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Dem jungen verliebten Arzt fiel es absolut nicht leicht, den Gleichgültigen zu spielen. Besonders dann nicht, wenn man versuchte, ihn listig auszufragen. Aber er glaubte tatsächlich, die Situation zu beherrschen. Doch nur die Stunden in der Praxis glückten ihm ausgezeichnet.

Frau Dr. Losse war bei ihm gewesen und hatte die Liste für die Hausbesuche abgeholt.

»Wollte heute nicht die neue Patientin eintreffen?«, fragte sie.

»Ja, ich werde mich darum kümmern und sie zur Villa hinüberbringen. Später können Sie sich dann den Fall ansehen.«

Sie schaute auf die Liste.

»Ich werde den ganzen Morgen fortbleiben, Herr Kollege.«

»Ich weiß. Aber ich schaffe es schon ohne Sie.«

Als Dr. Bernstein bereits alle seine Patienten versorgt hatte, meldete Britta ihm die Dame. Sie nannte sich Frau Pelz. Sobald sie sein Sprechzimmer betrat, begriff er, dass er es hier mit einer sehr herrischen Person zu tun hatte. Sie funkelte ihn an.

»Hier ist mein Krankenbericht«, sagte sie und reichte ihm einen dicken Umschlag.

Dr. Bernstein legte ihn auf den Tisch und bat sie, Platz zu nehmen.

»Wollen Sie nicht lesen, was darin steht?«

»Später irgendwann. Ich bilde mir mein Urteil selbst.«

Sie kräuselte die Lippen. Schon hatte sie eine scharfe Antwort parat, doch dann fiel ihr ein, dass sie ja hierbleiben wollte.

»Und - wo ist das Sanatorium?«, fragte sie deshalb.

»Ich führe Sie hin, wenn ich es für erforderlich halte«, meinte Dr. Bernstein ruhig. Mit exzentrischen reichen Damen hatte er umgehen gelernt, als er in der Privatklinik seines Professors hatte Dienst tun müssen. Sie flößten ihm keine Angst ein.

Die alte Dame spürte sofort, dass sie hier auf einen Menschen gestoßen war, dem sie ihren Willen nicht aufzwingen konnte.

Und Dr. Bernstein ahnte, dass er es mit einer Hypochonderin zu tun hatte. Aber in seinen Augen waren diese Menschen auch krank - seelisch krank. Sie waren innerlich zerrissen und versteckten sich hinter einer Krankheit, die nicht vorhanden war, oder - was noch viel schlimmer sein konnte - diese Krankheit wurde wirklich real, und dann war es auch für den Arzt schwierig, zu helfen und zu heilen.

Er würde diese Frau ein paar Tage unter Beobachtung halten. Wenn sie bereit dazu war, würde er sich die Mühe machen, sie zu heilen. Wollte sie das nicht, würde er sie unverrichteter Dinge heimschicken.

»Ich habe meine Sonderwünsche. Ich hoffe, man nimmt hier Rücksicht darauf.«

Achim Bernstein sah sie ruhig an und meinte gelassen: »Das kann ich Ihnen gleich versprechen: Darauf verwenden wir nicht sehr viel Zeit.«

Sie schnappte sichtbar nach Luft.

»Ich sehe, Sie haben Arme und Beine, die Sie gebrauchen können, also werden Sie einiges selbst tun können, was wir auch den anderen Patienten zumuten. Wenn Sie glauben, dass Sie hier bedient werden, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Ich sage Ihnen das gleich, damit keine Missverständnisse entstehen.«

»Ich bin Privatpatientin!«, verkündete sie lautstark. »Ich habe ein Recht darauf.«

Dr. Bernstein unterbrach sie: »Bei uns gibt es keine sozialen Unterschiede, verstehen Sie? Hier gibt es nur kranke Menschen, die den innigen Wunsch haben, gesund zu werden, umso wieder ein nützliches Glied der Familie zu werden. Und nur wer diesen Wunsch hat, wird bei uns aufgenommen.«

»Soll das heißen, dass ich nicht diesen Wunsch hätte?«

»Ich glaube schon«, gab er gelassen zurück.

Sie starrte ihn an.

»Junger Mann, gehen Sie da nicht ein wenig zu weit?«

»Nein.«

»Es könnte Ihre Stellung kosten.«

»Welche?«

Sie senkte die Lider. Sich nur nichts anmerken lassen, sagte sie sich schnell. Mit diesem Menschen rechne ich noch ganz besonders ab. Der wird sich wundern! Jetzt muss ich erst einmal mitspielen. Aber ich vergesse nichts.

»Möchten Sie jetzt hinübergeführt werden, oder wollen Sie gleich heimfahren?«

Auf der Straße stand noch die schwere Limousine mit dem Fahrer, der sie hergebracht hatte. Als sie einsteigen wollte, meinte Bernstein gelassen zu dem Chauffeur: »Bringen Sie das Gepäck zur Villa! Wir gehen zu Fuß. Und wenn Sie das erledigt haben, fahren Sie bitte nach Hause.«

»Das ist mein Wagen!«

»Laufen wird Ihnen guttun. Für Ihr Herz und Ihre Fettpölsterchen ist das ausgezeichnet. Und daran ist noch keiner gestorben.«

Der Fahrer sah ihn bewundernd an. Er wünschte sich schon lange, seiner Arbeitgeberin mal die Meinung sagen zu können.

