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7.1 Dopamin
ОглавлениеDa die bei der Behandlung der ADHS klinisch wirksamen Stimulanzien direkt in das dopaminerge und noradrenerge System eingreifen, wurden Belege für eine katecholaminerge Dysfunktion als maßgebliche pathophysiologische Veränderungen bei der ADHS gesucht und gefunden (Pliszka 2005). Inzwischen besteht weitgehend Einigkeit, dass bei ADHS die striatale dopaminerge Transmission in der Summe erniedrigt ist (Biederman und Faraone 2002; Solanto 2002; Sagvolden et al. 2005). Allerdings gibt es auch Hinweise, dass zumindest punktuell ein Überschuss an Dopamin vorliegt. Entsprechende Studien können nicht immer eindeutig als Hinweis auf eine hypo- bzw. hyperdopaminerge Neurotransmission interpretiert werden. Hierzu drei Beispiele:
• Vor allem im Tiermodell kann sowohl eine hypo- wie auch eine hyperdopaminerge Neurotransmission zu einer Hyperaktivität führen, die durch die Gabe von Stimulanzien reduziert wird. So zeigt die DAT-knockout-Maus durch das Fehlen des Dopamintransporters (DAT) im Striatum eine 300-fach verlangsamte Wiederaufnahme des extrazellulären Dopamins. Die Gesamtkonzentration des extrazellulären Dopamins ist damit etwa 5-mal höher als bei Kontrollmäusen. Andererseits konnte gezeigt werden, dass in dieser Region (wahrscheinlich kompensatorisch) die Dopaminkonzentration um etwa 95 % und die Dopaminfreisetzung um etwa 75 % reduziert ist. In der Gesamtschau wird die DAT-knockout-Maus überwiegend als ein hyperdopaminerges ADHS-Model gesehen (Russell et al. 2005).
• Interessant sind auch Befunde zu den sogenannten Tetrahydroisoquinolinen (TIQ), die physiologisch sowohl im Gehirn synthetisiert als auch durch die Nahrung aufgenommen werden. Vier Metabolite der TIQ, die einen abweichenden Abbauweg des Dopamins darstellen, wurden im Urin von Kindern mit ADHS als massiv erhöht gefunden (Roessner et al. 2007). Sowohl die hohe Sensitivität und Spezifität, als auch die mögliche Verbindung zum immer wieder diskutierten Einfluss der Ernährung auf die ADHS-Symptome machen weitere Untersuchungen zu TIQ bei ADHS notwendig. Dabei sollte auch geklärt werden, welche der beiden Interpretationsmöglichkeiten der gefundenen Erhöhung der TIQ-Derivate bestätigt werden kann. Denn zum einen ist denkbar, dass das vorhandene Dopamin vermehrt über einen abweichenden Abbauweg zu TIQ umgewandelt und damit ein hypodopaminerger Zustand erzeugt wird. Zum anderen ist aber auch denkbar, dass ein Überschuss an Dopamin über den physiologischen Abbauweg auch zu einer erhöhten Bildung von TIQ und damit zu erhöhten TIQ-Konzentrationen im Urin führt, womit die Hypothese eines hyperdopaminergen Modells der ADHS unterstützt würde.
• Schon bei der ersten Beobachtung einer erhöhten Dopamintransporterdichte im Striatum von Erwachsenen mit ADHS (Dougherty et al. 1999) wurden zwei mögliche Erklärungen diskutiert. Kommt es aufgrund einer originär erhöhten Dopaminkonzentration in der Synapse zu einer Hochregulation der Dopamintransporterdichte oder ist die erhöhte Dopamintransporterdichte eine der Ursachen der der ADHS vermutlich zugrundeliegenden dopaminergen Hypoaktivtät.
