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7.3 Serotonin

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Nicht nur das dopaminerge und noradrenerge System sind eng miteinander verbunden, sondern auch das serotonerge System besitzt enge Verbindungen zu beiden und weist bei ADHS-Betroffenen Veränderungen auf (Oades 2007). Eine verminderte serotonerge Neurotransmission geht in Studien an Menschen und Tieren mit erhöhter Aggressivität und reduzierter Impulskontrolle als einem Kernsymptom von ADHS einher, was die vermutete Schlüsselrolle des Serotonins bei der Affektregulation widerspiegelt (Lucki 1998; Wetsel et al. 1999; Caspi et al. 2003). Die Verbindung von Serotonin und Impulsivität ist auch durch die häufige Koexistenz von ADHS und anderen Störungen mit erhöhter Impulsivität wie Störung des Sozialverhaltens, Persönlichkeitsstörungen, Bulimie, Substanzmissbrauch und Suizidalität immer wieder im Fokus von Forschungsvorhaben (Oades 2007).

Allgemein erstaunt, dass trotz der großen Projektionsbahnen des serotonergen Systems in den primären und sekundären Motorkortex (Jacobs und Fornal 1995) relativ wenig Studien sich mit dem Zusammenhang von Serotonin und Motorik beschäftigt haben. Tierstudien haben gezeigt, dass der Serotoninrezeptor HTR1B an der Regelung der Motorik beteiligt ist (Martin et al. 1987; Gainetdinov et al. 1999b). Neben dem vermehrten Interesse am serotonergen System als Mitglied des »Neurotransmitter-Orchesters« ist Serotonin auch bei den etwa 20–30 % der Patienten von Interesse, bei denen Stimulanzien keine bzw. nur eine unzureichende Wirkung zeigen. Hier sei auch auf die Diskussion zur Abgrenzung von ADHS und emotionalen Störungen hingewiesen.

Als Kandidatengene des serotonergen Systems wurden bei der ADHS die HTR1B- und HTR2A-Rezeptor-Gene, das Serotonintransporter-Gen (5-HTT-Gen) und das Tryptophan Hydroxylase-Gen (TPH2) untersucht. Eine Meta-Analyse der bis 2005 publizierten Studien ergab eine Assoziation zwischen dem HTR1B-Rezeptor Gen und ADHS (gepooltes Odds Ratio: 1,44; (Faraone et al. 2005)). Mehrere nachfolgende Studien konnten die Assoziation allerdings nicht replizieren (Brookes et al. 2006; Mick und Faraone 2008) oder fanden gar eine umgekehrte Assoziation (Li et al. 2007).

Insgesamt weniger Evidenz besteht für eine Beteiligung der Tryptophan-Hydroxylase, die Tryptophan zu 5-Hydroxytryptophan katalysiert, und des HTR2A-Rezeptors, wobei die Befundlage allerdings widersprüchlich ist (Sheehan et al. 2005; Walitza et al. 2005; Brookes et al. 2006; Sheehan et al. 2007). Nicht nur bzgl. dopaminerger Genen sondern auch bzgl. des 5-HTTLPR konnte jüngst eine Studie eine Gen-Umwelt-Interaktion zeigen; hier waren es ungünstige Umgebungsbedingungen in der Kindheit (Retz et al. 2008).

Unseres Wissens liegen noch keine funktionellen bildgebenden Studien zum serotonergen System bei der ADHS vor. Lediglich in einem Vortragsabstrakt wird von den Ergebnissen einer SPECT Untersuchung mit Iod-123-FP-CIT berichtet (Hesse et al. 2006). Obwohl der Ligand auch an den 5-HTT bindet, fanden die Autoren in den 5-HTT reichen Regionen des Mittelhirns und Hirnstamms keine Unterschiede zwischen bisher unbehandelten erwachsenen Patienten mit ADHS und gesunden Kontrollprobanden. Bei Kindern mit Alkoholembryopathie und ADHS zeigte sich eine erniedrigte [123I]nor-beta-CIT Bindung an den 5-HTT im medialen Frontalkortex bei gleichzeitig leicht erhöhter Bindung an den DAT im Striatum (Riikonen et al. 2005).

