Читать книгу Verschenktes Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane - Glenn Stirling - Страница 24

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Lydia Winter sah die Frau über den Rasen kommen und wunderte sich ein wenig. Johanna meinte: »Sie sieht wie eine Kriegerin aus.«

»Mal sehen, worüber sie sich jetzt wieder zu beschweren hat.« Noch lachte Frau Winter.

Doch die neue Patientin lobte alles mit zuckersüßen Worten. Sofort waren die beiden Frauen auf der Hut. Es dauerte auch nicht lange, bis Frau Losse auf das eigentliche Ziel ihres Besuches zu sprechen kam.

Johanna Bachmaier war auch einmal eine clevere Geschäftsfrau gewesen. Diese Eigenschaften hatte sie behalten. Ahnungslos klang die Frage: »Ach, Sie wollen sich an der Stiftung beteiligen?«

Frau Losse starrte sie verwirrt an.

»Stiftung ...«

»Aber ja! Sie sind herzlich willkommen! Aber ich sage es Ihnen gleich: Mit kleinen Summen geben wir uns erst gar nicht ab.«

Frau Losse überlegte blitzschnell.

»Je höher die Anteile, umso mehr Stimmen bekommt man doch, meine Damen?«

»Sie irren. Man kann Geld einbringen, aber Rechte erwirbt man damit nicht.«

»Waaas?«

»Alle Rechte liegen beim Doktor.«

Frau Losse wurde ärgerlich.

»Dann gebe ich mich mit einer Stiftung nicht ab, dann kaufe ich den Laden!«

»Der >Laden< ist leider nicht zu verkaufen«, entgegnete Lydia zuckersüß.

»Und wenn ich einen guten Preis nenne?«

»Sehen wir so aus, als ob wir käuflich wären?«

Sie durchbohrte Lydia mit ihren Blicken, doch die hielt ihnen stand. Das machte sie ein wenig nervös.

»Man kann alles kaufen! Und ich bin wirklich nicht kleinlich.«

»Wie nett von Ihnen!«

»Also, können wir mit einem Angebot anfangen?! Wir müssen doch so etwas wie eine Basis haben, auf der man verhandeln kann.«

»Die haben wir ja auch - Sie können stiften, mehr nicht.«

Sie ballte die Hände.

»Ich glaube, Sie haben mich noch immer nicht verstanden. Wenn ich mich dafür einsetze, dann wird der Doktor bald schließen müssen. Dieser Laden läuft doch nicht. Sehen Sie sich doch mal die Leute an, die hier herumlaufen!«

»Kranke Menschen! Sie kann man ja nicht dazuzählen, gnädige Frau!«

Ihre Augen wurden eiskalt.

»Ich bin herzleidend!«, stieß sie hervor.

»Wenn Sie das wären, würden Sie jetzt nicht so energiegeladen durch die Gegend laufen und nur ans Geld denken. Man kann nämlich nichts mitnehmen, Frau Losse. Und ewig leben wir alle nicht. Ich sage es noch einmal: Die Klinik ist nicht käuflich. Und was Sie als Pleite ansehen, ist keine. Wir haben Geld genug und wissen ganz genau, was wir vorhaben. Auf Ihren Rat können wir übrigens recht gut verzichten. Von denen haben wir übergenug.«

»Und das soll ich Ihnen abnehmen?«

»Nein, Sie brauchen es nicht. Aber vielleicht fragen Sie mal Leonie Jäger und ihren Mann.«

»Die Jägers?«

»Ja, sie gehören zur Stiftung, gnädige Frau.«

Frau Losse wurde sichtlich blass. Das Vermögen der Jägers war größer als das ihre. Viele Jahre lang hatte sie versucht, gegen diesen Machtfaktor anzukämpfen - ohne Erfolg.