Prinzipiell unterscheidet man zwei Komponenten der dopaminergen Neurotransmission (Sikstrom und Soderlund 2007): eine phasische und eine tonische. Die phasische Komponente beinhaltet die plötzliche Freisetzung von Dopamin in den synaptischen Spalt als Reaktion auf ein Aktionspotenzial, welches z. B. durch einen externen Reiz induziert wird oder als belohnende Reaktion beim Lernen entsteht. Unter dem Begriff tonische Dopaminkomponente versteht man eine dauerhafte geringe Dopaminmenge in der extrazellulären Flüssigkeit außerhalb der Synapse. Die tonische Dopaminkomponente ist viel stabiler und moduliert die Reaktivität der phasischen Dopaminausschüttung. Präsynaptische Autorezeptoren werden durch eine zu hohe tonische Dopaminkomponente dauerhaft stimuliert und führen so zu einer verminderten phasischen Dopaminausschüttung, wohingegen eine niedrige tonische Dopaminkonzentration zu einer vermehrten phasischen Dopaminausschüttung führt. Man vermutet, dass eine stark erhöhte tonische Dopaminfreisetzung zu einer besonderen Stabilität der neuronalen Aktivität führt, da die phasische Dopaminausschüttung stark reduziert wird. Dies wird mit einer erhöhten Rigidität in Verbindung gebracht. Im Gegensatz hierzu bewirkt eine reduzierte tonische Dopaminfreisetzung eine Labilisierung der neuronalen Aktivität durch Erhöhung der phasische Dopaminausschüttung, was wiederum mit Schwierigkeiten in der Daueraufmerksamkeit, einer erhöhten Ablenkbarkeit und flüchtigem Arbeitsstil in Verbindung gebracht wird.
Zahlreiche Kandidatengene mit einer Verbindung zum dopaminergen System wurden bei Patienten mit ADHS untersucht ( Kap. 9). Es gibt Hinweise, dass das DRD4 7-Repeat Allel einen Dopamin-D4-Rezeptor kodiert, der für Dopamin weniger sensitiv ist (Asghari et al. 1995) und damit indirekt die hypodopaminerge Theorie der ADHS unterstützt. Weitere Kandidatengene wie die Gene für Dopamin-D1–5 Rezeptoren, Dopamin-Beta-Hydroxylase, DOPA-Decarboxylase, Tyrosin Hydroxylase, Catechol-O-Methyl-Transferase und Monoamin Oxidase A wurden mit uneindeutigen Ergebnissen beforscht. Relativ häufig wurde das den Dopamintransporter (DAT1) kodierende Gen untersucht. Der DAT1 wird vor allem im Striatum und Nucleus Accumbens exprimiert und ist der Wirkort für Stimulanzien (Volkow et al. 1995). Eine Meta-Analyse ergab aber keine statistisch signifikanten Belege für eine Beteiligung des DAT1 an der Ätiologie der ADHS (Li et al. 2006).
Allerdings konnte in zwei Studien gezeigt werden, dass das 10-repeat Allel der 3’-VNTR-Region möglicherweise nur in Verbindung mit einem 6-repeat Allel eines 30-bp VNTR im Intron 8 des DAT1-Gens das Risiko signifikant erhöht (Brookes et al. 2006; Asherson et al. 2007). Interessant ist außerdem die mehrfach replizierte Assoziation der Region des kurzen Arms des Chromosoms 5 (5p13), da hier das Gen für den Dopamintransporter (DAT1) lokalisiert ist (Ogdie et al. 2006). Auch scheinen Gen-Umwelt-Interaktionen zwischen DAT1-Allelen und Umweltrisiken, wie mütterlicher Nikotin- oder Alkoholabusus während der Schwangerschaft oder ungünstige psychosozialen Umständen, das Risiko für ADHS zu moderieren (Brookes et al. 2006; Laucht et al. 2007; Neuman et al. 2007). Ferner herrscht noch keine Klarheit, ob ein bestimmter DAT Polymorphismus mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine Stimulanzienbehandlung assoziiert ist. Insgesamt weisen die genetischen Studien ebenfalls die zentrale Bedeutung einer eher hypodopaminergen Störung bei ADHS aus.
Untersuchungen mit Bildgebung beziehen sich vor allem auf die fronto-striatalen Regelkreise, die für die Regulation von Aufmerksamkeit und Motorik verantwortlich sind und eine hohe Dichte an katecholaminergen Rezeptoren aufweisen. Hier werden die der ADHS zugrundeliegenden Störungen vermutet (Pliszka 2005). Passend zur Hypothese einer dopaminergen Dysfunktion bei der ADHS fanden die meisten Bindungsstudien eine erhöhte DAT-Dichte im Striatum von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS (Krause 2008). Die erhöhte Bindung an den DAT konnte durch die Gabe von MPH reduziert werden, was wegen fehlender Medikationspausen vor der SPECT/PET-Untersuchung aber am ehesten ein direkter, kurzfristiger Effekt im Sinne einer Blockade des DAT zu sein scheint. Im Gegensatz hierzu konnte von uns bei spontan hypertensiven Ratten am Tag 90 (d. h. beim adulten Tier, welches kein Methylphenidat (MPH) mehr erhielt) im Striatum eine dauerhafte Normalisierung der DAT-Dichte dann nachgewiesen werden, wenn vorher eine präpubertäre MPH-Gabe über 14 Tage erfolgt war (Roessner et al. 2009).