Der Umstand, dass Studien zu Tiermodellen der ADHS bisher keine einheitlichen und damit befriedigenden Ergebnisse über die Rolle des Serotonins bei der ADHS liefern konnten, ist auch durch die sehr geringe Datenlage zum Thema bedingt (Russell et al. 2005). In zwei Tiermodellen der ADHS konnte eine erhöhte Dichte des Serotonintransporters im Striatum gezeigt werden, nämlich bei Spontan Hypertensiven Ratten (Roessner et al. 2009) und bei 6-OHDA-läsionierten Ratten (Zhang et al. 2002). Oft zitiert wird der Befund, dass das serotonerge System an der paradoxen beruhigenden Wirkung der Stimulanzien bei DAT-knockout-Mäusen beteiligt ist. Hier konnte gezeigt werden, dass bei fehlenden DAT der Stimulanzieneffekt über die Blockade der Wiederaufnahme des Serotonins erfolgte (Gainetdinov et al. 1999b). Inwieweit schlafbezogene Atemstörungen bei ADHS ( Kap. 16) mit einer Fehlregulierung des mesencephalen Serotoninsystems verbunden sein könnten, bleibt zu überprüfen (Manzke et al. 2003).

Von drei Studien zu Serotoninspiegeln im Blut von Kindern mit ADHS berichteten zwei erniedrigte Werte (Coleman 1971) und eine keine Abweichung von den Werten Gesunder. Bei Untersuchungen zum Serotoningehalt der Thrombozyten bei ADHS zeigte eine Studie erniedrigte (Spivak et al. 1999), eine andere unveränderte Werte (Bhagavan et al. 1975). Drei Untersuchungen im Liquor von ADHS-Patienten fanden keine Abweichungen der Hydroxyindolessigsäurekonzentration (5-HIAA) als Abbauprodukt des Serotonins (Shetty und Chase 1976; Irwin et al. 1981; Castellanos et al. 1994). Gleiches wurde bei ADHS auch für die 5-HIAA-Konzentration in Thrombozyten (Rapoport et al. 1974) und Urin (Kusaga et al. 2002) gefunden. Allerdings wurde bei der Betrachtung des Verhältnisses von Serotonin zu 5-HIAA im Urin ein Trend zu einer reduzierten serotonergen Aktivität gefunden (Oades und Muller 1997; Oades et al. 1998).

Entsprechend wurde immer wieder eindringlich darauf hingewiesen, dass nur die Betrachtung der Verhältnisse unterschiedlicher Metabolite verschiedener Neurotransmitter zueinander wie z. B. des Verhältnisses der Homovanillinsäure (HVA) (Abbauprodukt des Dopamins) zur Hydroxyindolessigsäure (Abbauprodukt des Serotonin) im Urin verwertbare Aussagen zur Neurochemie der ADHS liefern kann (Oades 2002). Wie schon erwähnt, zeigte eine der wenigen Studien zu serotonergen Metaboliten im Liquor von Kindern mit ADHS, dass HVA und 5-HIAA miteinander korrelieren (Castellanos et al. 1994). Bei diesen Kindern korrelierten der HVA Spiegel sowie das HVA/5-HIAA Verhältnis positiv mit der Hyperaktivität auf der Conners Skala. Der Schweregrad der Symptome und der hohe Metabolitenspiegel sagten das Ansprechen auf die Stimulanzienmedikation gut voraus (Castellanos et al. 1996), was nicht nur für die Beteiligung des dopaminergen Systems sondern auch für eine zumindest modulierende Rolle des serotonergen Systems bei ADHS spricht (Oades und Muller 1997).

Bei den bisher in älteren, meist offenen Studien getesteten Medikamenten (z. B. Fluoxetin, Fenfluramin, Buspiron, Imipramin) stellt sich die Frage, inwieweit die genannten serotonergen Wirkmechanismen im Vergleich zu den anderen, gleichzeitig auftretenden katecholaminergen Effekten überhaupt von Bedeutung sind, zumal die klinischen Effekte verglichen mit z. B. den Stimulanzien gering waren. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass nach aktuellem Wissen Stimulanzien die serotonerge Aktivität nicht direkt, sondern nur indirekt über ihre eigene katecholaminerge Wirkung beeinflussen (Leonard et al. 2004).

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