Frau Losse, sie war die angebliche Frau Pelz, kniff abermals die Lippen zusammen. Warum hatte sie sich darauf nur eingelassen? Hätte sie das nicht auch aus der Ferne regeln können?

Wenig später standen sie vor der Villa Botanica. Sie war dann doch ein wenig angenehm überrascht, einen so herrlichen Besitz zu sehen. Auch die Räumlichkeiten waren nach ihrem Geschmack. Nur - es war eben kein Personal vorhanden, das sie drangsalieren konnte. Dr. Bernstein erklärte ihr höflich, sie müsse für ihre Garderobe selbst sorgen und auch das Bett selbst richten. Wieder wollte sie aus der Haut fahren, doch er zeigte nur ein beziehungsweise ausladend auf die Tür.

»Sind Sie denn nicht auf Patienten angewiesen? Wissen Sie eigentlich, dass ich Ihnen viele Patienten zuweisen könnte?«

»Gnädige Frau, wer Hilfe braucht, wird wissen, wo man sie findet, und kommt von ganz allein.«

»Soll das heißen, Sie brauchen keine Reklame?«

»Ich bin kein Unternehmer und habe auch keine Krankenfabrik.«

Wieder hatte sie den Kürzeren gezogen. Dr. Bernstein ging nach unten und traf auf Sabine Toller.

»Das ist aber ein Donnerdrachen«, sagte sie leise.

Der Arzt lächelte.

»Dafür wird sie auch den vierfachen Preis zahlen müssen«, verriet er.

»Wie bitte?«

»Nur mit einer hohen Rechnung kann man Ehre bei dieser Dame einlegen.«

»Und wenn sie dann abreist?«

»Da sie gar nicht wirklich krank ist, wird sie bleiben, weil sie sich sonst zu Hause blamiert.«

Sabine seufzte: »Wenn das nur gutgeht. Wenn ich sie nur ansehe, kriege ich schon Angst und möchte katzbuckeln.«

»Keine Sorge, Lydia und Johanna sind auch noch da. Ich werde sie gleich auf den neuen Gast aufmerksam machen.«

Er fand die beiden in dem kleinen entzückenden Häuschen. Natürlich tranken sie gerade Kaffee, aber das hatte er gewusst. So lud er sich selbst ein, und sie unterhielten sich.

Wenn die beiden unternehmungslustigen Damen hörten, dass es irgendwo Schwierigkeiten gab, dann glänzten sogleich ihre Augen. Und als er auch noch erzählte, diesmal handle es sich um eine exzentrische reiche Frau, freuten sie sich noch mehr. Die beiden waren ihr gewiss gewachsen; sie waren doch selbst reich, nur hatten sie nie Starallüren gezeigt.

»Wir werden schon dafür sorgen, dass bei der Dame nicht die Bäume in den Himmel wachsen.«

»Ihr passt also auf sie auf?«, vergewisserte er sich.

»Aber sicher! Und sie wird als geheilt entlassen, Dr. Bernstein, dafür werden wir Sorge tragen.«

»Wunderbar!«

»Wir haben gehört, Sie waren gestern aus?«

»Ja, ich habe mich dem wilden Leben hingegeben.«

Heuchlerisch erkundigte man sich nach Britta. Achim Bernstein musste sich das Lachen verkneifen. Der Nachrichtendienst funktionierte ausgezeichnet. Er spielte den Harmlosen, Unwissenden.

»Fräulein Britta? Nun, ich glaube, ihr geht es auch recht gut. Soweit ich das beurteilen kann.«

»War sie nicht gestern Abend auch dem wilden Leben ausgesetzt?«

»Ach, wirklich?«

Johanna und Lydia blickten sich an.

»Ja, sind Sie denn nicht zusammen fort gewesen?«

Er blickte sie treuherzig an.

»Ja, richtig! Tatsächlich. Was man doch nicht alles vergessen kann.«

Da wurden die beiden unruhig und sprachen schnell von anderen Dingen, zum Beispiel von Nina Norden.

»Sie ist sehr elend dran, Dr. Bernstein. Warum gelingt es diesmal nicht?«

»Ich weiß es nicht.«

»Werden Sie ihr helfen können?«

»Auch das weiß ich nicht - noch nicht.« Er erhob sich. »Es war mal wieder ganz reizend bei Ihnen«, sagte er und deutete lächelnd eine Verbeugung an. Alle lachten.

Als er gegangen war, blickten sich die beiden Damen an.

»Was sollen wir denn davon halten?«

Johanna lachte leise auf.

»Wir haben mal wieder viel zu früh die Hochzeitsglocken läuten gehört.«

»Und ich war schon dabei, ein Menü zusammenzustellen«, sagte Lydia und seufzte.

»Ach ja, so eine Hochzeit ist doch wirklich eine rührende Angelegenheit.«

»Der dumme Junge, bis man sie ihm wegschnappt!«

»So etwas kann man leider nicht erzwingen.«

»Warum eigentlich nicht?«

Und schon steckten sie wieder einmal die Köpfe zusammen. Bisher hatten sie doch immer alles geschafft, was sie sich vorgenommen hatten. Warum sollten sie nicht auch in Herzenssachen ein wenig Vorarbeit leisten? Auf alle Fälle würde man nicht unter Langeweile zu stöhnen haben.

Verschenktes Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane

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