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EEG-basierte Klassifikation und klinische Translation
ОглавлениеDer Nutzen dieser Befunde für die klinische Anwendung ist umstritten. Frühere Studien berichteten, dass die Erhöhung der langsamen Anteile im Spontan-EEG schon in einem einzelnen Kanal erfasst werden kann und dabei die TBR eine derart hohe Sensitivität (um 90 %) und Spezifizität (um 95 %) für Kinder und Jugendliche mit ADHS gegenüber gesunden Kontrollen aufweise, dass man damit die ADHS-Diagnostik zumindest sinnvoll ergänzen kann (Monastra et al. 2001; Snyder et al. 2008). Die meisten dieser quantitativen EEG (QEEG)-Studien weisen aber methodische Schwächen wie unübliche ADHS-Diagnostik, unklare EEG-Artefaktbehandlung, unklare Klassifikationsberechnung auf und sind deshalb mit Vorsicht zu interpretieren. Methodisch einwandfreie Arbeiten zeigten, dass die Klassifizierung von ADHS-Probanden gegenüber gesunden Kontrollen anhand des Ruhe-EEGs mit multivariaten Verfahren zwar eine Sensitivität von fast 95 %, aber eine Spezifizität von nur 40 % ergab (Magee et al. 2005). Eine Clusteranalyse verbesserte zwar die Klassifikation für Teilgruppen, was aber diagnostisch nicht nutzbar ist und eher die Heterogenität in der ADHS-Gruppe entsprechend der neueren Clusteranalyse (Clarke et al. 2011) belegt.
Inzwischen wird kaum mehr bestritten, dass die unzureichende diagnostische Validität von TBR keine eigenständige ADHS Diagnose erlaubt. Dennoch wurde der Ansatz, TBR als diagnostisches Hilfsmittel zu nutzen, mittels einer multizentrischen verblindeten Studie unter Beteiligung eines EEG-Geräteherstellers verfolgt, und vor kurzem von der US Food and Drug Administration (FDA) zugelassen (Snyder et. al. 2015). Dabei wurde argumentiert, dass bei einer ADHS Verdachtsdiagnose eine erhöhte TBR mit hoher Sicherheit auf »echtes« ADHS hinweise, während eine unauffällige TBR weitere Abklärung erfordere, da in diesem Fall andere Diagnosen ADHS vortäuschen könnten (DSM-Kriterium »E«).
Dieser mehrstufige Ansatz mag allenfalls eine homogene Teilgruppe mit ADHS identifizieren, aber lässt wesentliche Bestandteile einer sorgfältigen, leitliniengerechten ADHS-Diagnostik vermissen, und weder der klinische Nutzen noch die Validität und Reliabilität wurden unabhängig geprüft. Die FDA-Zulassung als EEG-basierte Diagnostikhilfe wurde dementsprechend breit kritisiert (Arns et al. 2016; Gloss et al. 2016). Zusammenfassend erlauben zurzeit neurophysiologische Masse keine klinische Translation. Sie sind weder für eigenständige ADHS-Diagnosen noch als diagnostische Hilfsmittel validiert und eine unabhängige Replikation durch ausgewiesene universitäre ADHS Zentren bleibt unerlässlich.