Kinder mit ADHS (n = 7) mit 10/10 DAT1 Polymorphismus haben eine größere striatale DAT Dichte als Kinder ohne 10/10 DAT1 Polymorphismus (n = 4) (Cheon et al. 2005), wobei erstere schlechter auf MPH ansprachen. Allerdings schränken die kleinen Gruppengrößen die Aussagekraft der Studie stark ein. Denn eigentlich zeigen die »reinen Bildgebungsstudien«, dass Patienten mit einer höheren striatalen DAT-Dichte deutlich mehr von MPH profitieren als die mit niedriger Dichte. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch der Befund, dass Rauchen die DAT-Bindungskapazität reduziert und somit die hohe Rate an Rauchern bei ADHS-Betroffenen zumindest teilweise im Sinne einer Selbstmedikation erklären könnte. Zudem könnte der immer wieder diskutierte positive Effekt von Zink auf die ADHS-Symptomatik mit dessen DAT-blockierender Wirkung in Zusammenhang stehen.
Im Mittelhirn von Kindern mit ADHS wurde eine erhöhte Aktivität der DOPA-Decarboxylase gefunden, während bei Erwachsenen mit ADHS eine im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden reduzierte Aktivität im präfrontalen Kortex beobachtet wurde (Ernst et al. 1998; Ernst et al. 1999). Bezüglich des DRD-2-Rezeptors konnte bei Kindern mit ADHS eine höhere Rezeptorbindung vor MPH-Behandlung beobachtet werden, die sich nach drei Monaten Behandlung normalisiert hatte (Ilgin et al. 2001). Aber auch hier machen die Autoren leider keine Angaben, ob es sich eher um eine kurzfristige Veränderung der Rezeptorbindung durch das MPH oder um tatsächlich dauerhafte Veränderungen der Rezeptordichte handelt. Eine anfänglich höhere Rezeptorbindung des Liganden scheint mit besserem Ansprechen der MPH Medikation verbunden zu sein. In einer Längsschnittstudie des NIMH (Shaw et al. 2009) wurde ferner gezeigt, dass eine reifungsbedingte Normalisierung der Hirnrindendicke des rechten Parietalkortex mit einer Reduktion der ADHS-Symptomatik im Entwicklungsverlauf assoziiert ist. Diese Reifungsverzögerung fand sich besonders häufig bei ADHS-Patienten mit einem bestimmten Polymorphismus des dopaminergen Rezeptors (DRD-4, 7-repeat-Allel).
Als das beste Tiermodell für ADHS wird oft die Spontan Hypertensive Ratte (SHR) bezeichnet, die von den Wistar-Kyoto Ratten abstammt, welche als Kontrolltiere der SHR dienen. Bei SHR wurde eine 160 bp Insertion in der nicht-kodierenden Region nahe Exon 3 des DAT Gens gefunden (Mill et al. 2005), die von einer gewissen Bedeutung ist, da eine variable Anzahl an Tandem-Repeats in der 3’-untranslatierten Region des DAT Gens in einigen Familienstudien mit ADHS assoziiert ist (Cook et al. 1995; Dougherty et al. 1999; Krause et al. 2000; Kirley et al. 2003; Bobb et al. 2005). Eine mögliche Beeinträchtigung der Regulation der Transkription des DAT Gens passt zu Befunden, dass während des ersten postnatalen Monats die Expression des DAT Gens im Mittelhirn von SHR zeitweise reduziert und bei erwachsenen SHR erhöht ist (Watanabe et al. 1997; Leo et al. 2003). Veränderungen in der Expression des DAT Gens können über DAT Veränderungen die Dopaminaufnahme und -wiederverwendung beeinträchtigen. Wir konnten zeigen, dass die erhöhte DAT-Dichte im Striatum der SHR vor allem durch eine präpubertäre Medikation mit MPH auf normale Werte reduziert wird (Roessner et al. 2009b). Allerdings erscheint eine Fokussierung auf das dopaminerge System ungenügend, da vor allem im präfrontalen Kortex der SHR eine Imbalance zwischen dopaminerger und noradrenerger Neurotransmission gefunden wurde (Russell 2002). Während die Dopaminfreisetzung im präfrontalen Kortex der SHR reduziert war, waren die Noradrenalinkonzentrationen erhöht.