»Soll das heißen ...?«

»Ich bin ja auch noch da! Vielleicht erinnern Sie sich noch an Bachmeier, Hamburg?«

Frau Losse wurde immer nervöser. Vor ihr saß reiner Geldadel. Wirklicher Geldadel. Und diese Frauen hatten die Stiftung ins Leben gerufen und lebten jetzt bescheiden in einem kleinen Haus.

Das war schon ein kleiner Schock.

Lange dachte sie über diese Tatsache nach. Zum ersten Mal hatte man ihr die Stirn geboten.

»Und warum tun Sie das alles?«, fragte sie nach einer Weile mühsam beherrscht.

»Wir wollen unserem Leben einen Sinn geben. Übrigens - wenn Sie Bettina nicht in Ruhe hier arbeiten lassen, dann haben Sie mächtige Gegner. Haben Sie daran schon gedacht?«

»Bettina? Wie?«

»Ja, glauben Sie, wir wüssten nicht, was Sie vorhaben, Frau Losse?«

Im Gegensatz zu ihren Worten lächelte Johanna Bachmeier die andere beinahe liebevoll an. Augenblicklich wurde Frau Losse rot. Das konnte sie also noch.

»Sie haben jetzt nicht nur den Doktor gegen sich, sondern alle. Aber das werden Sie wohl nie begreifen. Wir mögen Ihre Tochter, stellen Sie sich das einmal vor.«

»Sie ist ein Nichts!«, stieß die Mutter hervor.

»Das ist sie - in Ihrer Nähe. Deshalb werden wir auch dafür sorgen, dass Sie recht bald wieder abreisen, gnädige Frau.«

»Das können Sie nicht!« Frau Losse rang nach Atem.

»Hier werden nur wirklich kranke Patienten geduldet. Und glauben Sie ja nicht, dass der Doktor keinen Mut hätte! Der hat viel mehr, als Sie denken.«

Merkwürdig, das dumpfe Gefühl hatte sie auch schon gehabt. Als sie endlich begriff, dass sie hier nichts ausrichten konnte, verschaffte sie sich einen möglichst schnellen Abgang. Lydia und Johanna amüsierten sich noch lange darüber.

»Der haben wir es aber fein gegeben, was?«

»Ja. Das hat mir richtiges Vergnügen bereitet.«

»Auch mir hat es riesigen Spass gemacht.«

»Ob sie jetzt verschwinden wird?« Frau Bachmeier war skeptisch.

»Mal sehen. Aber jetzt sind wir ja gewarnt.«

»Jawohl.«

Als Frau Losse in ihr Zimmer zurückkehrte, war der Anwalt inzwischen im Sessel eingeschlafen. Sie weckte ihn, und er schreckte hoch.

»Soll ich jetzt den Vertrag aufsetzen?«, fragte er, während er seine Augen rieb.

»Warum sind Sie überhaupt noch hier? Ich brauche Sie nicht mehr. Verschwinden Sie!«

Der alte Anwalt erhob sich langsam. Er lächelte sie feinsinnig an.

»Soll das vielleicht heißen, dass Sie den Kürzeren gezogen haben?«

»Warum haben Sie mir nichts von dieser Stiftung erzählt?«, fuhr sie ihn an.

»Ich dachte, das wäre belanglos.«

»Und von Leonie Jäger?«

»Nun, ich fürchtete, es würde Sie reizen, wenn Sie erfahren, dass Ihre Feindin mit von der Partie ist.«

Sie schnaufte wütend.

»Wollen Sie nicht mitkommen?«, fragte er.

»Nein! So schnell gebe ich nicht auf!«

Er schloss seinen Aktenkoffer.

»Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.«

»Das werde ich haben«, versicherte sie.

So leicht gebe ich mich nicht geschlagen, dachte sie. Ich werde Bettina fertigmachen. Das habe ich schon immer geschafft. Auch hier wird es mir gelingen. Ich mache sie nervlich so fix und fertig, dass sie gravierende Fehler begeht. Dann muss man sie entlassen.

