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1.6 Sozialraumorientierung in Handlungsfeldern Sozialer Arbeit

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Soziale Arbeit orientiert sich als normative Handlungswissenschaft, wie oben bereits angeführt, an Zielen, wie der (Be-)Achtung der Würde des Menschen und der Schaffung sozialer Gerechtigkeit8. Aus ihrem disziplinären Gegenstand der Vermeidung, Verminderung und Bewältigung sozialer Probleme ergibt sich nicht nur der Auftrag zur Bearbeitung vorhandener Missstände, sondern ebenso zur Verhinderung manifester und latenter sozialer Probleme. Soziale Probleme sind Bestandteile komplexer sozialer Prozesse, die aus einer festgestellten Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Zielsetzungen und der empirisch wahrnehmbaren Realsituation resultieren und in Wechselwirkung von Machtpotenzialen menschlicher Beziehungen modifiziert werden. Soziale Arbeit hat Konzepte und Methoden entwickelt, die versuchen der Komplexität sozialer Wirklichkeit gerecht zu werden und gleichzeitig die Möglichkeit zu eröffnen, diese Komplexität durch Fokussierung auf bestimmte Problemaspekte oder Ebenen zu reduzieren. In der Praxis Sozialer Arbeit sind, durch gesellschaftliche (teilweise gesetzlich verankerte) Aufträge und traditionelle Organisationsformen von Hilfen und Dienstleistungen, Spezialisierungen in Bezug auf Adressat*innen, Methoden und Hilfeformen entstanden, die einer ganzheitlichen Perspektive entgegenstehen können.

Ganzheitliche Sicht und integrierte Behandlung sozialer Probleme erfordern ein vielschichtiges Vorgehen bei Situationsanalyse, Problemdefinition und der Beschreibung von Zielen, Aufgaben und Methoden. Dazu gehören neben multidisziplinären theoretischen Grundlagen zur Generierung von Erklärungs- und Handlungswissen ein Mehrebenansatz bzgl. der Gestaltung von Lebensbedingungen und -räumen sowie die Methodenintegration zur Kooperation und Vernetzung mit allen relevanten Akteuren unter Einbezug der Betroffenen.

Sozialraumorientierung hat sich mittlerweile zu einem, bislang noch nicht konsistenten Handlungskonzept Sozialer Arbeit entwickelt, das trotz oder wegen konzeptioneller und pragmatischer Unterschiede und Modifikationen in zunehmend vielen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit Anwendung zu finden scheint. Im Rahmen der Weiterentwicklung von der fallspezifischen über die fallübergreifende bis hin zur fallunspezifischen Arbeit geht der Adressat*innenkreis durch SRO über die klassische Klientel Sozialer Arbeit hinaus und bezieht potenziell alle Menschen in sozial- und räumlich strukturierten Lebens- und Aktionsräumen ein. Mit Beteiligung und Aktivitätsförderung Betroffener, Erschließung und Nutzung von Ressourcen des sozialräumlichen Lebensumfeldes sowie institutioneller und individueller Vernetzung versuchen Organisationen und Fachkräfte Sozialer Arbeit ihrer jeweiligen Aufgabenstellung gerecht(er) zu werden. So setzt bspw. die Ausrichtung der »gemeindenahen Psychiatrie« auf die Potenziale von Angehörigen, Nachbarschaft und sozialem Umfeld von Menschen mit psychischen Belastungen. Dies gilt auch für die Altenhilfe, in der ambulante wie stationäre Hilfen und nahräumliche Versorgung kombiniert und die spezifischen Angebote und Dienstleistungen geöffnet werden, um der Isolierung älterer Menschen entgegen zu wirken. In der Jugendhilfe wird mit »Mobiler Jugendarbeit« und »Straßensozialarbeit« versucht, sozialräumliche Akzente zu setzen oder Finanzbudgets für fallübergreifende oder fallunabhängige Arbeit auf »Soziale Planungsräume« (Noack 2015) zu beziehen. Über Multiplikator*innen sollen sozialräumliche Netzwerke zur besseren Integration von Migrant*innen geschaffen werden. Im Rahmen der Inklusionsbemühungen wird unter dem Begriff »Diversity Management« versucht, mit Unterschiedlichkeiten von Menschen so umzugehen, dass Teilhabe ohne systematische Benachteiligungen oder gar Stigmatisierung gelingt und der Fokus weniger auf personalen Merkmalen von Behinderung, sondern stärker auf der alltäglichen Hinderung an Teilhabe gelegt wird. Dies wird – wie oben erwähnt – auch von der UN-Behindertenrechtskonvention speziell für Menschen mit Behinderungen eingefordert. Die einzelnen Beiträge in diesem Band versuchen, den Handlungsfeldspezifischen Bezug zum hier explizierten Handlungskonzept SRO systematisch herzustellen und zu beschreiben.

Handbuch Sozialraumorientierung

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