Auch die sogenannten DAT-knock-out (DAT-KO)-Mäuse haben sich als ein ADHS-Modell etabliert, da sie hyperaktiv sind, eine reduzierte Löschung der Antworten bei Aufgaben zur operanten Konditionierung mit Nahrung zeigen sowie im Lernen und Erinnern beeinträchtigt sind (Russell et al. 2005). Allerdings wurde bei DAT-KO-Mäusen impulsives Verhalten noch nicht systematisch untersucht. Das Fehlen des DAT bei DAT-KO-Mäusen stellt das Extrem einer bei Jugendlichen mit ADHS gefundenen reduzierten DAT-Dichte im Mittelhirn dar (Jucaite et al. 2005) und steht im Widerspruch zu den zahlreichen Studien, die eine erhöhte DAT-Dichte im Striatum von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gefunden haben (Dougherty et al. 1999; Krause et al. 2000; Cheon et al. 2003). Dennoch liefern DAT-KO-Mäuse hilfreiche Hinweise auf die neuropsychiatrischen Konsequenzen einer stark beeinträchtigten DAT-Funktion. Bei den DAT-KO-Mäusen wird Dopamin sehr langsam aus dem synaptischen Spalt entfernt, was zu einer etwa fünffach erhöhten extrazellulären Konzentration im Striatum führt (Gainetdinov et al. 1999a). Allerdings ist die elektrisch stimulierte Freisetzung von Dopamin vermindert, was auf eine Reduktion der phasischen Freisetzung und somit eine hypodopaminerge Neurotransmission hindeutet (Gainetdinov et al. 1999a) – ähnlich den Befunden an SHR- und den Coloboma-Mäusen (Russell et al. 2005). Weitere ADHS-Tiermodelle und deren Bedeutung finden sich in einer Übersichtsarbeit (Russell et al. 2005). Es bleibt offen, inwieweit sich solche Befunde auf den Menschen übertragen lassen.
Neurochemisch konnten Studien zu ADHS nur einen begrenzten Zusammenhang zwischen Blut- bzw. Urinkonzentrationen und dem zentralen dopaminergen Metabolismus finden. Analog zeigten Stimulanzien nur einen geringen Effekt auf die Urinkonzentration dopaminerger Metabolite (Pliszka 2005). Leider ergaben auch Liquoruntersuchungen bei ADHS keinen einheitlichen Befund (Shetty und Chase 1976; Shaywitz et al. 1977; Reimherr et al. 1984; Castellanos et al. 1996). Eine reduzierte Plasmakonzentration der Dopamin-Beta-Hydroxylase sowie der Thrombozyten-MAO (Shekim et al. 1986) scheint eher mit einer begleitenden Störung des Sozialverhaltens als mit der ADHS zusammenzuhängen (Bowden et al. 1988; Malmberg et al. 2008).
Aktuell existieren drei unterschiedliche Modelle der ADHS, welche die verschiedenen neurobiologischen Befunde und Theorien zum Dopamin zu vereinigen versuchen (Williams 2008). Sie gehen in der Hauptsache von einem reduzierten dopaminergen Funktionsniveau aus, was z. B. im Modell von Sagvolden und Mitarbeitern (2005) in drei unterschiedlichen dopaminergen Regelkreisen zu Defiziten in Verstärkung und Löschung von Verhaltensweisen führt. Obwohl also sich auf den ersten Blick teilweise widersprechende Befunde zum dopaminergen System bei der ADHS existieren, wurde vor einigen Jahren erstmals postuliert, dass eine zu niedrige tonische Freisetzung von Dopamin über einen Feedbackmechanismus (mit einer reduzierten Stimulation präsynaptischer Autorezeptoren) zu einer erhöhten phasenhaften Dopaminausschüttung führen könnte (Grace 2001; Solanto 2002). Dementsprechend wurde angenommen, dass der positive Effekt einer Medikation mit Stimulanzien durch eine Erhöhung der tonischen dopaminergen Neurotransmission und einer damit verbundenen Verminderung der phasischen dopaminergen Neurotransmission zustande kommt. Allerdings konnte gezeigt werden, dass Stimulanzien in unterschiedlichsten Dosierungen keinen besonderen Effekt auf die präsynaptischen Autorezeptoren haben (Ruskin et al. 2001).