Sie suchte in Gedanken ihre Waffen zusammen, um zu einem neuen Schlag anzusetzen.

Da ihr Magen knurrte, entschloss sie sich, endlich nach unten zu gehen. Doch dort erfuhr sie von Sabine Toller, dass es im Augenblick nichts zu essen gab.

»Ich bin Privatpatient!«, erinnerte sie die junge Frau lautstark.

»Ich weiß. Aber Sie müssen sich an die Hausordnung halten.«

»Das ist ja ... Das ist ...«

»Wenn es Ihnen bei uns nicht gefällt, dürfen Sie gehen. Dann berechnen wir Ihnen diesen Tag auch nicht«, sagte Sabine Toller freundlich.

»Glauben Sie, ich könnte mir nicht alles leisten?«

»Ich weiß es nicht.«

Sie schnaufte und lief davon. Drei Stunden musste sie noch warten, bis sie endlich etwas zu essen bekam. Unten im Essraum. Es war vorzüglich gekocht. Im Stillen musste sie zugeben, dass sie schon lange nicht mehr so vorzüglich gegessen hatte. Natürlich ließ sie sich nichts anmerken. Auch die Fröhlichkeit um sich herum bemerkte sie, beteiligte sich aber nicht daran. Sie war schließlich jemand. Nur, leider kümmerte sich niemand darum.

Paul kam nur einmal kurz an ihren Tisch und meinte bedauernd: »Sie tun uns sehr leid, gnädige Frau. Aber warten Sie nur ab, bald werden Sie es auch geschafft haben.«

»Was?«

»Dann sind Sie geöffnet für alles. Keine Sorge, ich war auch mal so halsstarrig wie Sie. Das sind wir alle zu Anfang. Sehen Sie Nina Norden dort drüben. Sie hat es besonders schwer. Aber keine Sorge, der Doktor wird es schon schaffen, auch sie zu heilen. Er ist ein wundervoller Mensch.«

In diesem Augenblick betrat Dr. Bernstein den Raum und begrüßte sie alle. Frau Losse besah ihn aus der Ferne. Und plötzlich dachte sie: Herrje, ich zäume das Pferd an der falschen Stelle auf. Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Er scheint wirklich gut zu sein, sonst würden sich eine Leonie Jäger und eine Johanna Bachmeier nicht mit ihm abzugeben. Also muss ich das Ganze fördern, dann wird der junge Arzt meine Bettina zur Frau nehmen. Das klingt doch sehr gut: Meine Tochter hat einen Arzt mit Privatklinik. Natürlich werde ich die Stiftung dann aufheben. Ich schenke die Klinik sozusagen Bettina zur Hochzeit.

Dann habe ich sie dort, wo ich sie haben will - wie ihren Bruder. Sie stellt etwas dar, muss mir aber doch Rechenschaft ablegen, denn erst nach meinem Tod wird den beiden alles gehören.

Das wird dem jungen Dr. Bernstein gut schmecken, wenn er hört, dass er mit meiner Tochter auch noch sehr viel Geld bekommen kann. Wie ich Bettina kenne, hat sie ihm noch nicht einmal erzählt, wie reich sie ist. Typisch! Aber dem werde ich jetzt abhelfen.

Sie winkte ihn heran, nachdem der Speiseraum sich geleert hatte und auch der Arzt nur noch allein am Tisch saß.

»Wo ist meine Tochter?«

»Wieso?«

»Hat sie keinen Dienst?«

»Nein. Das heißt doch, aber nicht hier.«

»Warum nicht?«

Er blickte sie amüsiert an.

»Verlangen Sie wirklich eine Antwort?«

Die streitbare Dame biss wieder auf Granit. Sie musste es listiger anfangen. Also spielte sie die Liebenswürdige und erzählte ihm, wie toll sie hier alles fände, und er sähe doch jetzt selbst, dass sie sich allem fügen würde. Sie sähe ja ein, dass es nur zu ihrem Besten sei.

