Читать книгу Handbuch Sozialraumorientierung - Группа авторов - Страница 6
ОглавлениеVorwort des Herausgebers
Sozialraumorientierung (SRO) ist ein inzwischen viel publizierter Begriff1. Darunter sind sowohl Publikationen, die sich mit SRO (z. B. Früchtel/Cyprian/Budde 2007a/b; Schönig 2008) als einem Konzept auseinander setzen, als auch solche zur Sozialraum-Forschung (u. a. Alisch/May 2017; Kessel/Reutlinger 2008;) sowie Abhandlungen zu SRO in der Praxis, vorwiegend in den Bereichen Jugendarbeit, Erziehungshilfen sowie Sozialer Arbeit mit alten Menschen und Menschen mit Behinderungen ( Tab. 1.3).
SRO ist also zwar ein bereits viel umschriebener Begriff, allerdings mit geringer inhaltlicher Stringenz und struktureller Konsistenz. Die Publikationslandschaft zum Begriff SRO ist dementsprechend durch eine große konzeptionelle und funktionelle Heterogenität gekennzeichnet, die Studierenden und Praktizierenden die Orientierung über die verschiedenen Akzentsetzungen und die Grundlagen zur Gestalt und Umsetzung des fachlichen Konzeptes auf unterschiedliche Handlungsfelder Sozialer Arbeit nicht gerade erleichtert.
An diesem Punkt setzt das vorliegende Handbuch an, das SRO als Handlungskonzept konzipiert, das für unterschiedliche Handlungsfelder Sozialer Arbeit Relevanz beanspruchen kann. Dementsprechend enthält das einführende Kapitel die Beschreibung des Handlungskonzeptes SRO in der Lesart des Herausgebers Martin Becker ( Kap. 1). Hierzu werden zunächst die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen von SRO als Handlungskonzept Sozialer Arbeit zusammenfassend erläutert sowie ein Strukturgerüst der Methodologie sozialraumorientierter Arbeit für unterschiedliche Handlungsfelder Sozialer Arbeit entwickelt. Auf der Basis dieses Strukturgerüsts beschreiben Autor*innen aus Wissenschaft und Praxis Sozialer Arbeit in den folgenden Kapiteln, entsprechend ihrer Expertise, wie aus ihrer Perspektive das Konzept SRO im jeweiligen Handlungsfeld adaptiert und umgesetzt werden kann. Der Unterschiedlichkeit der diversen Handlungsfelder Sozialer Arbeit entsprechend sind die Beschreibungen deren Spezifika sowie deren konzeptionellen Bezüge zur SRO durch jeweilige Eigenlogiken geprägt und unterscheiden sich deshalb zwangläufig auch in Aufbau und Inhalten der Beiträge.
Mit dem vorliegenden Handbuch kann selbstverständlich nicht der Anspruch erhoben werden, eine vollständige Aufzählung bzw. Berücksichtigung aller bestehenden Handlungsfelder Sozialer Arbeit leisten zu können, sondern es handelt sich um eine Auswahl, die mit neun verschiedenen Beiträgen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit durchaus als heterogene Mischung angesehen werden darf. Dass das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, mit den Bereichen Offene Jugendarbeit, Jugendbildungsarbeit und Schulsozialarbeit hier nicht eigens behandelt wird, dürfte u. a. dadurch zu verschmerzen sein, dass genau zu diesem Handlungsfeld schon früh eine recht umfangreiche Auseinandersetzung mit SRO erfolgt ist (vgl. Deinet 2002; 2005; 2009).
Die durchaus nicht zufällige Reihung der Beiträge wird begonnen mit dem klassischen Handlungsfeld der Gemeinwesenarbeit (GWA), als wohl einem der ältesten und am spezifischsten auf SRO – im hier noch zu beschreibenden Sinne – fokussierten Handlungsfeld Sozialer Arbeit, das hier als »Soziale Arbeit in und mit Gemeinwesen« bezeichnet und durchaus konzeptionell konturiert wird. Martin Becker erläutert dazu, aufbauend auf historischen Quellen und Grundlagenliteratur der GWA, die in eigenen Publikationen (Becker 2008; 2014; 2016) dargestellten Begriffsverständnisse und geht auf aktuelle Weiterentwicklungen des Handlungsfeldes ein ( Kap. 2).
Sabine Triska und Mone Welsche beschreiben das Handlungsfeld »Soziale Arbeit mit verhaltensauffälligen und seelisch behinderten jungen Menschen« aus der Perspektive des Handlungskonzeptes SRO. Dabei gehen Sie sowohl auf handlungsfeldspezifische Einschränkungen ein, die der Umsetzung des Konzeptes immer noch entgegenstehen, greifen aber auch die Möglichkeiten und Chancen auf, die sich aus ihrer Erfahrung bei ernsthafter Auseinandersetzung mit dem Handlungskonzept und dessen fachlich sinnvoller Anwendung bieten ( Kap. 3).