Unter anderem deshalb wurde die Hypothese einer erhöhten phasenhaften Dopaminausschüttung von einigen Autoren verworfen. Sie gehen von einer Reduktion sowohl der phasischen als auch der tonischen Dopaminausschüttung aus (Madras et al. 2005; Sagvolden et al. 2005). Für diese Annahme spricht die unter Stimulanziengabe zu beobachtende Erhöhung der extrazellulären striatalen Dopaminkonzentration (Volkow et al. 2001) sowie der phasischen Dopaminausschüttung in die Synapse (Schiffer et al. 2006). Letztere scheint durch Stimulanzien im Striatum deutlich mehr verstärkt zu werden als im präfrontalen Kortex (Mazei et al. 2002; Madras et al. 2005), was am Ehesten auf die deutlich höhere DAT-Dichte im Striatum zurückzuführen ist (Cragg et al. 2002). Daraus kann man schließen, dass die phasische Dopaminausschüttung und ihre Beeinflussung durch Medikamente vor allem im Striatum für die ADHS von Bedeutung sind. Allerdings kann eine Verbesserung der striatalen Neurotransmission indirekt auch zu Veränderungen im frontalen Kortex führen (Alexander et al. 1986). Ein solcher Zusammenhang wird durch Ergebnisse untermauert, die eine hohe Korrelation zwischen der Aktivität und Plastizität im Striatum auf der einen und der frontalen Aktivität auf der anderen Seite zeigen konnten (Yano und Steiner 2005).
Geht man nun von der skizzierten Reduktion der tonischen und phasischen dopaminergen Neurotransmission im Striatum aus, bleibt noch die Frage, wie diese Veränderungen zu den ADHS-Symptomen führen. Aufgrund der Ergebnisse von Computersimulationen wird vermutet, dass eine normale dopaminerge Neurotransmission im Striatum die Balance zwischen exzitativen und inhibierenden Nervenbahnen gewährleistet. Diese Nervenbahnen sind über zahlreiche Verschaltungen in der Lage, eine Feinregulation aus Fazilitation und Inhibition bei der Ausführung von im Frontalkortex abgespeicherten Handlungsmustern zu gewährleisten. Diese Handlungsmuster reichen von kognitiv wenig fordernden motorischen Bewegungsabläufen (aus den prämotorischen Arealen stammend) bis hin zu viel kognitive Kontrolle fordernden Aufgaben wie Aktualisierung des Arbeitsgedächtnisses und das Treffen von Entscheidungen (aus dorsolateral präfrontalen und orbitofrontalen Arealen stammend). Besonders die phasische dopaminerge Neurotransmission während positiver und negativer Verstärkung begünstigt das Lernen durch Fazilitation positiv belohnter Handlungen und durch Verhinderung der weniger belohnten Handlungen (Frank et al. 2005). Bezüglich des Arbeitsgedächtnisses bewirkt diese dopaminerge Neurotransmission eine kontinuierliche Aktualisierung aufgabenrelevanter Informationen der dorsolateral im präfrontalen Kortex lokalisierten Repräsentationen (O’Reilly und Frank 2006). In ähnlicher Weise fazilitieren sie die langfristige Wirkung positiver Verstärkung in orbitofrontalen Regionen, was die Entscheidungsfindung beeinflusst (Frank und Claus 2006).
Eine Synthese des aktuellen Standes vieler dieser Befunde und Theorien findet sich in dem »dopamine transfer deficit model« (Tripp und Wickens 2008), der »dynamic developmental theory (Sagvolden et al. 2005) und dem etwas weniger bekannten »extended temporal difference model« (Williams 2008). Allerdings sind auch bei Betrachtung aller drei Modelle noch viele Fragen offen und weitere Forschungsanstrengungen vor allem zum Zusammenspiel zwischen Dopamin und anderen, bisher bei der ADHS weniger untersuchten Neurotransmittern erforderlich.
Die Störungen des dopaminergen Systems werden auch anhand der drei Regelkreise unterteilt (Sikstrom und Soderlund 2007).
• Im mesolimbischen System wird eine dopaminerge Dysfunktion vermutet, die Verstärkungsprozesse beeinträchtigt und so zu mangelnder Fähigkeit eines Belohnungsaufschubs, zu erhöhter Hyperaktivität in ungewohnten Situationen, zu vermehrter Impulsivität etc. führt.
• Eine dopaminerge Hypofunktion in mesokortikalen dopaminergen Regelkreisen bedingt Unaufmerksamkeit und Beeinträchtigungen der exekutiven Funktionen.
• Eine dopaminerge Dysfunktion im nigrostriatalen Regelkreis führt zu Beeinträchtigungen der Motorik und des nicht-deklarativen Lernens, was sich z. B. in einer erhöhten Ungeschicklichkeit äußern kann.