»Wenn Sie das erkannt haben, dann können Sie gleich morgen Ihre Koffer packen.«

»Warum denn?«, fuhr sie ihn bereits wieder böse an.

»Nun, weil Sie dann erkannt haben müssen, dass Sie eine Hypochonderin sind. Damit wären Sie geheilt, gnädige Frau, und ich kann nichts mehr für Sie tun.«

»Aber das Herzstechen ist immer noch da. Und meine Anfälle, Dr. Bernstein?«

»Die gibt es nur in Ihrer Einbildung«, sagte er in gelassenem Tonfall.

»Und wenn Sie sich irren? Wenn Ihre Diagnose nicht stimmt? Wenn ich sterbe, was dann?«

Dr. Bernstein blieb völlig ruhig.

»Dann sind Sie an Ihrer Einbildung gestorben. Aber wie ist es mit dem da oben? Was können Sie vorzeigen?«

»Ich bin nicht gläubig«, antwortete sie aufgebracht und spürte doch, wie ihr das Herz jetzt zu schaffen machte. Er hatte ja recht mit seiner Andeutung. Ihre Kinder hätten dann wohl Grund aufzuatmen. Und warum? Unwillkürlich forschte sie ein wenig tiefer in sich.

Dr. Bernstein ließ sie die ganze Zeit nicht aus den Augen.

»Woher nehmen Sie eigentlich das Recht, so boshaft zu sein?«, setzte der Arzt nach.

Sie fuhr auf und lief vor Wut rot an, doch dann fiel sie in sich zusammen.

»Sie werden mir büßen ...«, begann sie.

»Nicht wieder die alte Platte. Lydia hat mir erzählt, was Sie vorhatten. Das zieht hier nicht. Sie müssen sich schon ein paar Wahrheiten sagen lassen, wenn Sie hierbleiben wollen. Wissen Sie, wir heilen hier nämlich auch die Seele. Wenn die geöffnet und gereinigt ist, zeigen auch unsere Verordnungen in den meisten Fällen größere Wirkung. Man muss den Schlüssel zu den Seelen der Menschen finden. Und Sie, gnädige Frau, vergällen sich das Leben selbst. Das können Sie tun, solange Sie nicht andere damit quälen, sondern nur sich selbst damit schaden. Hier dulde ich es nicht, Frau Losse. Ich habe Sie durchschaut, und Ihre Tochter hat das zum Glück auch. Lydia und Johanna haben ebenfalls ihr Urteil abgegeben. Sehen Sie, was Sie haben, ist nur Geld im Safe! Gehen Sie zurück und erwärmen Sie Ihr Herz an einem Geldsack, das macht Sie doch glücklich. Unterhalten Sie sich mit dem Geld. Geben Sie Partys für Ihre Geldscheine. Vielleicht beschert das Geld Ihnen auch noch Enkel, an denen Sie sich erfreuen können. Mit Geld kann man doch alles! Nun, warum sind Sie eigentlich hier? Kann man mit Geld sich nicht auch neue Kinder kaufen? Versuchen Sie es doch mal! Von Ihrer Tochter halten Sie ja nicht viel, nicht wahr? Das sind Ihre eigenen Worte. Warum also sind Sie denn noch hier?«

In ihrem gesamten bisherigen Leben hatte man sie noch niemals so angegriffen. Es war eine schreckliche Qual für sie. Geld, Geld - immer wieder schleuderte er ihr dieses Wort ins Gesicht.

Jetzt stand der junge Arzt auf.

»Lassen Sie mich morgen wissen, ob Sie bleiben wollen oder nicht.«

Mit diesen Worten ließ er eine geschockte, einsame Frau zurück. Draußen im Garten war das Leben, erscholl Lachen. Und sie hier drinnen?

Frau Losse legte die Hände vor ihr Gesicht und stöhnte auf.

Verschenktes Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane

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