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Bettina war froh, dass sie nicht mehr vor ihrer Mutter erscheinen musste. Sie ging ihr aus dem Weg. Und so konnte sie sich jetzt voll ihrer Aufgabe widmen; sie musste sich ja noch beweisen. Deshalb suchte die junge Ärztin einen neuen Weg, um mit Nina in Verbindung zu treten. Das gelang ihr einen Tag später.

»Warum haben Sie sich immer so oft gewaschen, Nina? Ich verstehe das nicht. Normalerweise tut man das doch nicht. Nimmt das nicht auch sehr viel Zeit in Anspruch?«

Doch immer noch scheute Nina davor zurück, sich ganz zu öffnen.

»Es war wie ein Zwang«, stammelte sie.

»Ja, ich weiß: Waschzwang. Aber wovon wollten Sie sich reinwaschen, Nina? Sie wissen es doch, nicht wahr? Sagen Sie es mir, bitte!«

»Ich will nicht darüber reden.«

»Haben Sie Angst, dass ich Sie für schmutzig halten könnte?«

»Ich kann einfach nicht.«

»Können Sie mit Ihrem Freund darüber reden?«

Da brach sie in Tränen aus.

»Das ist es ja, was so furchtbar ist. Sven ist so nett zu mir, ich liebe ihn auch, aber ich kann nie mehr so sein wie früher. Es ist schrecklich.«

Dr. Losse dachte eine Zeitlang nach.

»Hat er Sie vielleicht gegen Ihren Willen genommen?«

Nina blickte sie böse an.

»Sven würde so etwas nie tun.«

»Aber - Sie haben mit ihm geschlafen.«

Sie nickte.

»Fühlen Sie sich deswegen schmutzig?«

»Bitte, bitte, können wir nicht über andere Dinge sprechen? Ich bitte Sie sehr, ich ...«

Doch Bettina beharrte mit weicher Stimme: »Ich bin auch eine Frau, ich verstehe alles, Nina. Sie quälen sich so sehr; ich möchte Ihnen helfen. Ich werde auch nichts weitererzählen. Ich werde schweigen. Aber bitte, reden Sie doch mit mir darüber! Das erleichtert. Ich kann Ihnen nicht einmal versprechen, dass ich Ihnen tatsächlich helfen kann. Aber glauben Sie mir, es ist schon gut, wenn Sie mal mit einem Menschen über sich selbst reden können.«

Sie starrte vor sich hin.

»Ich habe Sven so lieb, und wenn er geht, dann weiß ich nicht, was ich machen soll. Aber mit den Händen ... Ach, es ist ja alles zwecklos. Ich habe ihn verloren.«

»Und wenn Sie wieder gesunde Hände hätten, was dann?«

Tränen tropften auf ihren Rock.

»Ich weiß es doch nicht, ich schäme mich so sehr.«

»Ihr Freund auch?«

»Sven? Er liebt mich doch!«

»Nina, warum sprechen Sie nicht mit Sven darüber? Warum nicht?«

»Kann man das denn?«

»Wenn er Sie wirklich liebt, wird er auch Verständnis für Sie haben.«

Einen Augenblick lang sah es so aus, als hätte die junge Ärztin sie überzeugt. Doch dann schüttelte sie wieder wild den Kopf.

»Ich kann mit ihm nicht darüber reden! Ich glaube, er wird mich für verrückt halten. Eigentlich war es so schön, aber dann ...«

Sie hatte also die Liebe genossen, und trotzdem schämte sie sich?

Dann dann sprudelte sie doch alles heraus.

»Es war im Wald, am hellen Tag! Wir hatten ein kleines Picknick gemacht. Da war ein kleiner See, und da ist es passiert. Wir lagen im Gras, und es war so schön, es ist ...«

Dr. Losse verstand zunächst nicht, aber dann sollte sie alles begreifen. Es war die Mutter gewesen, die das Mädchen langsam zerstörte. So lange Nina sich erinnern konnte, sprach die Mutter abfällig von Männern und über die körperliche Liebe. Sie selbst hatte keine sehr gut Ehe geführt und hatte »es« nur über sich ergehen lassen, wie sie sich dem Kinde gegenüber auszudrücken pflegte. Und das auch nur im Dunkeln unter der Decke im Schlafzimmer. So viel Pein war es für sie gewesen. Als Nina nun mitten am Tage ... Sie glaubte sich so schmutzig, weil die Mutter ihr so viele negative Gedanken darüber eingetrichtert hatte. Sie schämte sich so entsetzlich, dass sie sogar noch Gefallen daran gefunden hatte. Musste man da nicht ein verwerfliches Geschöpf sein? Da sie das von sich glauben musste - die Mutter warnte sie ja ständig vor den Männern und den »gewissen Dingen« - hatte sie begonnen, sich wie unter einem Zwang ständig die Hände zu waschen, als wollte sie die Schande von sich reiben. Und da sie Angst hatte, es würde sich wiederholen, war sie Svens Absichten künftig ausgewichen.

Dr. Losse dachte müde: Wie meine Mutter versucht, mich zu zerbrechen, so versucht man es auch mit Nina. Und sie tat genau das Richtige in dieser Situation: Sie erzählte von ihrem eigenen Schicksal und dass sie auch fast daran zerbrochen wäre. Mit leiser Stimme berichtete sie von ihrem Leben, dann ging sie zu Ninas Problem über und versuchte ihr zu erklären, dass es ein Wunder wäre, einen so wunderbaren Freund zu haben wie Sven. Einen Freund, der sie immer noch lieben würde - ja, davon sei sie überzeugt, Die Mutter versuchte doch nur, sie an sich zu binden. Nichts, gar nichts sei schmutzig oder gemein in der Liebe. Der Instinkt würde ihr das doch auch sagen. Sie habe es genossen! Und was man in vollen Zügen genießen könne, das sei nicht böse.

Nina hörte schweigend zu. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Sie blickte Dr. Bettina Losse staunend an.

»Es stimmt wirklich? Sie meinen, ich darf alles tun?«

»Alles, Nina.«

Sie zitterte. Tränen liefen ihr übers Gesicht.

»Sie müssen sich nur Sven anvertrauen. Er scheint ein wunderbarer Mensch zu sein. Ja, vertrauen Sie ihm! Und wenn Sie mal etwas nicht mögen, dann reden Sie mit ihm und nicht mit Ihrer Mutter. Sie sind erwachsen, Sie führen ein eigenes Leben und - glauben Sie mir - Glück, das man geschenkt bekommt, sollte man mit beiden Händen festhalten. Es entflieht so leicht. Denken Sie jetzt nur an Sven und Ihre Liebe! Und denken Sie immer: Bald wird alles wieder so sein, bald, sehr bald. Und es wird, darauf können Sie sich verlassen. Sie werden eine bezaubernde Frau für ihn sein, und er wird Sie lieben, lieben und nochmals lieben. Sie werden niemals einsam sein. Ein Leben voller Glück liegt vor Ihnen. Sie müssen es nur wollen.«

»Nur wollen?«

»Ja! Ihr Gehirn blockiert die Heilung.«

»Wirklich?«

»Stellen Sie sich ganz intensiv vor, wie Sven auf sie zugeht, Sie in die Arme nimmt. Sie sind glücklich. Denken Sie immer daran, und Sie werden glücklich sein.«

Nina atmete tief durch. Sie hatte das Gefühl, als wäre ein Stein von ihrem Herzen gefallen. Nach vielen Wochen fühlte sie sich frei wie ein Vogel.

»Ich will es versuchen«, sagte sie mit leiser Stimme.

Verschenktes Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane

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