
»Mädchen, deswegen machst du dir Sorgen?«
»Ich habe nicht so viel Geld, um abwarten zu können, ob sich wirklich was tut.«
»Darüber brauchst du nicht nachzudenken. Dies hier ist so etwas wie eine Stiftung. Wenn ein Patient nicht mehr in der Lage ist zu zahlen, dann tritt sie dafür ein. Also?«
Nina sah den Mann sprachlos an.
»Das ist nicht wahr!«, rief sie staunend.
»Aber sicher ist das so. Und jetzt kommen Sie, sonst können wir die Damen nicht mit neuen Beeren beglücken.«
Eigentlich hätte sie jetzt von ihrer Angst befreit sein müssen. Aber sie war es noch nicht. Nina befand sich in einer seelischen Krise und wusste das sehr wohl. Sie fühlte sich wertlos, weggeworfen, alles machte sie nervös und krank. Obwohl sie alles genoss, was man ihr hier bot, fühlte sie tief im Herzen den schrecklichen Zwiespalt.