Der Beitrag von Christian Roesler zur Paarberatung im Handlungsfeld Sozialer Arbeit mit Familien weicht wegen des in diesem Tätigkeitsfeld üblichen methodischen Einzel- und Primärgruppenbezugs (Paarberatung) von der im Einführungsartikel dargestellten Struktur der Beiträge am weitesten ab. Der Bezug zur SRO wird hier vorwiegend durch die Darstellung der gesellschaftlichen Bedeutung von Familienarbeit und Unterstützung von Paaren sowie der Berücksichtigung lebensweltlicher und sozialräumlicher Einflussfaktoren hergestellt und beschrieben ( Kap. 4).
Eine Perspektive aus praktischer Sicht liefert Ulrike Jensen mit ihren Fallbeispielen und konzeptionellen Begründungen aus der Arbeit als Bewährungshelferin, für die SRO, selbst in der vergleichsweise Individuum bezogenen Arbeit zur Resozialisierung straffällig gewordener Menschen, ein Grundstein konzeptionellen Handelns geworden ist ( Kap. 5).
In einem weiteren Kapitel stellt Fabian Frank sozialraumorientierte Soziale Arbeit im Handlungsfeld der Gemeindepsychiatrie vor und verdeutlicht, welche Implikationen das Handlungskonzept SRO für Soziale Arbeit mit Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren sozialem Umfeld mit sich bringen können ( Kap. 6).
Einen Beitrag, der an die kritische Diskussion der begrifflichen und thematischen Verbindungen von Migration und Sozialer Arbeit anknüpft und deutlich macht, welche Chancen das Konzept SRO in Bezug auf die Entstigmatisierung von Migration und Migrant*innen birgt, liefert Nausikaa Schirilla ( Kap. 7).
Peter Kuhnert beschäftigt sich in seinem Beitrag mit den Möglichkeiten und Grenzen des Handlungskonzeptes SRO im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit mit Menschen in prekären Lebenslagen. Dabei geht er umfänglich auf die gesellschaftlichen Rahmendbedingungen von Armut, Arbeits- und Wohnungslosigkeit ein und verdeutlicht die Relevanz sozialräumlicher Kontexte in Bezug auf die Situation von Menschen in prekären Lebenslagen sowie die methodische Arbeit und Unterstützung bei deren Bewältigung ( Kap. 8).
SRO im Handlungsfeld der Suchthilfe wird von Jürgen Sehrig vorgestellt, indem er für das Feld der Suchthilfe aufzeigt, welche Relevanz dem Handlungskonzept SRO in Bezug auf Zugänge zu suchtkranken Menschen bis hin zur Nutzung virtueller Räume für Soziale Arbeit beigemessen werden sollte ( Kap. 9).
Den Abschluss und gewissermaßen den Schlussstein legt der Beitrag von Cornelia Kricheldorff und Ines Himmelsbach über SRO in gerontologischen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Darin verdeutlichen sie ihre Vorstellungen der gesellschaftlich bedeutsamen Arbeit mit Menschen in den fortgeschrittenen Altersphasen und belegen nochmals fundiert und verständlich die konzeptionellen Grundlagen sozialraumorientierten Handelns ( Kap. 10).
Im Anschluss an die einzelnen handlungsfeldbezogenen Beiträge findet sich am Ende dieses Handbuches eine kurze Vorstellung der beteiligten Autor*innen.
Martin Becker
Quellen- und Literaturverzeichnis
Alisch, Monika/Ritter, Martina (Hrsg.; 2017): Methoden der Praxisforschung im Sozialraum. Beiträge zur Sozialraumforschung. Band 15. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich.
Becker, Martin (2016): GWA-Personalbemessung. Orientierungshilfe zur Personalbemessung professioneller Sozialer Arbeit im Handlungsfeld der Stadtteil- und Quartierentwicklung. Konstanz: Hartung-Gorre-Verlag.
Becker, Martin (2014): Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit in der Sozialen Arbeit. Stuttgart: Kohlhammer.
Becker, Martin (2008): Lebensqualität im Stadtquartier. Einflussfaktoren, Wirkungen und Handlungsmöglichkeiten. Saarbrücken: VDM.
Deinet, Ulrich (2009): Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS Verlag.
Deinet, Ulrich (2005): Sozialräumliche Jugendarbeit. Grundlagen, Methoden und Praxiskonzepte, Wiesbaden: VS Verlag.
Deinet, Ulrich/Krisch, R. (2002): Der sozialräumliche Blick der Jugendarbeit. Opladen: Budrich.
Früchtel, Frank/Cyprian, Gudrun/Budde, Wolfgang (2007a): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Textbook: Theoretische Grundlagen. Wiesbaden: VS Verlag.
Früchtel, Frank/Cyprian, Gudrun/Budde, Wolfgang (2007b): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Fieldbook: Methoden und Techniken. Wiesbaden: VS Verlag.
Kessl, Fabian/Reutlinger, Christian (Hrsg.; 2008): Schlüsselwerke der Sozialraumforschung. Traditionslinien in Text und Kontexten. Wiesbaden: VS Verlag.
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