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1.5.3 Gesellschaftspolitische Verortung sozialraumorientierter Sozialer Arbeit

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Zur Arbeit an der Verhinderung und Veränderung benachteiligender und menschenunwürdiger Lebensbedingungen bringt sozialraumorientierte Soziale Arbeit ihre Expertise auf den unterschiedlichen Ebenen gesellschaftlicher Organisation ein, indem Sie ihre Analysekompetenz den zuständigen Akteuren zur Verfügung stellt und sie dazu auffordert, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, und sozial benachteiligte Menschen dabei unterstützt und ermächtigt, sich für ihre Anliegen einzusetzen und ihre (Menschen- und Bürger*innen-)Rechte einzufordern. Um diesen politischen Auftrag erfüllen zu können, wurden Arbeitsformen und Methoden entwickelt und erprobt, die es Sozialer Arbeit ermöglichen, auf verschiedenen Handlungsebenen in den unterschiedlichen Handlungsfeldern jeweils adäquate fachspezifische Schwerpunkte zu setzen. Diese können sowohl in der parteilichen Arbeit zur Unterstützung der Bevölkerung auf der Quartierebene als auch in der vermittelnden Arbeit intermediärer Instanzen eher in der koordinierenden oder der programmatischen Arbeit innerhalb kommunaler Verwaltung bzw. freier Träger und Verbände liegen. Immer jedoch gilt das Primat der Sozialen Arbeit, sich im Widerstreit der Interessen für die Anliegen der am stärksten benachteiligten und hilfebedürftigen Menschen einzusetzen und in der interdisziplinären Kooperation die Sichtweise Sozialer Arbeit zugunsten einer sozialen und gerechten Gesellschaft prominent zu vertreten.

Soziale Arbeit erbringt vorwiegend personenbezogene Dienstleistungen, die in der Regel im direkten Kontakt erbracht werden müssen. Dazu bedarf es einer aufsuchenden Gestaltung der Kontaktaufnahme und einer Haltung respektvollen Interesses und Akzeptanz für den Eigensinn der Lebensdeutung und -gestaltung der Menschen, die als Expert*innen für ihre Lebenssituation angesehen werden. Diese Orientierung am Willen, den Fähigkeiten und Möglichkeiten, aber auch an den Grenzen der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit von von sozialen Problemen betroffener Menschen ist nicht gleichzusetzen mit politischen Programmen des aktivierenden Staates, wonach die Bürger*innen zu Aktivität und Selbsthilfe verpflichtet werden, während sich das Staatswesen aus der Verantwortung zurückzieht und die Frage nach Bürger*innenrechten moralisierend zurückweist (vgl. Wohlfahrt u. a. 2003). Denn dabei wird tendenziell außer Acht gelassen, dass auch Engagementpotenziale ungleich verteilt sind und die Verlagerung staatlicher Aufgabenverantwortung auf die Bevölkerung die ungleiche Verteilung sozialer Güter (»Kapitalien« nach Bourdieu 1982) verstärkt bzw. die Einforderung bürgerschaftlicher Verantwortung und Engagement – bis hin zu Sanktionen und Strafe – soziale Benachteiligung verschärft. Im Gegensatz dazu reklamiert das Handlungskonzept SRO die Unterstützung von Menschen mit geringen Engagementpotenzialen und -erfahrungen anstatt deren moralische Verurteilung oder gar Sanktionierung.

Diese würden ansonsten dreifach benachteiligt:

• durch die grundlegende strukturell ungleiche Verteilung sozialer Güter zu ihren Ungunsten,

• durch die Dominanz durchsetzungskräftiger Bürger*innen mit hohem Engagementpotenzial,

• durch die moralische Verurteilung und Sanktionierung eines Verhaltens als Folge sozialer Benachteiligung.

Auch Gemeinschaftsideologien eignen sich, trotz ihrer zeitweisen Popularität und unabhängig von ihren konservativen oder sozialrevolutionären Spielarten, nicht als Integrations-Vermittlungs-Konzepte Sozialer Arbeit (Bingel 2011: 215ff.), weil deren Inklusions- und Exklusionsmechanismen soziale Benachteiligung nicht verhindern, sondern eher verschärfen oder festigen (Sennett 1974). Denn sowohl auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (Bürger*innenrechte, soziale Gerechtigkeit) als auch auf lokaler Ebene werden durch Gemeinschaftsideologien Interessen eher homogenisiert und Konflikte externalisiert, die dadurch innerhalb der Gemeinschaft nicht mehr ausgetragen oder ausgehandelt werden können (Sennett 2012).

Die für Soziale Arbeit permanente Herausforderung, trotz der Diskrepanz zwischen anspruchsvollen Zielen und begrenzten Handlungsmöglichkeiten einen wirksamen Beitrag zu gesellschaftlicher Integration leisten zu wollen und zu müssen, kann durch das Handlungskonzept SRO nicht aufgehoben, aber bearbeitet werden. Gesamtgesellschaftliche Problemverursachungen lassen sich auch auf lokaler Ebene analysieren und deren Bewältigungsverantwortung an die jeweilige politische Handlungsebene adressieren. Ausgehend von der Prämisse, dass gesellschaftliche Strukturen und Prozesse gestaltbar sind und die wechselseitigen Verflechtungen (Interdependenzen) menschlicher Beziehungen (Elias 1991; 1976) in sozialräumlichen Kontexten erlebbar und handlungswirksam werden (Elias/Scotson 1965), bietet das Handlungskonzept SRO Möglichkeiten der Bewältigung sozialer Probleme, in dem es die Vielfalt unterschiedlicher Aspekte sozial-räumlicher Kontexte integriert und in Kooperation mit anderen gesellschaftlichen Akteuren, vorwiegend auf lokaler Ebene, bearbeitbar macht.

Im Folgenden soll Sozialraumorientierung als integratives Handlungskonzept Sozialer Arbeit in seinen Grundzügen dargestellt und erläutert werden. Dabei gilt es integrative Wirkungen zu berücksichtigen, die das Handlungskonzept SRO in Bezug auf interdisziplinäre Vernetzung und Methodenintegration erzielen kann.

Handbuch Sozialraumorientierung

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